Deutsche Konjunktur: Trotz Wachstum sehen Volkswirte Handlungsbedarf
Um 1,5 Prozent dürfte die Wirtschaft 2017 wachsen, so steht es im Frühjahrsgutachten der Wirtschaftsforschungsinstitute. Dennoch müsste die Politik gerade jetzt aktiv werden, sagen die Experten.
Daran kann man sich gewöhnen. Die deutschen Unternehmen haben genug Aufträge, wenige Bundesbürger sind ohne Job. Bereits seit fünf Jahren wächst die deutsche Wirtschaft. Und: Ein Ende des Aufschwungs ist nicht absehbar. Für dieses Jahr sagen die fünf führenden Wirtschaftsforschungsinstitute ein Wachstum von 1,5 Prozent voraus. So steht es im Frühjahrsgutachten, das Ifo, DIW, IWH, IfW und RWI am Mittwoch in Berlin vorgestellt haben. 2018 soll die deutsche Wirtschaft ihren Berechnungen zufolge sogar um 1,8 Prozent wachsen. Für dieses Jahr fällt die Zahl nur deshalb schwächer aus, weil viele Feiertage so günstig liegen, dass Arbeitnehmer etliche Brückentage nehmen können.
Es geht der deutschen Wirtschaft also richtig gut. Die Volkswirte meinen aber: Es geht ihr schon ein bisschen zu gut. Denn ist die Arbeitslosenquote gering und sind die Wachstumsprognosen positiv, lehnen sich die Politiker zurück – aus Sicht der Forschungsinstitute ein Fehler. Ihrer Meinung nach sollte der Staat gerade die guten Zeiten nutzen, um vorzusorgen. Zumal das Wachstum der Wirtschaft derzeit stark vom Konsum der Verbraucher abhängt: Die Wirtschaft wächst also vor allem deshalb so kräftig, weil die Deutschen sich neue Möbel, Kleidung und Autos leisten – und nicht, weil die Firmen so stark investieren. Sollten die Deutschen irgendwann das Vertrauen verlieren, dass es mit dem Wachstum so gut weiter geht, ist es mit dem Aufschwung schnell vorbei.
Wo die Volkswirte Handlungsbedarf sehen
Vorbeugen könnte die Politik nach Meinung der Wirtschaftsforscher zum Beispiel, indem sie die Bürokratie für Gründer abbaut. Auch sollte sie die Abgabenlast für Menschen mit mittleren Einkommen senken. Spielraum sehen die Volkswirte etwa bei den Beiträgen zur Arbeitslosenversicherung: Angesichts der geringen Arbeitslosigkeit könnten die gesenkt werden, so die Forscher. Handlungsbedarf gibt es ihrer Meinung nach zudem bei den Investitionen in Infrastruktur: Zwar hat der Staat bereits mehr Gelder bereitgestellt, um Schulen, Straßen oder Sportanlagen zu sanieren – doch die Kommunen rufen sie bislang kaum ab. Die Volkswirte erklären das mit fehlenden „Verwaltungskapazitäten“. Soll heißen: Die Kommunen haben nicht genug Mitarbeiter, um neue Aufträge für die Sanierung zu vergeben.
Das größte Risiko fürs Wachstum lautet: Trump
Sorgen bereiten all diese Schwachstellen vor allem angesichts der vielen Risiken, mit denen die positive Prognose fürs Wirtschaftswachstum behaftet ist. So heißt es beim Bundesverband der Deutschen Industrie (BDI): „Es ist angesichts weltweiter wirtschaftlicher Risiken unklar, wie nachhaltig und robust die Konjunktur ist.“ Zum Beispiel ist offen, wie es mit der Handelspolitik der USA weitergeht. Ob Donald Trump also tatsächlich auf mehr Protektionismus setzt und Strafzölle auf Importe erhebt.
Die Experten warnen, von einem Handelskrieg wäre Deutschland als Exportnation „besonders betroffen“. Noch gehen sie allerdings nicht davon aus, dass es so schlimm kommen wird, wie manche Beobachter glauben. Eine Eskalation des Handelskonflikts halten die Wirtschaftsforscher für „nicht sehr wahrscheinlich“. Schließlich würden die USA sich damit nicht nur von Importen sondern auch von Investitionen aus dem Ausland abkoppeln. Und die sie nicht unerheblich: Allein die deutschen Firmen haben 255 Milliarden Dollar in den Vereinigten Staaten investiert.
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