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Ein Fahrverbotsschild steht an einer Straße in Hamburg.
© Daniel Bockwoldt/dpa

Hardware-Nachrüstung für Diesel: Viele Autofahrer bleiben auf den Kosten sitzen

Die Nachrüstsets machen die Diesel sauberer und vermeiden Fahrverbote. Erste Umbauten sind ab November möglich. Aber nicht alle Konzerne machen mit.

Eigentlich ist Bundesverkehrsminister Andreas Scheuer (CSU) alles andere als ein Pessimist. Doch in einem Punkt lag der Minister falsch. Im Mai erklärte Scheuer in einem Zeitungsinterview, es lägen noch keine Anträge auf Zulassungen von Sets vor, mit denen die Hardware von Dieselautos nachgerüstet und die Autos dadurch sauberer werden können.

Er sei sehr gespannt, ob die Hersteller zeitnah liefern können, sagte der Minister. „Meine Zweifel waren offenbar nicht unberechtigt“, orakelte der CSU-Politiker damals. Für Scheuer, der ohnehin nicht als Freund der Hardwarelösung gilt, war das eine Bestätigung für seine jahrelange Skepsis.

Doch jetzt zeigt sich: Scheuer hat zu schwarz gesehen. Denn die Anbieter von Nachrüstsystemen – die Firma Baumot und der Bamberger Technik-Entwickler Dr. Pley – haben Gas gegeben, und auch die Behörde hat geliefert. Im Juli und August erteilte das Kraftfahrtbundesamt die Allgemeine Betriebserlaubnis für Hardware-Nachrüstsysteme, die in VW-, Mercedes- und Volvo-Modelle eingebaut werden dürfen. Noch im September soll grünes Licht für erste BMW-Modelle folgen.

Die Hardware-Nachrüstung soll den Ausstoß von Stickoxiden verringern und Fahrverbote für ältere Diesel der Abgasnorm Euro 5 vermeiden. In die Autos wird ein SCR-Kat eingebaut, die Abgasreinigung senkt die Stickoxidemission deutlich. Stößt ein Euro-5-Diesel durchschnittlich 907 Milligramm Stickoxid pro Kilometer aus, so reduziert die Nachrüsttechnik den Ausstoß auf unter 270 Milligramm pro Kilometer.

Verglichen mit den Software-Updates, die es seit mehr als drei Jahren gibt, halten Umweltschützer Hardware-Nachrüstungen für das bessere Instrument, um ältere Diesel wieder flott zu machen. Die Hardwarenachrüstung greife anders als Softwareupdates nicht in die Motorsteuerung ein, gibt der Umweltexperte Axel Friedrich zu bedenken.

Hardware-Nachrüstung reduziert Emissionen um mindestens 75 Prozent

Hinzu kommt: „Software-Updates haben nur einen Wirkungsgrad von zehn bis zwölf Prozent, die Hardware-Nachrüstung reduziert Emissionen um mindestens 75 Prozent, oft sogar noch mehr“, sagte der Ex-Abteilungsleiter des Umweltbundesamts dem Tagesspiegel. Damit können die Autos, deren Hardware nachgerüstet worden ist, auch in den besonders abgasbelasteten Intensivstädten fahren.

In diesen 15 Schwerpunktregionen, zu denen etwa Stuttgart, Köln, Düsseldorf oder München – aber nicht Berlin – zählen, übernehmen VW und Daimler einen Großteil der Nachrüstkosten. Wer einen Euro-5-Diesel fährt, in diesen Städten wohnt oder dorthin pendelt, kann bis zu 3000 Euro von den beiden Autoherstellern bekommen. Dazu haben sich die Konzerne verpflichtet, auch wenn sie andere Maßnahmen zur Luftreinhaltung vorziehen – eine schnelle Flottenerneuerung etwa und den Einsatz von Software-Updates.

Volvo und BMW beteiligen sich nicht an den Kosten

Volvo- und BMW-Fahrer haben dagegen Pech. Sie müssen Hardware-Nachrüstungen komplett selbst zahlen. Während Volvo aber zumindest die Nachrüstung in seinen Vertragswerkstätten ermöglicht, weigert sich BMW selbst in diesem Punkt, kritisiert Martin Pley, dessen gleichnamige Firma Hardware-Nachrüstungen anbietet.

Pley will daher die Nachrüstungen für BMWs von Mercedes-Werkstätten übernehmen lassen. Seine Firma, die mit dem niederländischen Zulieferer Bosal zusammenarbeitet, rüstet die Mercedes- und Volvo-Modelle nach und hat sich um die Betriebserlaubnis für BMW-Autos bemüht, Baumot hat die Nachrüst-Betriebserlaubnis für VW-Diesel bekommen.

SCR-Hardware-Nachrüstungen sind „nicht zielführend“,, heißt es bei BMW

Man sehe die SCR-Hardware-Nachrüstungen „als nicht zielführend an“, sagt ein BMW-Sprecher. „SCR-Hardware-Nachrüstungen bedeuten generell mehr Gewicht, mehr Verbrauch und Auswirkungen auf die Leistung.“ Statt Hardware-Nachrüstungen zu bezuschussen, setze BMW auf die Verjüngung der Flotte mit Hilfe der Umweltprämie.

