Weiter online trotz Verbots: Uber lässt es auf offene Konfrontation ankommen
Mit einem Gerichtsbeschluss wollten die Taxi-Unternehmen das US-Start-up Uber stoppen. Doch der neue Konkurrent lässt sich auch von Bußgelddrohungen nicht abschrecken.
Wann hört eine Autofahrt auf, privat zu sein? Ist ein Gewerbe, das zehntausende Menschen beschäftigt, schützenswerter als die Wahlfreiheit der anderen? Und wo sind die Grenzen der „Share Economy“, der kollektiven Nutzung von Besitztümern erreicht? Darüber streiten seit Wochen erbittert die Taxi-Branche, deutsche Behörden und das US-Unternehmen Uber. Das Landgericht Frankfurt hat nun das bisher umfassendste Verbot gegen den Fahrdienst erlassen – er darf bundesweit nicht mehr praktizieren, entschieden die Richter und stellten bei Zuwiderhandlung eine Strafe von bis zu 250 000 Euro pro Fahrt in Aussicht. Doch schon lässt Uber verbreiten: Die einstweilige Verfügung sei „zu Unrecht“ erlassen worden. Man denke gar nicht daran, das Angebot einzustellen.
Er kämpfe gegen das „Arschloch namens Taxi“ – so hatte einer der beiden Gründer des 2009 gegründeten Vermittlungsunternehmens, Travis Kalanick, es unlängst formuliert. Und damit keinen Zweifel daran gelassen, dass man gewillt ist, aggressiv aufzutreten. Man werde „alle rechtlich möglichen Mittel ausschöpfen“, hieß es auch jetzt als Reaktion auf die Entscheidung in Frankfurt. Gegen die Verfügung des Landgerichts soll Widerspruch eingelegt werden – dann muss in einer ordentlichen mündlichen Verhandlung ein Urteil herbeigeführt werden. Das kann dauern. Geklagt hatte die Taxi Deutschland Servicegesellschaft, als Vertreterin aller Taxizentralen. Die feiert die Verfügung als einen wichtigen Erfolg – und weist darauf hin, dass bis zum Start einer neuen Verhandlung die Verfügung gültig ist. Allein: Den Gegner scheint das wenig zu kümmern.
Gericht spricht von „unlauterem Wettbewerb“
Das Unternehmen Uber vermittelt Menschen, die schnell von A nach B wollen, an andere Menschen, die bereit sind, sie gegen Geld in ihrem Privatwagen dorthin zu fahren. Entstanden ist die Idee in San Francisco. „Uber revolutioniert die Art, wie wir uns fortbewegen“, heißt es im offiziellen Internetauftritt von Uber Deutschland selbstbewusst. Schneller und billiger als ein Taxi sei Uber, diverse individuelle Tests geben dem Recht. Die App, die Fahrer und Fahrgast zusammenbringt, berechnet gleich auch die mutmaßliche Fahrzeit zum Ziel und den Preis – der ist fix. Und wird direkt vom Konto abgebucht. Bargeld ist grundsätzlich nicht vonnöten.
Dafür arbeiten die Fahrer auf eigene Rechnung, und ohne Fahrgastbeförderungsschein – das Frankfurter Landgericht kritisiert genau das. Uber fehle es an jeder offiziellen Genehmigung, das Konzept widerspreche dem Personenbeförderungsgesetz. Da die Fahrer weder Lizenzgebühren noch Versicherungen oder sonstige Abgaben zahlen, entstünde außerdem ein „unlauterer Wettbewerb.“ Uber erklärt: Man trete lediglich als ein Vermittler von Mitfahrgelegenheiten auf, nicht als Taxi-Unternehmer. Bei den Fahrten handele es sich folglich nicht um professionelle Dienstleistungen. So bügelt der Emporkömmling auch gleich alle Kritik wegen unzureichenden Versicherungsschutzes und fehlender Tauglichkeitsprüfungen der Fahrer mit weg. Und schiebt in seiner jüngsten Erklärung nach: „Die Wahlmöglichkeiten der Bevölkerung einzuschränken, war noch nie eine gute Idee. Fortschritt lässt sich nicht ausbremsen.“
Der Fall bekommt eine neue Dimension
Wenn auch kein Taxi-Unternehmen, so ist Uber doch längst hochprofessionell: Pro Auftrag behält der App-Anbieter 20 Prozent des Fahrpreises ein und ist international schon in mehr als 200 Metropolen aktiv. Vergangenes Jahr erhielt das Unternehmen, das als Start-up begann, Risikokapital in dreistelliger Millionenhöhe von den Konzernen Google und Goldman Sachs. Eine weitere Finanzierungsrunde brachte dem Unternehmen jüngst rund 1,2 Milliarden Dollar ein.
Die Transport-App war zuvor schon in einzelnen Städten Deutschlands, unter anderem in Berlin, von den Behörden verboten worden. Doch Uber legte Widerspruch ein, praktizierte weiter. Da mit der Taxi-Genossenschaft nun erstmals eine bundesweit tätige Institution die Verfügung erwirkt hat, bekommt der Fall eine neue Dimension.
Und was passiert, wenn nun Uber die Entscheidung ignoriert? „Dann muss der Antragsteller beim Landgericht Frankfurt erstmal die Verstöße anzeigen*“, sagt die Berliner Anwältin Alexandra Decker, die vor einigen Monaten jenen Taxiunternehmer vertrat, der für die Hauptstadt ein Verbot erstritt. Fest steht also bislang nur: Der Fall wird alle Beteiligten noch lange beschäftigen.
* In einer vorherigen Version hatten wir Frau Decker mit den Worten zitiert, der Antragsteller müsse erneut klagen. Das war nicht korrekt. Die Verstöße müssen lediglich beim Gericht angezeigt werden.
Maris Hubschmid