New Work: Verändern oder verschwinden
Die Revolution ist schon da: Neue Märkte krempeln die Arbeitswelt um. Wie Unternehmen sich und ihre Mitarbeiter in die digitale Zukunft bringen.
Daniel Wagenführer ist mittendrin: "Der Markt wandelt sich gerade dramatisch", sagt er über seine eigene Branche. Wagenführer ist bei TA Triumph Adler, einer Tochtergesellschaft der japanischen Kyocera-Group, für das Business Development zuständig. Früher war das Kerngeschäft Kopieren, Scannen, Faxen, Drucken – Aufgaben der alten Arbeitswelt. "Der Markt konsolidiert sich seit Jahren", sagt er. Das heißt konkret: Wer heute nur noch auf Kopieren, Scannen, Faxen und Drucken setzt, der verdient bald gar kein Geld mehr. TA Triumph Adler hat deshalb vor zwei Jahren einen breiten Veränderungsprozess angestoßen. "Die Kunden brauchen ganz neue digitale Dienstleistungen!", sagt Wagenführer. Im Rahmen einer internen Zukunftsfabrik erfindet man diese nun gemeinsam, ebenso wie neue Produkte. Digitale Datenverarbeitung und intelligentes Informationsmanagement sind das, woran man hier mittlerweile tüftelt.
Dafür werden ganz bewusst Menschen über die Organisationsgrenzen hinweg miteinander verknüpft. Einer der Partner ist die Bundesdruckerei. TA Triumph Adler will für seine Kunden eine stabile Infrastruktur bereitstellen, mithilfe des Know-hows der Bundesdruckerei erarbeiten sie hochsichere Zugänge dafür, wie zum Beispiel Fingerabdrucksensoren für Labore.
Wer jetzt nicht handelt, den wird es bald nicht mehr geben
Der Wandlungsprozess, in dem sich das Unternehmen befindet, steht beispielhaft für das, was mittlerweile überall in der Arbeitswelt passiert. Viele Firmen müssen sich, wollen sie weiterhin existieren, ganz neu aufstellen und neue Produkte und Geschäftsmodelle entwickeln. Wer jetzt nicht handelt, den wird es bald nicht mehr geben, wer sich nicht verändert, stirbt. Aus dem Hardware-Anbieter ist in diesem Prozess ein Anbieter für Dienstleistungen geworden, der seinen Kunden hilft, ihre Daten aufzubereiten und sie zugänglich zu machen.
Dafür hat TA Triumph Adler auch ganz bewusst das Know-how des Standortes Berlin genutzt – wo, wenn nicht hier kann man lernen, sich neu zu erfinden. Mit einer Start-up-Safari fing damals alles an: Zwei Tage lang war man in Berlin unterwegs und tauschte sich gezielt mit jungen Unternehmen aus. Daraus entstand die Idee der Zukunftsfabrik, für die auch Strukturen von den Start-ups übernommen wurden. „Das hat uns den Spiegel vorgehalten“, sagt Wagenführer. Heute wolle man mehr "hands on" arbeiten: Keine epischen Konzepte mehr schreiben, sondern Prozesse schlank und viel agiler aufsetzen. Die Veränderungen sollen aus der Mitte des Unternehmens kommen und auch dort gelebt werden. "Sachen von oben vorzugeben – wie zum Beispiel: Ab jetzt duzen wir uns alle – da glauben wir nicht dran", sagt Wagenführer.
Mehr Flexibiliät in allen Bereichen ist angesagt
Doch in Zukunft wird es nicht ausschließlich um den Wandel der Produkte und der Geschäftsmodelle gehen. Auch für die arbeitenden Menschen wird sich viel verändern. Schon heute kann man beobachten, dass sich meist zuerst die Arbeitszeiten lockern, viele Unternehmen erlauben mittlerweile Gleit- und Teilzeit. Und je mehr Technologie Einzug in die Arbeitswelt erhält, umso flexibler wird auch der Ort, an dem die Menschen arbeiten.
Das macht sich auch Coca-Cola zunutze, im Rahmen eines Pilotprojektes mit dem Coworking-Space Jugglehub. Vor etwa einem Jahr gründeten Silvia Steude und Katja Thiede den Coworking-Space in Prenzlauer Berg. Das Besondere am Jugglehub: Die angeschlossene Kinderbetreuung, die man stunden- oder tageweise dazu buchen kann. "Rund 60 Prozent unserer Mitarbeiter in Berlin sind Frauen, viele davon mit Kindern im Kindergartenalter. Wir haben überlegt, wie wir sie bei der Vereinbarkeit von Familie und Job unterstützen können", erzählt Tanja Hofer, Director Talent Management bei Coca-Cola. Seit Beginn des Jahres können die Mitarbeiter in den Jugglehub gehen und von dort aus arbeiten, wenn die Tagesmutter krank ist oder die Kita geschlossen. Das wird so gut angenommen, dass der Konzern schon nach ähnlichen Angeboten an anderen Standorten sucht. Hat dieses Arrangement auch Nachteile? "Da haben wir bisher noch keine entdeckt", sagt Hofer.
