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Facebook kauft Whatspp: Umsonst ist teuer

Facebook hat den Kurznachrichtendienst WhatsApp gekauft. Was steckt hinter dem 19-Milliarden-Dollar-Deal? Und wird WhatsApp dafür seine Grundprinzipien preisgeben?

Eigentlich war Facebook-Gründer Mark Zuckerberg am vergangenen Freitag mit seiner Frau zum romantischen Valentinstagsdinner verabredet. Doch dann kam Jan Koum zu Besuch, er hatte sich entschieden und das konnte nicht länger warten: Für 19 Milliarden Dollar (knapp 14 Milliarden Euro) war er bereit, seinen Kurznachrichtendienst WhatsApp an das soziale Netzwerk zu verkaufen. Bei einer Portion mit Schokolade überzogener Erdbeeren, eigentlich für Zuckerbergs Frau gedacht, besiegelten die beiden das Geschäft, übers Wochenende erledigten die Anwälte den Rest. Am Mittwoch wurde der Deal öffentlich – und versetzt seitdem die digitale Welt in Aufregung.

Wie funktioniert WhatsApp ?

WhatsApp ist der weltweit populärste Kurznachrichtendienst neben der SMS. Mehr als 450 Millionen Kunden zählt das Unternehmen inzwischen, alleine in Deutschland nutzen mehr als 30 Millionen Menschen WhatsApp – also nahezu alle der 40 Millionen Smartphone-Besitzer insgesamt. Was WhatsApp im Vergleich zur SMS so attraktiv macht, ist der Preis. 99 US-Cent kostet die App pro Jahr, das Verschicken von Nachrichten, Bildern und Videos in Sekundenschnelle ist dagegen kostenlos, gleich welcher Menge. Werbung gibt es nicht. Gegründet hat Koum WhatsApp – abgeleitet von „Whats’ up?“, „Was geht?“ – weil er günstiger mit seiner Familie in der Ukraine kommunizieren wollte. 1992 wanderte der heute 37-Jährige mit seiner Mutter in die USA aus. Anfangs musste er von Lebensmittelmarken leben – mit dem Facebook-Deal ist der amerikanische Traum für ihn Wirklichkeit geworden.

Warum kauft Facebook das Unternehmen?

Facebook reagiert mit dem Kauf von WhatsApp auf den rasant wachsenden mobilen Markt. Insbesondere die jüngere Zielgruppe bevorzugt die schnelle Kommunikation Eins-zu-Eins oder innerhalb einer eingegrenzten Gruppe, statt Mitteilungen vor einem größeren Publikum auszubreiten, wie es über Facebook üblich ist. Viele dieser „mobile natives“ sehen überhaupt keinen Grund mehr, sich bei Facebook anzumelden. Mit WhatsApp kauft das mit 1,2 Milliarden Nutzern größte soziale Netzwerk nicht nur seinen größten Konkurrenten auf, sondern bekommt auch Zugang zu dieser begehrten Zielgruppe, ohne selbst einen mobilen Direktnachrichtendienst auf den Markt bringen zu müssen. Versuche dafür waren bereits gescheitert.

Dass WhatsApp in Nordamerika bisher wenig verbreitet ist, stört Zuckerberg dabei offensichtlich nicht. Er hat Märkte außerhalb im Blick wie Europa, insbesondere aber Asien, Afrika und Südamerika, wo der mobile Markt in den kommenden Jahren stark wachsen wird, da Smartphones dank der technischen Entwicklung immer günstiger werden.

Wie kommt die immense Kaufsumme zustande?

19 Milliarden US-Dollar für ein Unternehmen mit unbekanntem Umsatz, das vom Geld verdienen vermutlich meilenweit entfernt ist, und 55 Mitarbeitern, die nichts herstellen. Ein gutes Geschäft sieht auf den ersten Blick anders aus. Die Rechnung lässt sich aber auch anders aufmachen. 19 Milliarden Dollar für 450 Millionen Telefonnummern von Kunden – für einen Datensatz zahlt Facebook so gut 40 Dollar. Ins Verhältnis gesetzt entspricht das dem, was beim Kauf anderer Social-Media-Unternehmen im Bereich des Üblichen ist. Zum Vergleich: Der Wert des Kurznachrichtendienstes Twitter wird derzeit mit 30 Milliarden taxiert, obwohl es „nur“ 240 Millionen Nutzer hat und langsamer wächst.

