Sharing Economy: Teilen ist gut
In der Sharing Economy nehmen die Beteiligten ihre Anliegen selbst in die Hand. Das kann einen Mehrwert für die Gesellschaft und die Umwelt schaffen, findet unsere Gastautorin Michaela Haase. Ein Kommentar
Die Sharing Economy genießt Aufmerksamkeit. Dabei sind insbesondere die großen, an der Profiterzielung orientierten Unternehmen wie Airbnb, Lyft und Uber Gegenstand der Berichterstattung. Die vielen kleinen Unternehmen und Projekte, die Nachbarschaftszirkel, Umsonstläden und Gemeinschaftsgärten, finden deutlich weniger Beachtung. Ökonomisch betrachtet ist das, was sich hinter der Sharing Economy verbirgt, nicht neu: die Entstehung von Wert durch die gemeinsame Nutzung von Ressourcen. Hinzu kommen die Handlungsmöglichkeiten, die sich durch das Internet ergeben. Eine Ressource zu teilen meint, sie auf der Basis von Rechten nutzen zu können, ohne Eigentum an ihr zu haben oder als Eigentümer anderen diese Nutzung zu ermöglichen. Das ist in der Familie – wo die Familienmitglieder Zugang zum gemeinsamen Kühlschrank haben – nicht anders als bei marktlichem Handeln.
Viele Leute wollen ihr Eigentum loswerden
Das Anmieten einer Ferienwohnung über Airbnb funktioniert auf die gleiche Weise. In allen Fällen ist es sinnvoll, über die Regeln der Nutzung nachzudenken und darüber, welcher Wert für wen entsteht. Wenn Uber etwa seine Fahrer schlechter bezahlt als vorher, kommt es zu einer Umverteilung. Eigentum und Eigentumswechsel gibt es auch in der Sharing Economy. Wer seinen Bohrer im Umsonstladen abgibt, will anderen eine Nutzung seines Eigentums ermöglichen, aber es vielleicht auch loswerden. Manche Bereiche der Sharing Economy, wie das Car Sharing, sind auch deshalb entstanden, weil manche Menschen Eigentum wie etwa Autos in Großstädten gar nicht erst haben wollen.
Wirtschaftliches Handeln kann für Gesellschaft und Umwelt wertvoll sein
Die Sharing Economy kann nicht für die Rettung der Welt instrumentalisiert werden. An ihrem Beispiel lässt sich aber zeigen, dass Formen wirtschaftlichen Handelns möglich sind, die auch Wert für die Gesellschaft und Umwelt schaffen. Erstens: Ressourcen werden nicht verschwendet. Viele Leute haben etwas, das sie nicht mehr gebrauchen können oder wollen. Diese Dinge liegen oft nutzlos herum, denn sie sind eigentlich zu schade zum Wegwerfen. Menschen, die sie brauchen können, können sie im Umsonstladen gratis mitnehmen. Das kann dazu beitragen, dass Ressourcen gespart werden. Zweitens: Wirtschaftliches Handeln dient dazu, Wert zu schaffen. Die ausschließliche Orientierung von Unternehmen dahin, dass sie nur für sich Wert – Profit – schaffen, wird von Professoren renommierter Business Schools kritisiert. Viele Akteure der Sharing Economy haben neben ihrem Eigeninteresse auch das Gemeinwohl und die Umwelt im Blick und geben den letztgenannten Zielen teilweise auch Priorität. Solche Netzwerke können zum Teil auch als „Wertegemeinschaften“ aufgefasst werden. Die Sharing Economy ist eine Gelegenheit, darüber nachzudenken, worin der Wert wirtschaftlichen Handelns besteht, für wen er entsteht und welche Werte im Vordergrund stehen. Drittens: Die Wirtschaft wird durch staatliche Regeln beeinflusst. In der Sharing Economy fehlt es an diesen Regeln in vielen Bereichen. Es ist der Eindruck entstanden, dass Nichtregulierung als politische und wirtschaftliche Verhinderungsstrategie eingesetzt wird. Uber etwa beklagt, dass es „anders behandelt wird“.
Teilen beruht auf den Aktivitäten vernetzter Individuen
Schließlich ist es vielleicht das hervorragendste Merkmal der Sharing Economy, dass sie auf den Aktivitäten vernetzter Einzelner beruht, die ihre Angelegenheiten selbst in die Hand nehmen – und nicht warten, bis Unternehmen oder Politiker ihre Bedürfnisse „entdecken“. Die Sharing Economy ist eine Mitwirkungsökonomie. Sie ist kein Gütesiegel für verantwortliches oder nachhaltiges Wirtschaften. Das müssen sich die Akteure wie überall sonst auch erarbeiten. Michaela Haase ist Privatdozentin am Marketing Department der Freien Universität Berlin. Sie beschäftigt sich schwerpunktmäßig mit Marketing und Ethik.
Michaela Haase
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