Ein Vorreiter bei der Gestaltung der neuen Arbeitswelt ist auch Microsoft. Das Unternehmen regt die Mitarbeiter dazu an, die eigenen Produkte zu nutzen, um so selbstbestimmt wie möglich zu arbeiten. Seit diesem Jahr gibt es dort eine neue Betriebsvereinbarung, die nicht nur Vertrauensarbeitszeit festschreibt, sondern auch den sogenannten Vertrauensarbeitsplatz ermöglicht: Die Mitarbeiter können arbeiten, wann und wo sie wollen. Das führt dazu, dass das moderne neue Bürogebäude, das Microsoft in München baute, auch an normalen Wochentagen manchmal ziemlich leer ist. Diese Entwicklung zeigt aber auch: Die Funktion des Büros wandelt sich, denn die Arbeit kann man auch woanders erledigen. "Das Büro wird in Zukunft nicht mehr der Ort sein, an dem wir auf den Bildschirm schauen", meint Markus Albers, Berater und Buch-Autor in Berlin, der sich viel mit diesen Entwicklungen auseinandersetzt.
Kollaborationstools kennen keinen Feierabend
Denn in den vergangenen Jahrzehnten ist die Arbeit zunehmend ins Privatleben eingesickert. Ein Viertel aller Arbeitnehmer sitzt heute schon abends oder auch am Wochenende beruflich vor dem Rechner, Tendenz steigend. Kollaborationstools wie Slack oder Facebook kennen keinen Feierabend, und auch die E-Mail natürlich nicht: Sie kann jederzeit versendet werden und ist in Sekundenschnelle beim Empfänger. Unternehmen wie Volkswagen reagieren darauf, indem sie um eine bestimmte Uhrzeit die Server abschalten. Eine fast schon hilflose Geste, die aber zeigt, dass Absprachen in den Unternehmen, Selbstbestimmung und Eigenverantwortung immer wichtiger werden.
Eine neue Zeit bricht gerade an, nicht nur für die Firmen sondern auch für den einzelnen Mitarbeiter. Sie erfordert neue Fähigkeiten und verändert die Kommunikation. Albers erwartet, dass sprachgesteuerte Assistenten in Zukunft eine größere Rolle einnehmen werden, auch Google Glasses könnte ein Comeback als Arbeitsgerät hinlegen. "Schon bald wird sich ein digitales Layer permanent über unsere Welt legen", vermutet er. Die Folge: Die Arbeit wird noch mehr als heute "immer dabei" sein. Umso wichtiger ist der richtige Umgang damit. Deutschland klebt zwar noch an seiner Präsenzkultur, doch "im Neuen Arbeiten liegt ein großes emanzipatorisches Potenzial", sagt Albers.
Auch die Aufgabenprofile wandeln sich: Die klassische Sachbearbeitung wird wegfallen, „das wird Künstliche Intelligenz schon bald viel besser können“, meint Albers. Menschen werden kreativer und empathischer arbeiten, erwartet er - das führt zu mehr Kollaboration und Co-Kreation. Das sind landläufig auch die Vorstellungen, die Unternehmen von modernem Arbeiten haben, abzulesen daran, dass sie immer mehr auf Großraumbüros setzen. Und in diesem Modell steckt auch viel Gutes, trotzdem darf es nicht das Ende der Veränderungen sein: „Die Unternehmen opfern dafür Konzentration und Kontemplation“, kritisiert Albers. Eine weitere Kernkompetenz des modernen Arbeiters wird also die Fähigkeit sein, sich zu fokussieren, abzugrenzen und sich nicht den ganzen Tag von Benachrichtigungen, E-Mails und Telefonanrufen antreiben zu lassen.
Berlin sieht Markus Albers in einer Vorreiterrolle: "Berlin ist oft cutting edge gewesen", sagt er. "Ich wünsche mir, dass digitale Start-ups ihre Arbeitsweise mit den Unternehmen teilen." Auch an diesem Wunsch zeigt sich wie bei TA Triumph Adler: In Zukunft hören Firmen nicht mehr an der Unternehmensgrenze auf.
Der Weg in die neue Arbeitswelt ist also ein Lernprozess für Mensch und Firmen – und besonders der Mittelstand hat Nachholbedarf. Eine Studie der KfW zeigte jüngst, dass zwar 80 Prozent der Großunternehmen ihre Digitalisierung vorantreiben, es bei kleineren Unternehmen von weniger als einer Million Euro Jahresumsatz aber nur weniger als ein Drittel ist. Um darauf zu reagieren, hat die Bundesregierung unter Federführung des Arbeitsministeriums kürzlich das Projekt "Experimentierräume" aufgesetzt, das zeigen soll, was in der gesamten Bundesrepublik heute schon in Sachen Digitalisierung getan wird. Die Hoffnung: Andere Unternehmen bekommen Impulse für eigene betriebliche Veränderungen.
Im Rahmen des Projektes "UnternehmensWert:Mensch" können die KMU auch eine Förderung beantragen, um Beratungsleistungen zur Gestaltung einer "mitarbeiterorientierten und zukunftsgerechten Personalpolitik" in Anspruch zu nehmen. Das soll sie dazu ermutigen, auch bei sich Experimentierräume zu schaffen. 20 Millionen Euro sind dafür bereitgestellt worden.
Bräuchte man angesichts von so viel Wandel nicht auch neue Gesetze? Markus Albers ist skeptisch, ob das etwas bringt. "Der klassische Feierabend ist weg und kommt auch nicht mehr wieder", meint er – auch nicht per Gesetz. "Was wir brauchen, sind neue Kulturtechniken und verbindliche Absprachen."