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Am "Spandauer Tor" sollten zwei Bürohäuser die Zufahrt zum Bezirk einrahmen. Das Bürogebäude stand seit 1991 leer, es wurde nie genutzt. Statt es abzureißen, wäre ein Umbau zu Wohnungen sinnvoll, sagt das Bündnis.
© Kai-Uwe Heinrich

Wer braucht Büros, wo es doch Homeoffice gibt?: Verbände wollen Büros in Wohnungen umwandeln

Ein Bündnis aus Gewerkschaften, Mieterverbänden und Hilfsorganisationen will so die Wohnungsnot lindern. Doch sie haben die Rechnung ohne die Firmen gemacht.

Büros in Wohnungen umwandeln - für diese Idee setzt sich ein Bündnis aus Verbänden ein. Der Mieterbund, IG Bau, Caritas, die Gesellschaft für Mauerwerks- und Wohnungsbau sowie des Deutschen Baustoff-Fachhandels haben den Umbau nicht vermieteter Bürohäuser in Wohnimmobilien als wirksames Mittel gegen die Wohnungsnot auserkoren. 235.000 Wohnungen könnten dadurch entstehen und das für nur einen Drittel der Kosten von Neubauten, so ihre Rechnung. Hinzu komme eine Einsparung von neun Millionen Tonnen Co2.

Wegen der geringen Umbaukosten seien diese Objekte besonders gut geeignet, den akuten Mangel an bezahlbaren sowie Sozialwohnungen zu dämpfen. Dem Bündnis zufolge fehlten Ende vergangenen Jahres 600.000 Wohnungen in Deutschland. Besonders betroffen von der Wohnungsnot seien die "Schwächsten in unserer Gesellschaft".

"Dramatisch", nannte der Chef des Mieterbundes Lukas Siebenkotten die Lage am Wohnungsmarkt. "Die Zahl der Sozialwohnungen geht immer weiter zurück". Denn es werde nicht "nachgebaut", obwohl immer mehr Wohnungen aus der zeitlich begrenzten Sozial-Bindung herausfallen.

Sie werden dann zu marktüblichen Mieten vermarktet. Zur Bekämpfung der Wohnungsnot müssten bis 2030 knapp 800.000 Sozialwohnungen neu entstehen. Doch statt der jährlich erforderlichen 80.000 Sozialwohnungen entstehen nur gut 26.000. Ähnlich groß sei die Lücke bei den "bezahlbaren Wohnungen": 3000 entstünden jährlich - 60.000 fehlen indes.

Seehofers bemerkenswerte Bilanz

Bundesbauminister Horst Seehofer (CSU) hatte Ende vergangenen Jahres erklärt, die große Koalition werde ihre Wohnungsbauziele erreichen. Nur: Die versprochenen 1,5 Millionen Wohnungen in dieser Legislaturperiode stehen bisher zu guten Teilen nur auf dem Papier oder im Rohbau - der CSU-Politiker hatte genehmigte Objekte einfach mitgezählt. "Aber im Rohbau und auf dem Papier kann man nicht wohnen, Herr Minister", sagte Siebenkotten.

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Der "Akutplan 2025" des Bündnisses soll die Not lindern. Dazu müssten Bund und Länder 4,8 Milliarden Euro bereit stellen. So viel kostet der Neubau von 80.000 Sozialwohnungen bei einem Subventionswert von 60.000 Euro je Wohnung. Weitere 1,5 Milliarden Euro brauche es zum Ankauf von "Belegrechten" für zusätzliche 75.000 Objekte. Hintergrund: Wegen der zeitlichen Befristung der sozialen Bindung, schrumpft der Bestand an Sozialwohnungen bei steigender Nachfrage.

Kinder ziehen nicht aus, mehr Obdachlose

Das "Drama" am Markt zeigte der Leiter des Pestel-Instituts Matthias Günther anhand dieser Zahlen auf: Der Wohnungsbestand in Deutschland stieg um fünf Prozent, die Zahl der Haushalte aber um fast neun Prozent. Die Folge: Kinder blieben länger im Haushalt der Eltern, es entstünden mehr Wohngemeinschaften und die Menschen rückten zusammen. Außerdem verlieren mehr Menschen ihr Zuhause: 678.000 Wohnungslose gibt es nach Schätzungen der Wohnungslosenhilfe.

Robert Feiger, Chef der IG Bau spricht von einer "verschärften sozialen Wohnungsnot infolge der Pandemie": Durch Kurzarbeit, Arbeitslosigkeit oder dem Verlust der befristete Stellen müssten viele deutliche Einkommenseinbußen hinnehmen. Bei Senioren ist die Armutsgefährdungsquote laut Dietmar Walberg von der "Arbeitsgemeinschaft für zeitgemäßes Bauen" deutlich gestiegen. Jeder Sozialwohnung stünden nunmehr 20 Haushalte gegenüber, die einen Anspruch auf geförderten Wohnraum hätten. Denn der Bestand von vier Millionen Sozialwohnungen sei auf heute 1,1 Millionen geschrumpft. "Das reicht vorne und hinten nicht."

Institut für Wirtschaft sieht stabilen Büromarkt

Könnte es nicht sehr bald reichlich ungenutzte Bürohäuser geben, weil das Home-Office zum Trend wird? Nach einer aktuellen Umfrage des Instituts der deutschen Wirtschaft (IW) sieht es nicht so aus. Von mehr als 1.200 Unternehmen Ende 2020 wollen demnach nur 6,4 Prozent der Firmen ihre Flächen in den kommenden zwölf Monaten verringern: "Noch am ehesten große Unternehmen mit über 250 Beschäftigten sowie Kanzleien, Beratungen und Wirtschaftsprüfer Flächen". Allerdings sei es auch hier nicht mal jede zehnte Firma.

Trotz der Pandemie sei der "Büromarkt äußerst stabil", sagt IW-Immobilienexperte Michael Voigtländer. Die Mieten seien im vergangenen Jahr leicht gestiegen. Der "erwartete Preisverfall" sei ausgeblieben.

Dabei arbeiten derzeit viele Beschäftigte von zu Hause aus: "Wo es geht, nahezu durchgehend, wobei sie 20 Stunden oder mehr vom heimischen Schreibtisch aus arbeiteten", so Voigtländer. Vor der Pandemie sei dies nur stundenweise der Fall gewesen. Doch dahin könnte sich der Trend auch wieder zurückentwickeln. Der Befragung zufolge haben "zwei Drittel der Firmen nicht vor, ihren Beschäftigten nach der Coronakrise mehr Homeoffice als vor der Krise zu ermöglichen".

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