Bayer-Aktie stürzt ab: US-Gericht: Glyphosat ist krebserregend
Richterin verurteilt Bayer-Tochter Monsanto auf Schadensersatz. Der Konzern geht in die Berufung. Kritiker fühlen sich bestätigt.
Zwei Wochen können vieles verändern. So wie im Fall von Bayer und Monsanto und der Frage, ob das Monsanto-Unkrautvernichtungsmittel Glyphosat Krebs erregt oder nicht. Vor knapp zwei Wochen hatte Richterin Suzanne Bolanos noch signalisiert, den Fall im Sinne der Bayer-Tochter Monsanto ganz neu aufrollen zu lassen. Für Bayer und seine Aktionäre waren das gute Nachrichten. Immerhin hatte eine Geschworenenjury in San Francisco im August Monsanto zu einer Strafzahlung von insgesamt 289 Millionen Dollar (252 Millionen Euro) verurteilt. Die Geschworenen waren der Auffassung, dass das Herbizid den Kläger, Dewayne Johnson, krank gemacht hat. Der Mann hatte als Platzwart an einer Schule jahrelang mit dem Gift (Handelsname: Roundup) hantiert. Jetzt ist er unheilbar an Lymphdrüsenkrebs erkrankt. Die Geschworenen wollten Monsanto dafür haften lassen. Doch die Richterin hatte Bedenken. Sie wollte eigentlich den Fall noch einmal von Anfang an neu verhandeln lassen. Doch in den vergangenen zwei Wochen hat sie ihre Meinung geändert. Mindestens fünf der Geschworenen hatten protestiert und Bolanos gedrängt, das Urteil doch zu bestätigen. Das tat die Juristin jetzt. Zwar senkte sie die Schadensersatzsumme auf 78 Millionen Dollar Doch für Bayer ist das Urteil dennoch verheerend: Denn mit dem Richterspruch gibt es jetzt das erste Urteil, das feststellt: Glyphosat verursacht Krebs. Für Bayer ist das gefährlich: Immerhin sind in den USA rund 8700 weitere, ähnliche Klagen anhängig. Die Aktie ging am Dienstag in die Knie. Bis zum Nachmittag verlor das Bayer-Papier über elf Prozent und riss auch den Deutschen Aktienindex mit in die Tiefe. Seit dem Urteil im August hat sich der Börsenwert von Bayer um mehr als 20 Milliarden Euro verringert und liegt jetzt noch bei rund 66 Milliarden Euro.
Bayer geht in die Berufung
Bis zum 7. Dezember hat Johnson Zeit, die Entscheidung der Richterin zu akzeptieren. Falls nicht, wird die Schadenshöhe in einem neuen Prozess festgelegt. Klar ist aber schon jetzt, dass es einen weiteren Prozess geben wird. Bayer betonte am Dienstag Morgen, dass Glyphosat sicher sei und man daher gegen das Urteil Berufung beim California Court of Appeal einlegen werde. Allerdings sei die Reduzierung der Strafzahlung "ein Schritt in die richtige Richtung", hieß es in einer Mitteilung des Konzerns.
Verursacht Glyphosat Krebs?
Über die Frage, ob Glyphosat Krebs verursacht, wird seit langem gestritten. Bayer verweist darauf, dass das Herbizid weltweit seit mehr als 40 Jahren sicher und erfolgreich angewendet werde. Mehr als 800 Zulassungsstudien für die US-Umweltschutzbehörde (EPA) sowie für europäische und andere Aufsichtsbehörden seien zu dem Ergebnis gekommen, dass Glyphosat-Produkte bei sachgerechter Anwendung sicher seien. Insbesondere in der aktuellen und größten jemals durchgeführten epidemiologischen Studie, der 2018 im Journal of the National Cancer Institute veröffentlichten U.S. Agricultural Health Study, sei "kein Zusammenhang zwischen der sachgerechten Anwendung von Glyphosat-basierten Herbiziden und dem Non-Hodgkin-Lymphom festgestellt" worden. Die EPA habe Glyphosat in die bestmögliche Bewertungskategorie als "wahrscheinlich nicht krebserregend für Menschen" eingestuft. Auch das deutsche Bundesinstitut für Risikobewertung (BfR) hält Glyphosat für nicht krebserregend. Dagegen stuft die Weltgesundheitsorganisation (WHO) Glyphosat als "wahrscheinlich krebserregend für den Menschen" ein, allerdings gilt diese Warnung auch für rotes Fleisch oder Wurst. Die Bundesregierung arbeitet an einer Strategie, den Einsatz des Unkrautvernichtungsmittels in Deutschland deutlich einzuschränken. Dabei geht es jedoch vor allem um den Schutz der Artenvielfalt. Glyphosat ist ein hochwirksames Herbizid, das alles Grün tötet. Für Insekten und Schmetterlinge ist das schlecht.
Kritik an der Übernahme
Monsanto-Kritiker sehen sich bestätigt. Sie sehen nicht nur Glyphosat kritisch, sondern auch das Geschäftsgebaren von Monsanto. Kritiker werfen dem US-Unternehmen vor, Bauern mit strengen Lizenzverträgen im Saatgutgeschäft zu knebeln. Die Grünen-Politikerin Renate Künast sagte am Dienstag, der Kauf von Monsanto sei eine "klare Fehlentscheidung" gewesen. Statt auf Warnungen zu hören, habe sich Bayer das "System Monsanto" zu eigen gemacht. Bayer hatte für Monsanto 63 Milliarden Dollar bezahlt. Das war die teuerste Übernahme, die ein deutsches Unternehmen jemals gemacht hat.