Den Vorwurf Pleys, man habe die Vertragswerkstätten angewiesen, Hardware-Nachrüstungen zu unterlassen, weist man in München zurück. Der Konzern erklärt aber, dass man die Händler über die grundsätzliche Haltung in Sachen Hardware-Nachrüstung in Kenntnis gesetzt habe. Das dürfte dann wohl in etwa auf dasselbe hinaus laufen.

Die Umrüstung kostet über 3000 Euro. Die Autohersteller sollen zahlen, fordert Klaus Müller, Vorstand des Bundesverbands der Verbraucherzentralen.
Die Umrüstung kostet über 3000 Euro. Die Autohersteller sollen zahlen, fordert Klaus Müller, Vorstand des Bundesverbands der Verbraucherzentralen.
© picture alliance / Bernd von Jut

Dass sich nur einige Hersteller – und auch diese nur in einigen Regionen – an den Kosten für den nachträglichen Einbau einer modernen Abgasreinigung beteiligen, „ist zu wenig“, kritisiert Klaus Müller, Chef des Bundesverbands der Verbraucherzentralen. „Alle Dieselbesitzer sollten ihr Auto mit finanzieller Unterstützung der Hersteller nachrüsten lassen können“, fordert er.

Im November geht's los

Dieselfahrer, die ihr Auto nachrüsten lassen wollen, brauchen noch etwas Geduld. Baumot rechnet damit, dass die Technik für die VW-Nachrüstung Ende Oktober oder im November ausgeliefert wird. Beginnen will man dann mit den verkaufsstarken Modellen Passat, Polo, Golf. Kunden können sich allerdings bereits jetzt online registrieren lassen. Mehr als 12.000 Menschen haben das schon getan.

Ähnlich sieht die Wartezeit für BMW-, Mercedes- und Volvo-Fahrer aus. „Wir werden die Nachrüstsätze Mitte November an die Werkstätten ausliefern“, sagt Pley. Noch arbeitet der Firmenchef am Werkstattnetz für den Einbau, auch in Berlin sucht Pley noch nach Betrieben. Kunden können die Systeme aber schon jetzt online bestellen.

Die Kosten liegen zwischen 3300 und 3540 Euro

Materialkosten, Einbau und Mehrwertsteuer schlagen bei Pley/Bosal mit 3540 Euro zu Buche, bei Baumot sind es rund 3300 Euro. Das heißt: Auch Kunden von VW und Daimler, die in den Intensivstädten leben, müssen einen Teil der Kosten selbst tragen. „Die Zuschüsse der Autohersteller sind nicht kostendeckend“, sagt Pley. Wer nicht in einer Schwerpunktregion wohnt, muss die Nachrüstung komplett selbst zahlen.

In jedem Fall muss man die Kosten zunächst aus eigener Tasche vorschießen. Bei VW oder Daimler kann man jedoch vorher prüfen, ob man später in den Genuss des Zuschusses kommt. Bei VW läuft die Vorabprüfung per Telefon oder Post, bei Daimler online. VW will den Zuschuss innerhalb von vier Wochen auszahlen, nachdem der Einbau erfolgt und der Antrag gestellt ist.

Welche Modelle betroffen sind

Folgende Dieselmodelle können bald nachgerüstet werden: Bei Mercedes sind die C-, E- und V-Klasse sowie der GLK betroffen. Bei Volvo gilt die Nachrüst-Betriebserlaubnis für Fahrzeuge mit dem 2,0- und 2,4-Liter-Dieselmotor. Bei BMW hat Pley/Bosal die Nachrüstung des 3ers, 5ers und 1ers beantragt. Hardware-Nachrüstungen für Daimler, Volvo und BMW laufen über die Systeme von Pley/Bosal.

Mitbewerber Baumot hat die Betriebserlaubnis für die Nachrüstung von 61 Fahrzeugmodellen des VW-Konzerns mit den 1,6- und 2,0-Liter-Motoren EA 189 und EA 288 bekommen. Betroffen sind unter anderem der Polo, der Passat, der Golf, Audi A1, A3 und A4, der Skoda Fabia und Octavia sowie der Ibiza und der Leon von Seat.

Nachgerüstete Euro-5-Diesel sind sauberer als Euro-6-Diesel

Wie viele Menschen von der Nachrüstung Gebrauch machen werden, darüber mag man bei Daimler nicht spekulieren. Das hänge davon ab, für welche Baureihen das Kraftfahrtbundesamt Allgemeine Betriebserlaubnisse erteilt, ob es weitere zonale Fahrverbote für Euro-5-Diesel geben wird und ob sich auch die Kunden für eine Nachrüstung entscheiden, die nicht von den Autoherstellern gefördert werden.

Baumot rechnet dagegen schon jetzt mit einer großen Nachfrage. In Deutschland gibt es mehr als sechs Millionen Euro-5-Diesel, davon 1,33 Millionen in den Intensivstädten, erklärt das Unternehmen. Wenn man das Umland noch hinzurechnet, sieht Baumot ein Marktpotential von 1,38 Millionen Fahrzeugen.

Möglicherweise könnte die Nachfrage eines Tages noch größer werden als derzeit gedacht. Denn Euro-6-Diesel sind derzeit per Gesetz von Fahrverboten ausgenommen. Dabei sind sie mit einem Stickoxid-Ausstoß von durchschnittlich 650 Milligramm pro Kilometer dreckiger als die nachgerüsteten Euro-5-Modelle. „Wir machen die Autos, die wir nachrüsten, besser“, sagt Pley.

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