Private Infrastruktur-Investitionen: Versicherer gehen auf die Straße
Die Finanzbranche wirbt mit einem neuen Gutachten für die Vorzüge öffentlich-privater Partnerschaften. Der Investitionsbedarf ist groß - die Bedenken sind es auch.
Für die Versicherungskonzerne ist klar: Autobahnen, Schulen, Brücken, Flughäfen, Stromnetze, eigentlich die gesamte öffentliche Infrastruktur könnten private Investoren viel besser planen, finanzieren und betreiben als der Staat. ÖPP, öffentlich-private Partnerschaft, lautet das Prinzip: Der notorisch klamme Staat ist Auftraggeber und bleibt Eigentümer der Infrastruktur, die Wirtschaft übernimmt den Rest und bekommt dafür, dass sie schneller und kostengünstiger arbeitet, eine angemessene Vergütung.
Allerdings hat die ÖPP in Deutschland einen schlechten Ruf. „Viele Menschen haben Angst davor, dass private Investoren in die staatliche Daseinsvorsorge eingreifen“, sagte Klaus Wiener, Chefvolkswirt des Gesamtverbandes der Versicherungswirtschaft (GDV), am Donnerstag in Berlin. Außerdem sei für viele auf den ersten Blick nicht verständlich, warum der Staat bei den aktuell historisch niedrigen Zinsen, also sehr guten Finanzierungsbedingungen, privates Investorengeld benötige. Die Konsequenz: In Deutschland werden nur etwa vier Prozent aller Infrastrukturprojekte über ÖPP abgewickelt – international üblich sind etwa zehn Prozent.
Kürzere Bauzeiten, weniger Reparaturen
Das Werben der Wirtschaft, insbesondere der Bau- und Finanzbranche, für ÖPP ist nicht neu. Doch bewirkt hat es in den vergangenen Jahren hierzulande wenig. Um die Diskussion zu beleben, hat der GDV zusammen mit dem arbeitgebernahen Institut der deutschen Wirtschaft (IW) ein Gutachten erstellt. Danach könnte das Engagement privater Investoren viele Großbauprojekte rentabler machen – und Milliardenpannen wie beim Berliner Großflughafen BER oder der U-Bahn in Köln vermeiden. So dürften laut Studie Einsparungen durch kürzere Bauzeiten und weniger Reparaturen den Nachteil höherer Finanzierungskosten bei Infrastrukturvorhaben mehr als wettmachen. „Es geht nicht darum, Schulen, Straßen und öffentliche Einrichtungen zu privatisieren“, sagte IW-Experte Tilo Schaefer. Vielmehr könnten Bau und Betrieb in privater Regie effizienter und kostengünstiger durchgeführt werden. Bund, Länder oder Kommunen blieben am Ende Eigentümer der öffentlichen Einrichtung.
Die Versicherer sprechen von einer Win-Win-Situation
GDV-Volkswirt Wiener sprach von einer ökonomischen Win-Win-Situation für Steuerzahler und Investoren. Letztere sind angesichts niedriger Zinsen händeringend auf der Suche nach Rendite. „Kapitallebensversicherungen haben eine lange Laufzeit – wir brauchen Investitionen, die uns langfristig stabile und planbare Erträge sichern“, sagte Wiener. Derzeit haben die Versicherer nur 0,46 Prozent ihrer Anlagen (rund zwölf Milliarden Euro) in Infrastruktur-Vorhaben investiert, davon nur ein Drittel in Deutschland. Ein Grund dafür ist das fehlende Angebot. So wurden laut IW bislang nur 3,6 Prozent aller deutschen Autobahnen als ÖPP realisiert. „Die deutsche Versicherungswirtschaft ist bereit, Geld für 30 Jahre zur Verfügung zu stellen“, sagte Wiener. Investiert wird derweil lieber im Ausland: Die Allianz kündigte am Mittwoch an, zusammen mit der Weltbank- Tochter IFC eine Milliarde Dollar in Infrastruktur-Projekte in der Dritten Welt zu investieren. Beide Seiten wollen je 500 Millionen Dollar beisteuern, die in Form von Krediten vergeben werden.
"Der Leidensdruck in der Bevölkerung wird größer"
Der GDV setzt darauf, dass angesichts maroder Straßen, Brücken und Schulen auch in Deutschland die Vorbehalte gegen ÖPP aufgegeben werden. „Der Leidensdruck in der Bevölkerung wird immer größer“, glaubt Klaus Wiener. Der Investitionsbedarf bei öffentlichen Einrichtungen ist tatsächlich groß: Eine KfW-Studie bezifferte ihn jüngst auf rund 136 Milliarden Euro – allein bei den Gemeinden. Auch GDV und IW sehen in öffentlich-privaten Partnerschaften kein Allheilmittel. Für eine faire Abwägung zwischen konventioneller Beschaffung und ÖPP müssten aber wenigstens geeignete Wirtschaftlichkeitsuntersuchungen gemacht werden, die alle volkswirtschaftlichen Kosten berücksichtigten, sagte IW-Experte Schaefer. Sonst würden „Äpfel mit Birnen verglichen“.
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