Nährwerte von Zucker, Fett und Salz: Verbraucherzentrale bezweifelt Nestlé-Aussagen
In einem Video lobte Landwirtschaftsministerin Klöckner den Konzern für die Reduzierung von Zucker und Fett in deren Produkten. Doch stimmen die Angaben?
Das Twitter-Video von Landwirtschaftsministerin Julia Klöckner (CDU) und dem Deutschland-Chef von Nestlé, Marc-Aurel Boersch, war nur 59 Sekunden lang, doch auch über zwei Wochen nach der Veröffentlichung sorgt der Inhalt für Gesprächsstoff. Klöckner hatte Nestlé für die für die Unterstützung bei der Reduzierung von Nährwerten wie Zucker, Fett und Salz in Lebensmitteln gedankt. "Circa zehn Prozent" seien die Werte "in den letzten Jahren gesunken", hatte Boersch in dem Video gesagt. Weitere fünf Prozent sollten in naher Zukunft folgen. Doch die Verbraucherzentrale Hamburg zweifelt diese Aussagen nun an.
Man habe stichprobenartig 24 Produkte von 2008 bis 2016 mit den aktuellen Nestlé-Produkten verglichen, teilte die Verbraucherzentrale am Mittwoch mit. Das Ergebnis: "Mit den Vergleichswerten unserer Stichprobe können wir die Aussagen des Nestlé-Chefs nicht bestätigen", sagte Armin Valet von der Verbraucherzentrale. So habe sich der Zuckergehalt nur in vier der 24 Produkte tatsächlich um zehn Prozent reduziert, im Schnitt insgesamt um 5,7 Prozent.
Weiterhin hohe Fett-Werte
Bei der Überprüfung der Fett-Werte konnten laut Verbraucherzentrale nur drei Produkte die von Boersch angesprochene Reduzierung von zehn Prozent erhalten. Viele Produkte, wie die "Maggi Spargelcremesuppe", hätten ihren Fett-Wert sogar verdoppelt, sodass bei der Stichprobe in Summe keine Veränderung der Werte im Vergleich zu den Vorjahren festgestellt werden konnte. Lediglich beim Salz, so die Hamburger Verbraucherzentrale, habe Nestlé Fortschritte gemacht. Hier sei der Wert im Schnitt um 11,3 Prozent gesunken.
Unter den 24 Produkten (alle Details hier) finden sich zum Beispiel Smarties, deren Fett-, Zucker und Kalorien-Wert in den vergangenen Jahren gestiegen, der Salz-Wert aber gesunken ist. Bei Produkten wie "Ravioli in pikanter Soße" oder "Tommy Le Sauce Hollandaise" konnten die Verbraucherschützer in der Summe keine Veränderung feststellen. Angesichts der Ergebnisse sprach Valet von "Schönfärberei". Er forderte ein unabhängiges Informationsportal, das die Entwicklung der Nährwerte von Produkten abbilde, um somit Anbieter stärker in die Pflicht zu nehmen.
Nestlé: Stichprobe nicht repräsentativ
Nestlé reagierte am Mittag auf die Ergebnisse der Verbraucherzentrale mit einer Stellungnahme. Man habe insgesamt 5200 Produkte im Sortiment, die Stichprobe der Verbraucherzentrale Hamburg mit 24 Produkten sei deshalb nicht repräsentativ. "Insgesamt hat die Nestlé Deutschland in den letzten fünf Jahren durchschnittlich etwa zwölf Prozent Salz, acht Prozent gesättigte Fette und sieben Prozent zugesetzten Zucker reduziert", teilte ein Sprecher mit. Dies entspreche etwa 540 Tonnen weniger Zucker, 200 Tonnen weniger Salz und 329 Tonnen weniger gesättigte Fette.
Nestlé, so der Sprecher, werde auch in Zukunft weiter an einer Reduzierung der Nährwerte arbeiten. Dabei müsse man aus Rücksicht auf die Kunden aber behutsam vorgehen und Rezepturen schrittweise verändern. "Unsere Bemühungen haben nur dann Erfolg, wenn die Verbraucher unsere Produkte immer noch mögen und nicht beispielsweise bei der Zubereitung oder am Tisch nachsalzen oder zu einem anderen Produkt mit einem höheren Gehalt an Zucker oder Salz greifen", sagte ein Sprecher.
Bislang scheinen die Deutschen den Nestlé-Produkte aber zugeneigt zu sein. Davon geht zumindest die Landwirtschaftsministerin aus, die in dem umstrittenen Twitter-Video von "Produkten, die die Bürger gerne mögen", sprach. Opposition und Koalitionspartner warfen Klöckner daraufhin Schleichwerbung für den umstrittenen Konzern vor. Klöckner wiederum verteidigte das Video und sprach von "Hatespeakern".