Neues EuGH-Urteil gegen Germanwings: Türöffnung ist entscheidend für Flugverspätung
Erst wenn die Türen eines Flugzeugs geöffnet sind, ist der Flieger tatsächlich angekommen. Nach einem Urteil des Europäischen Gerichtshof ist dieser Zeitpunkt maßgeblich für Flugverspätungen - und einen Anspruch auf Entschädigung.
Fliegen ist Präzisionsarbeit, Landen erst recht. Seit Donnerstag weiß man: Auch das Geltendmachen von Entschädigungsansprüchen ist eine Frage höchster Präzision und des richtigen Timings.
Das Problem: Verspätet sich ein Flieger um mehr als drei Stunden, können Passagiere dafür eine Entschädigung verlangen. Je nach Entfernung muss die Airline ihnen 250, 400 oder 600 Euro zahlen. Das sieht eine entsprechende EU-Verordnung vor. Fragt sich nur: Wie berechnet man diese Stunden?
Was spitzfindig klingt, hatte im Fall eines Germanwings-Kunden durchaus Relevanz. Sein Flug von Salzburg nach Köln/Bonn hatte Verspätung. Zwei Stunden und 58 Minuten nach der vorgesehen Ankunftszeit setzte die Maschine auf der Landebahn auf, die Parkposition erreichte der Flieger wenige Minuten danach. Die Türen öffneten sich aber erst mit einer Verspätung von drei Stunden und zwei Minuten. Fünf Minuten, die über Hunderte Euro entscheiden.
Am Donnerstag entschied der Europäische Gerichtshof (EuGH) im Sinne des Kunden: Maßgeblich ist der Zeitpunkt, an dem die Türen geöffnet werden. Während des Fluges hätten sich Passagiere „in einem geschlossenen Raum aufzuhalten, in dem ihre Möglichkeiten, mit der Außenwelt zu kommunizieren, aus technischen und aus Sicherheitsgründen erheblich beschränkt sind“, so der EuGH. „Unter solchen Umständen können sich die Fluggäste nicht weiter um ihre persönlichen, familiären, sozialen oder beruflichen Angelegenheiten kümmern.“ Ein Aufenthalt im Flugzeug über die normale Flugzeit hinaus stelle daher „verlorene Zeit“ dar (Az: C-452/13). Entschädigung in diesem Fall: 250 Euro.
Im Streit zwischen Passagieren und Airlines spielen Verspätungen die mit Abstand wichtigste Rolle. Wenn Kunden bei der Fluggesellschaft abblitzen, können sie sich an die Schlichtungsstelle für den öffentlichen Personenverkehr (SÖP) wenden oder an Internetportale wie Flightright, Fairplane oder EU-Claim. Das Urteil dürfte jedoch die Diskussion über eine Verschärfung der EU-Verordnung neu befeuern. Ein entsprechender Vorstoß, der die Rechte der Kunden eingeschränkt hatte, war erst vor einigen Monaten in Brüssel gescheitert.