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Ein Vapiano-Restaurant in Münster.
© imago images / Rüdiger Wölk

„Wir haben uns verzettelt“: Vapiano kämpft ums Überleben – Ausgang ungewiss

Vapiano geht es im Branchenvergleich grottenschlecht. Experten sind uneins, ob sich die Firma retten kann.

Auf den Appetit der Deutschen ist Verlass. Jahr für Jahr geben die Bundesbürger mehr Geld aus für Pizza, Burger, Schnitzel oder Sandwiches. 2018 kamen die 100 größten Gastronomie-Ketten hierzulande auf einen Umsatz von 14,5 Milliarden Euro und damit ein Plus von 5,3 Prozent, wie eine Auswertung des Fachmagazins „foodservice“ ergab. 2017 war das Wachstum ähnlich hoch. „Im Markt der Kettengastronomie ist Dynamik“, heißt es beim Deutschen Hotel- und Gaststättenverband (Dehoga). Die Aussichten seien auch 2019 positiv, so das Branchen-Sprachrohr.

Doch während Gastroketten wie burgerme, dean & david, Peter Pane und L'Osteria gesund wachsen - also den Umsatz auch auf gleicher Fläche steigern konnten - kriselt ausgerechnet der einstige Branchenprimus. Vapiano verkündet eine schlechte Nachricht nach der anderen - Gewinnwarnungen, Abgänge von Spitzenpersonal und tiefrote Zahlen. Ihren Jahresabschluss für 2018 verschob die Kölner Firma am Donnerstagabend schon zum dritten Mal - am 18. Juni soll es endlich so weit sein. Immerhin konnte ein wichtiger Kredit gesichert werden.

Bereits bekannt ist, dass der Konzernumsatz 2018 nach vorläufigen Zahlen bei 370 Millionen Euro lag. Auf gleicher Fläche, also ohne Neueröffnungen, war das ein Minus von einem Prozent. Das ist zwar nur ein kleiner Rückgang, angesichts des starken Wachstums in der Branche jedoch grottenschlecht. Zumal noch tiefrote Zahlen hinzukommen: Laut Mitteilung vom Februar lag der Gesamtverlust „deutlich“ unter dem Minus von 2017, da war man schon mit rund 30 Millionen Euro in den Miesen.

Die Lage ist also angespannt. Vor nicht mal zwei Jahren sah das noch anders aus - da herrschte Aufbruchstimmung. Als erste deutsche Restaurantkette ging Vapiano im Sommer 2017 an die Börse - damit wollte man sich im neuen Glanz darstellen, als Mitspieler in einer ganz anderen Liga. Zuvor hatte es mitunter zwar auch schlechte Laune gegeben: So hatten Mitarbeiter über zu lange Arbeitszeiten und hohen Druck geklagt, zudem hatten Handyvideos von Mäusen bei Vapiano die Restaurantkette im Netz zu einem eher unappetitlichen Gesprächsthema gemacht.

Die Firma wollte zu schnell zu viel

Doch mit dem Börsengang sollte eine neue Zeit eingeläutet werden. Allerdings wollten die Vapiano-Aktien der Finanzwelt nicht so recht schmecken: Der Börsenkurs ging in den Sinkflug, heute ist eine Aktie nur noch rund sechs Euro wert statt ursprünglich 23.

Wie kam das? Die Firma wollte zu schnell zu viel, sagt Boris Tomic, Chefredakteur des Fachmagazins „foodservice“. In inzwischen 33 Ländern ist Vapiano präsent mit insgesamt 231 Restaurants, davon 82 in Deutschland. „Nach dem Börsengang war viel Geld in den Kassen, mit dem man „auf Teufel komm raus“ einen Expansionskurs gefahren ist“, sagt Experte Tomic. Es wurden immer mehr Lokale aufgemacht, 2018 waren es mehr als 30. Selbst im australischen Städtchen Toowoomba leuchtete der markante rote Schriftzug. Märkte wie Schweden floppten. Und Großprojekte wie eine neue IT oder ein neues Kassensystem seien nicht konsequent umgesetzt worden, so Tomic.

Und wie sieht man das bei Vapiano selbst? „Das wahnsinnig schnelle Wachstum nach dem Börsengang war nicht immer hilfreich“, sagte Vapiano-Chef Cornelius Everke im März „foodservice“ und verwies auf Markteintritte wie Dänemark und Schottland. Man habe sich „etwas verzettelt“. Der Manager hat seit Ende 2018 das Sagen in der Firma. Mit einem dicken Kredit will er den Laden umstrukturieren und verschlanken. 

Doch die Gespräche mit Geldgebern gestalteten sich schwierig. Nach langem Ringen gab es erst am Donnerstagabend grünes Licht: Die Firma habe verbindliche Kreditzusagen über 30 Millionen Euro von Banken und Großaktionären bekommen, hieß es. Vorstandschef Everke sieht damit die Weichen gestellt „für die weitere Umsetzung unserer neuen Strategie“. Ziel sei es, „Vapiano zurück auf einen profitablen Wachstumspfad zu bringen und unsere Marke wieder erfolgreich bei unseren Gästen zu positionieren“.

Der Kern des Geschäfts ist intakt

Der Manager will Abläufe vereinfachen und damit ein Problem beheben, das zuletzt immer wieder zum Ärgernis wurde: lange Wartezeiten. Er will die Menükarte anpassen und auf Klassiker setzen. Das heißt: Ausgefallene Gerichte wie Pasta mit Roquefort-Feige und Kaffee-Orange, die bis April angeboten wurden, dürfte es künftig wohl nicht wieder geben. Zudem will Everke das Angebot vereinfachen. Derzeit hat man bei Vapiano die Auswahl zwischen 12 verschiedenen Pasta-Arten, ob Fusilli, Dinkel Spaghetti oder Pappardelle.

Sorgenfalten bekommt Markus Zeller, Professor für Systemgastronomie an der Hochschule Heilbronn. „Die Lage von Vapiano ist für die ganze Branche schlecht - man leidet mit, wenn ein Unternehmen so in den negativen Schlagzeilen ist.“ Der Kern des Geschäfts sei intakt, betont der Branchenfachmann - „italienische Küche funktioniert und die transparente Zubereitung der Gerichte direkt vor den Kunden ist ebenfalls im Trend.“

Vapiano sollte sich hinterfragen, ob es nicht doch einen Schwenk hin zum Full Service, also zur Bedienung mache. Bisher geht der Gast selbst an die Küchentheke zur Bestellung und holt sich die Pizza oder die Pasta später ab. Sogar McDonald's biete inzwischen schließlich auch Bedienung an, sagt Zeller. „Die Dinge verändern sich nun mal.“

Branchenfachmann Tomic sieht Vapiano vor einem Kraftakt, der nach seiner Überzeugung aber durchaus gelingen könne. Die Firma müsse sich schnell konsolidieren, also defizitäre Restaurants und Märkte loswerden. Wenn es künftig eine „geregelte Expansion“ gebe, „dann hat Vapiano eine Chance, am Markt wieder gut mitzumischen“.

(Wolf von Dewitz, dpa)

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