Hunderttausende Tiere im „Schweinestau“: Unter diesen Bedingungen darf Tönnies wieder schlachten
Jede Woche zwei Tests, ein Vorhang zwischen den Beschäftigten und Maskenpflicht: In Rheda-Wiedenbrück läuft der Schlachtbetrieb wieder an.
Ganz langsam normalisieren sich die Umstände im Kreis Gütersloh, der nach den massenhaften Corona-Infektionen im Umfeld des Großschlachthofs von Tönnies vor vier Wochen zum Krisengebiet erklärt worden war. An diesem Freitag um Mitternacht läuft die Verfügung des Landes zur Quarantäne aus. „Für alle, die lediglich aufgrund der Allgemeinverfügung in Quarantäne sind und keine individuelle Quarantäneverfügung erhalten haben, endet damit die Quarantäne“, teilte der Kreis am Mittwoch mit.
Viel wichtiger für die Bauern ist jedoch die Wiederaufnahme des Schlachtbetriebs.
Die Stadt Rheda-Wiedenbrück teilte am Mittwochnachmittag mit, Bürgermeister Theo Mettenborg habe ein „Teilaufhebung der Schließungsverfügung für die Unternehmen Reisinger GmbH (Schlachtung) und Acontex GmbH (Blutverarbeitung) verfügt“. Die 597 Mitarbeiter der Schlachtung und die sieben Mitarbeiter der Blutverarbeitung „dürfen ab sofort das Werksgelände betreten und ihre Arbeit schrittweise wieder aufnehmen“, teilte die Stadt mit.
Das ist vor allem eine gute Nachricht für die Schweinemäster, die seit gut drei Wochen alternative Schlachtmöglichkeiten finden oder die Tiere länger im Stall lassen müssen. Der Tönnies-Betrieb ist in der vierten Lockdown-Woche und das verursacht volle Ställe, da jeden Tag rund 25.000 Schweine in Rheda-Wiedenbrück geschlachtet und zerlegt wurden.
„Der Schweinestau wird immer länger“, heißt es dazu beim Informationsdienst Topagrar. Mehrere hunderttausend Schweine hätten schon längst geschlachtet werden sollen. Die Nachfrage bleibt derweil schwach, doch immerhin rutscht der Preis für eine Kilogramm ausgenommenes Schwein nicht weiter ab: Vergangene Woche hatte es einen Rückgang um 13 Cent auf 1,47 Euro gegeben, diese Woche stagniert der Preis.
"Schnitzeltasche Mexiko" aus Westfalen
Auf dem Gelände des größten europäischen Schlachthofs in Rheda-Wiedenbrück arbeiten in diversen Unternehmen der Tönnies-Gruppe bis zu 7000 Personen. Nachdem sich im Umfeld des Unternehmens rund 1500 Menschen mit dem Coronavirus infiziert hatten, war der gesamte Betrieb von den Behörden geschlossen worden.
Ende der vergangenen Woche gab es dann erste Lockerungen: Teile der Verwaltung, die Logistik und die Technik durften wieder arbeiten, um unter anderem neue Hygiene- und Lüftungsmaßnahmen vorzubereiten oder zu installieren.
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Seit Anfang dieser Woche ist das Tönnies-Tochterunternehmen Tillman’s Convenience wieder am Start. Tillman’s verarbeitet mit bis zu 1800 Mitarbeitern Fleisch zu Wurst und Burgern, „Schnitzeltasche Mexiko“ oder „Pork Mini Rolls Mediterran“ für die Supermärkte. Wann und ob überhaupt der Betrieb wieder mit 1800 Beschäftigten gefahren wird, ist bei den neuen Hygiene- und Gesundheitsschutzauflagen fraglich.
Jeden Tag ein ärztlicher Check
Diese gelten auch für die nun freigegebene Schlachtung: Alle Produktionsbeschäftigten werden zweimal wöchentlich am Werkseingang getestet. Neben dem automatischen Temperaturscanner gibt es „einen ärztlichen Check aller am Drehkreuz eintreffenden Mitarbeiter zu Schichtbeginn“, teilte die Stadt Rheda-Wiedenbrück mit.
In allen Gebäuden auf dem Tönnies-Gelände muss ein medizinischer, dreilagiger Mund-Nasen-Schutz getragen werden. Auf dem Gelände dürfen nur Personen arbeiten, die einen negativen Test vorlegen können. Die einzelnen Beschäftigten werden durch Vorhänge getrennt, „die Arbeitsplätze erfüllen die Einhaltung des Mindestabstands von 1,5 Meter“.
Sobald die Tönnies-Beschäftigten das Gelände betreten, müssen sie sich auf festgelegten Wegen bewegen. Pausenzeiten werden gestaffelt, in der Kantine sitzen die einzelnen Arbeitsbereiche künftig separat. Schließlich werden „die Wohnraumkontrollen verstärkt und die Wohnraumbewirtschaftung mittelfristig eine eigens dafür zu gründende Gesellschaft übernehmen“.
Zerlegung beginnt am Freitag
Tönnies hat sich mit diesen Maßnahmen einverstanden erklärt, damit wieder geschlachtet werden darf. Für die anschließende Zerlegung liegt indes noch keine Erlaubnis vor. Für den Donnerstag kündigte Bürgermeister Mettenborg eine Begehung mit Experten und Gutachtern an. Dabei sollen das Hygienekonzept und die „durch wissenschaftliche Expertise vorgegebenen Installationen (beispielsweise Trennelemente aus Plexiglas)“ in Augenschein genommen werden. „Am Freitag soll der Bereich Zerlegung zunächst in einem Probebetrieb wieder aufgenommen werden“, teilte die Verwaltung in Rheda-Wiedenbrück mit.
Heu und Stroh statt Kraftfutter
Tausende Schweinemäster hoffen nun, in absehbarer Zeit ihre Tiere schlachten lassen zu können. Entweder fanden sie in den vergangenen Wochen einen anderen Schlachthof, oder sie mussten die Tiere länger im Stall halten und füttern. Dabei dürfen die Schweine jedoch nicht zu fett werden, sonst droht ein Preisabschlag.
„Die Tierhalter haben bereits reagiert und füttern die Tiere so, dass sie langsamer wachsen“, heißt es dazu im nordrhein-westfälischen Landwirtschaftsministerium. Statt proteinhaltigem Kraftfutter, dass die Tiere jeden Tag um etwa 800 Gramm schwerer macht, gibt es Raufutter wie Heu oder Stroh. Damit ist es nun bald vorbei. Stattdessen geht es zu Tönnies nach Rheda-Wiedenbrück.
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