US-Fahrdienstvermittler: Mit Uber zum One-Night-Stand
Der umstrittene Fahrdienstvermittler Uber nutzt Kundendaten in den USA höchst zweifelhaft. Das Taxigewerbe hierzulande ist empört – und frohlockt.
Es ist nur ein Spiel. So jedenfalls sieht es Fabien Nestmann, Deutschland- Chef des Fahrdienstvermittlers Uber. Ob die unfreiwilligen Mitspieler das genauso sehen, ist eher zweifelhaft. Denn das US-Unternehmen wertet anhand von Bestelldaten unter anderem aus, in welchen Bezirken verschiedener US-Städte die Quote etwa für One-Night-Stands besonders hoch ist. Rückschlüsse aus Daten zu ziehen, sei „Teil der Aktivität, die Uber machen muss und wird“, sagte Nestmann dem ARD-Magazin „Panorama“.
In einem Blogeintrag unter dem Titel „Rides of Glory“ hatten die Datensammler des Unternehmens im vergangenen Sommer erläutert, wie sich aus den gesammelten Kundendaten auf bestimmte Gewohnheiten bestimmter Nutzergruppen schließen lässt. Die Uber-Mitarbeiter filterten Personen heraus, die freitags oder samstags in der Zeit zwischen 22 und 4 Uhr über die App des Fahrdienstvermittlers buchten – und sich dann vier bis sechs Stunden später in unmittelbarer Nähe wieder abholen ließen. Auf den Stadtplänen von New York, San Francisco oder Washington ließ sich so optisch darstellen, in welchen Stadtvierteln die Zahl möglicher One-Night-Stands besonders hoch war.
Taxigewerbe: "Das ist ein echter Hammer"
Inzwischen hat das Unternehmen den entsprechenden Blogeintrag getilgt. Über die Seite web.archive.org lässt sich der Inhalt jedoch noch finden. Einen nahezu identischen Eintrag gab es übrigens bereits schon einmal – zwei Jahre zuvor, im März 2012. Auch über ihn lassen sich Spuren und Auszüge im Internet finden. In weiteren Einträgen, die im Firmenblog aktuell zu lesen sind, erläutert das Unternehmen, welche Daten für seine Zwecke besonders wichtig sind. Es gehe nicht ausschließlich darum, welchen Ort die Kunden ansteuern, sondern was ihr Ziel sei, wenn sie ihn erreicht haben. Also etwa, welches Essen sie in welchem Restaurant besonders gern zu sich nehmen und in welchem Hotel sie besonders gern übernachten.
In der für Donnerstag geplanten Ausgabe von „Panorama“ konfrontiert das Magazin Nestmann mit den Inhalten des gelöschten Blogposts. Er beschwichtigt: „Natürlich wird sich Uber darauf konzentrieren, die sinnvollen Auswertungen zu machen.“ Beim Taxigewerbe stößt Nestmanns Äußerung, bei der Uber-Auswertung handele es sich um ein „analytisches Spiel“, auf völliges Unverständnis. „Das ist ein echter Hammer, wie Uber mit vertraulichen Kundendaten umgeht“, sagte Thomas Grätz, Geschäftsführer des Deutschen Taxi- und Mietwagenverband BZP, dem Tagesspiegel. Die bislang bekannt gewordenen Fälle beschränken sich zwar auf die USA. „Ich gehe aber davon aus, dass Uber hierzulande genauso mit den Kundendaten verfährt“, sagte Grätz.
Auch Taxi-Unternehmen könnten auf Daten setzen
Die aktuelle Berichterstattung über den Umgang mit Kundendaten kommt dem Taxigewerbe allerdings gar nicht mal ungelegen. Denn seit Monaten liefern sich die Transportunternehmen ein Duell mit dem US-Unternehmen. Über Gerichtsentscheide versuchen sie Uber in vielen Städten zu stoppen – unter anderem mit dem Argument, die meist privaten Fahrer des Vermittlungsdienstes verfügten nicht über den erforderlichen Personenbeförderungsschein. An gerichtliche Verbote hält sich Uber, an dem zum Beispiel auch Google über Risikokapital beteiligt ist, jedoch längst nicht immer.
Deutschland-Chef Nestmann zufolge geht es Uber nicht darum, einzelne Personen bloßzustellen. Vielmehr arbeite das Unternehmen daran, die Vorhersagen zu verbessern, zu welchen Zeiten in welchen Gebieten besonders viele oder besonders wenige Fahrer benötigt werden. Anhand solch aggregierter Daten und mithilfe von Algorithmen versuchen Unternehmen zunehmend das Verhalten von Kundengruppen vorherzusagen. Vor allem Kunden von Onlineshops kennen Vorschläge nach dem Motto „Wer dieses Produkt kaufte, interessierte sich auch für jenes“ bereits seit vielen Jahren.
Das funktioniert auch in der Transportbranche. Und auch die klassischen Taxiunternehmen werden diese Möglichkeiten voraussichtlich künftig nutzen. „Dass das Taxigewerbe in Zukunft aggregierte Daten in Form von nicht personalisierten Kundenströmen verwendet, will ich gar nicht ausschließen“, sagte Verbandschef Grätz. Nicht zuletzt wegen des gesetzlichen Mindestlohns seien die Unternehmen darauf angewiesen, ihre Wagen und Fahrer so effizient wie möglich einzusetzen.