Banken warnen, Verbraucher zahlen: Teure Dispo-Kredite stoppen
Die ersten Geldinstitute warnen ihre Kunden jetzt, sobald sie ihr Konto überziehen. Um hohe Dispozinsen zu vermeiden, werden nun Raten- und Rahmenkredite vermarktet.
Mit zwölf Milliarden Euro standen die Bundesbürger im Juni auf ihren Girokonten im Minus. Banken und Sparkassen freuen sich: Schließlich ist der Kredit auf dem Girokonto bei Dispo-Zinsen von durchschnittlich zehn Prozent ein lukratives Geschäft – und dies in Zeiten, in denen Ratenkredite für rund 5,5 Prozent zu haben sind. Die Bundesregierung will diese Praxis eindämmen, eventuell auch per Gesetz. Bundesverbraucherminister Heiko Maas (SPD) hatte die Banken und Sparkassen im März aufgefordert, ihre Kunden anzusprechen, wenn das Konto im Minus ist. Erste Institute drucken jetzt Warnhinweise auf die Auszüge. Die Sparkassen bieten eine App mit Kontowecker, über den sich der Kunde bei Überziehung seines Kontos per Mail oder SMS warnen lassen kann.
„Wenn Leute in den Dispo fallen, müssen sie darauf hingewiesen werden, dass sie exorbitante Zinsen zahlen müssen“, sagte Maas im Frühjahr. Banken und Sparkassen sehen offenbar ein, dass sie nicht nur für Transparenz sorgen, sondern auch mit Alternativvorschlägen auf Kunden zugehen müssen.
IM SCHNITT 1043 EURO IM MINUS
Die Commerzbank warnt seit kurzem auf dem Auszug, wenn das Konto in den Miesen steht. Vom 9. Oktober an geschieht dies auch beim Online-Banking. „Ihr Konto weist aktuell einen negativen Kontostand auf. Dafür bezahlen Sie Zinsen“, heißt es. Verbunden wird der Hinweis mit der Frage, ob dieser Saldo länger in Anspruch genommen werden soll. Wenn ja, sollte über Alternativen gesprochen werden, rät die Bank. Die ING Diba hat zum 1. September ein ähnliches Verfahren gestartet und berät den Kunden gleichzeitig per Post über Alternativen wie einen Rahmen- oder Ratenkredit.
„Generell gehen die Banken auf ihre Kunden zu, wenn sie sich für längere Zeit auffällig im Dispositionskredit befinden und sprechen mit ihren Kunden über mögliche Alternativen“, sagt Thomas Schlüter vom Bundesverband Deutscher Banken. Viele Institute arbeiteten bereits mit Warnhinweisen oder bereiteten dies vor. Auch beim Deutschen Sparkassen- und Giroverband (DSGV) heißt es, für alle 417 Sparkassen seien die technischen Voraussetzungen für die Einführung von Warnhinweisen gegeben. Bei Volks- und Raiffeisenbanken sei schon heute auf dem Auszug ersichtlich, wenn der Dispo genutzt werde, sagt Cornelia Schulz, Sprecherin des Branchenverbandes BVR. Man prüfe auch die Einführung weiterer Hinweise. „Schon heute sprechen die Berater ihre Kunden aktiv an, wenn sie sich über längere Zeit im Dispo befinden und beraten über mögliche Alternativen.“
Einer jüngst vorgelegten Studie des Finanzexperten Udo Keßler und der Finanzberatung FMH zufolge nehmen bei 28 befragten Geldhäusern freilich nur 20 Prozent der Kunden den Dispokredit in Anspruch und dies auch nicht im großen Stil. Im Schnitt liegt das Minus im Monat bei 1043 Euro. 96 Prozent der Bankkunden, sagt Keßler, halten den eingeräumten Disporahmen ein. Nur jeder 25. Nutzer eines Dispo-Kredits geht darüber hinaus und zahlt dafür sehr hohe Zinsen. Im Schnitt sind es 207 Euro.
Trotzdem seien Warnhinweise ein notwendiger Schritt, sagt Frank-Christian Pauli, Finanzexperte beim Bundesverband der Verbraucherzentralen (VZBV). Allein schon, weil der Verbraucher so für den hohen Preis sensibilisiert würde. Vielen falle nicht auf, dass ihr Konto über längere Zeit im Minus stecke, zum anderen diene die Warnung dazu, dass sie mit der Bank Alternativen überlegen könnten, wenn der Saldo über längere Zeit negativ sei. Generell müssten die Geldhäuser in solchen Fällen verpflichtet werden, ein Gesprächsangebot zu unterbreiten, fordert Pauli.
RAHMEN- STATT RATENKREDIT
Das führt aber nicht immer zu passenden Alternativen. „Mehr als die Hälfte der befragten Kreditinstitute rät Kunden, die ständig den Disporahmen voll ausnutzen, zur Umschuldung. Für die Ablösung des teuren Dispokredits empfehlen sie meist günstigere Ratenkredite“, sagt Finanzexperte Keßler. Der Ratenkredit sei aber nicht immer die beste Wahl. Wer die monatliche Rate nicht dauerhaft aufbringen könne, sollte besser einen Rahmenkredit ohne monatliche Mindesttilgung abschließen. Andernfalls könne der Kreditnehmer schnell in eine Schuldenfalle geraten, warnt Keßler.
Verbraucherschützer Pauli bezweifelt generell, ob alle Banken mit dem Appell zu Warnhinweisen und Beratung beim Dispo tatsächlich fairer agieren. „Dafür ist eigentlich ein Zinsdeckel notwendig. Wenn der Markt versagt, muss die Politik eingreifen.“ Der VZBV plädiert für einen Zinssatz von sieben Prozent plus Dreimonats-Interbankenzins Euribor. Der liegt aktuell bei rund 0,15 Prozent, so dass sich ein fairer Dispozins von 7,15 Prozent ergäbe.
Tatsächlich verlangen Geldinstitute in der Spitze zwölf bis 14 Prozent. Längst nicht alle haben auch den noch teureren Überziehungszins abgeschafft, der anfällt, wenn Kunden den Disporahmen überschreiten. Dies alles vor dem Hintergrund, dass Banken für Geld der Europäischen Zentralbank aktuell nur 0,15 Prozent zahlen müssen und für Tagesgeld im Schnitt nur 0,59 Prozent bieten, im besten Fall 1,4 und im schlechtesten unglaubliche 0,05 Prozent.
Verbraucher, die sich über ihre Bank ärgern und sich einen Überblick über Dispo-Konditionen der Wettbewerber verschaffen wollen, finden zum Beispiel in der Datenbank der FMH-Finanzberatung etliche Anbieter mit Dispo-Zinsen zwischen fünf und acht Prozent (siehe Grafik). Die Frankfurter Experten halten von den Warnhinweisen der Banken nichts. Sie seien eine „Werbeoffensive im Mantel des Verbraucherschutzes“. mit mot