Bei WhatsApp ist es mit den 450 Millionen Nummern lange nicht getan. Kunden gewähren der App Zugriff auf ihr Telefonbuch, damit das Programm dort weitere WhatsApp-Nutzer identifizieren kann – und damit die Kunden möglichst vielen ihrer Kontakte eine Chat-Einladung senden können. Der Datenschatz ist also weitaus umfangreicher als die nackte Nutzerzahl vermuten lässt. Und die Nutzerzahl wächst nach Unternehmensangaben um eine Million – am Tag.

Was bedeutet die immer stärkere Konzentration in diesem Markt?

Nicht zuletzt ist der Kaufpreis auch Ausdruck eines zunehmenden Konkurrenzkampfes in einem sich verdichtenden Markt. Facebook, Google, Apple, Microsoft, Yahoo und Amazon sind lediglich die sechs großen US-Konzerne im Internetgeschäft. In der asiatischen Welt gibt es noch eine Reihe weiterer Player von – global gesehen – ähnlich großem Gewicht. Und obwohl die sechs genannten Unternehmen alle eigene Marktsegmente besetzen, kommen sie sich auf der Suche nach neuen Einnahmequellen immer häufiger in die Quere. Google und Apple wetteifern um die Vorherrschaft bei mobilen Betriebssystemen. Microsoft entwickelt nicht mehr nur Software, sondern drückt eigene Tablets und Smartphones in den Markt. Amazon ist längst mehr als ein Online-Warenhaus. Und Facebook will sich nicht damit zufrieden geben, das größte soziale Netzwerk zu sein – es will die All-inclusive-Plattform im Internet werden.

Getrieben werden die Konzerne bei ihren Expansionsplänen vor allem von zwei Seiten. Zum einen geht es darum, kleine Konkurrenten mit guten Ideen zu übernehmen, bevor sie zu mächtig werden. Zum anderen stehen sie unter Druck, weil die Investoren Rendite verlangen.

Was wird jetzt aus WhatsApp?

Kaum war der Deal am Mittwoch bekannt geworden, veröffentlichte Koum auch schon einen Post auf dem Blog seiner Firma. „WhatsApp bleibt autonom und wird unabhängig geführt“, versicherte er. Der Dienst werde weiterhin für eine geringe Gebühr zur Verfügung stehen. Es könne darauf gezählt werden, dass „absolut keine Werbung die Kommunikation unterbrechen wird. Es hätte keine Partnerschaft mit Facebook gegeben, „wenn wir Kompromisse bezüglich unserer Kernprinzipien hätten machen müssen, die immer unsere Firma, unsere Vision und unser Produkt definieren werden“. Auch Facebook veröffentlichte auf seinem Blog die Mitteilung, dass WhatsApp als eigenständige Marke erhalten bleibe und weiterhin unabhängig vom sozialen Netzwerk geführt werde.

Ziel der neuen Partner wird sein, die Nutzerzahl schnell auf eine Milliarde wachsen zu lassen, wobei der bisher günstige Preis von 99 Cent und die Werbefreiheit dafür die besten Voraussetzungen sind. Doch selbst mit Einnahmen von einer Milliarde US-Dollar jährlich durch eine Milliarde Nutzer würde es 19 Jahre dauern, bis Zuckerberg lediglich den Kaufpreis für WhatsApp wieder drin hat. Auch unter dem Druck der Aktienbesitzer dürfte er deshalb schon bald eine Idee aufbringen, wie mit WhatsApp zusätzlich Geld verdient werden kann. Der Facebook-Chef wird versuchen, WhatsApp möglichst eng mit der Hauptplattform zu verzahnen, wie es zum Beispiel mit dem vor knapp zwei Jahren gekauften Fotodienst Instagram gelungen ist. So werden Nutzer näher an das werbefinanzierte Facebook herangeführt, selbst wenn WhatsApp werbefrei bleibt. Sonja Álvarez, Simon Frost

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