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Industrieidylle: Strandblick auf das ehemalige Stahlwerk ILVA in Tarent.
© AFP

Stahlwerk ILVA droht das Aus: Süditalien zittert um seinen größten Arbeitgeber

Der Stahlkonzern ArcelorMittal tritt vom Kauf des süditalienischen Stahlwerks Ilva zurück. Die italienische Regierung versucht die Übernahme zu retten.

In Rom und in Tarent haben Arbeitnehmer und Politiker entsetzt auf die Ankündigung von Arcelor Mittal reagiert, von dem vereinbarten Kauf des Stahlwerks Ilva nun doch zurückzutreten. Immerhin handelt es sich bei der Ilva in Tarent in der Region Apulien um das größte Stahlwerk Europas und mit 8200Arbeitsplätzen um den wichtigsten industriellen Arbeitgeber in Süditalien. Ein Scheitern der Übernahme und eine mögliche Schließung des Stahlwerks könnte die schon heute von hoher Arbeitslosigkeit geplagte Region in eine Krise stürzen. „Was werde ich nun meinen Kindern sagen?“, fragte ein IlvaArbeiter im italienischen Fernsehen.

Die Überraschung der Arbeiter ist wohl echt – die der Politik zumindest fragwürdig. Denn die Konzernführung von Arcelor Mittal hatte die Regierung - damals noch zusammengesetzt aus der Fünf-Sterne-Bewegung und der rechtsradikalen Lega von Ex-Innenminister Matteo Salvini - schon im Juni gewarnt, der vereinbarte Kauf werde platzen, falls der italienische Staat die zugesicherten Garantien nicht aufrechterhalte. Die Politik kippte dennoch in einer von der Protestbewegung durchgesetzten Vertrauensabstimmung den gerichtlichen Schutzschild für die designierten neuen Besitzer. Sie hätten andernfalls im Falle möglicher Umweltdelikte bei der Sanierung des maroden Werks vor Strafverfolgung geschützt sein sollen.

 Größte Dreckschleuder Europas

Das Stahlwerk gilt als eine der größten Dreckschleudern Europas. Deren frühere Besitzer waren vom Staat enteignet und wegen schwerwiegenden Umweltdelikten angeklagt worden. Den Vertrag mit ArcelorMittal und die entsprechenden Garantien für die Käufer hatte freilich noch die Regierung von Paolo Gentiloni unterzeichnet - an die sich der italienische Staat in seiner neuen politischen Zusammensetzung nun nicht mehr gebunden fühlte.

Bei der Übernahme der Ilva durch ArcelorMittal, die nun vor dem Scheitern steht, handelte es sich um einen 4-Milliarden-Euro-Deal: Als Kaufpreis waren 1,8 Milliarden Euro vorgesehen, außerdem verpflichteten sich die neuen Besitzer, 1,2 Milliarden Euro in die Modernisierung des Werks und weitere 1,15 Milliarden Euro in einen Umweltplan zu investieren. Die Umsetzung des letzteren sei ohne die Immunität nicht möglich, teilte ArcelorMittal mit. Ein weiteres Problem für den Konzern: Wegen eines Gerichtsurteils drohte schon im Dezember die Stilllegung eines Hochofens. Dies gefährdet laut ArcelorMittal auch die Realisierung des industriellen Sanierungsplans.

Keine klare Linie der Politik

Ein Scheitern der Übernahme und eine mögliche Schließung des Stahlwerks würde die ganze, schon heute von hoher Arbeitslosigkeit geplagte Region in eine Krise stürzen. Die Regierung von Giuseppe Conte will sich deshalb die Vertragskündigung durch ArcelorMittal nicht bieten lassen: "Wir werden alles tun, um die geplanten Investitionen zu ermöglichen, die Beschäftigten zu schützen und die Durchführung der Umweltmaßnahmen zu gewährleisten", erklärte der Premier. Für heute Mittwoch ist in Rom ein Gespräch mit der Konzernspitze geplant; wahrscheinlich wird Conte den Erlass eines Regierungsdekrets ankündigen, mit welchem die rechtlichen Garantien per Notrecht wieder eingeführt werden.

Viel Hoffnung für das gigantische Stahlwerk am Ionischen Meer besteht jedenfalls nicht. Die Generaldirektorin des italienischen Unternehmerverbands Confindustria, Marcella Panucci, ging mit dem Parlament und der Regierung hart ins Gericht: "Die ständige Änderung bestehender Gesetze und die Instabilität der vereinbarten Rahmenbedingungen sind inzwischen emblematisch für unser Land geworden", erklärte Panucci. Man könne einem ausländischen Investor nicht eine für ihn zentrale Bedingung erfüllen und dann diese Zusage einige Monate einfach wieder zurückziehen.

Dominik Straub

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