Umstrittene Berliner Energiepolitik: Streit ums Gasnetz geht in die nächste Runde
Das Konzessionsverfahren beginnt (fast) neu. Die Gasag ist sauer, die landeseigene Berlin Energie glaubt an eine bessere Chance.
Die Gasag wählte eine erstaunlich zurückhaltende Formulierung: „Die rechtliche Situation wird wohl eher nicht übersichtlicher“, kommentierte das Unternehmen die jüngste Entscheidung der Senatsfinanzverwaltung über die Rücksetzung des Gasnetz-Konzessionsverfahrens. Das Spiel beginnt also fast von vorn.
2014 hatte die so genannte Vergabestelle die Konzession zum Betrieb des Gasnetzes überraschend an das junge, landeseigene Unternehmen Berlin Energie gegeben. Der Alt-Konzessionär Gasag war entsetzt und klagte – bislang erfolgreich, weil die Gerichte unter anderem Zweifel hatten an der Bieterfähigkeit der Berlin Energie. Der damalige Finanzsenator Ulrich Nussbaum (parteilos) wollte das Gasnetz unbedingt rekommunalisieren, weshalb Berlin Energie dann auch den Zuschlag bekam.
Das Verfahren ist verfahren
Im April vergangenen Jahres befasste sich der Kartellsenat des Berliner Kammergerichts mit dem Fall, ohne ihn zu lösen: Berlin Energie darf die Konzession nicht bekommen, doch die Gasag bekommt sie auch nicht. Um aus der verkorksten Situation herauszufinden, sei womöglich ein neues Vergabeverfahren erforderlich, meinte damals der Vorsitzende Richter. So kommt es jetzt auch: Der Senat setzt das hochkomplexe Verfahren zurück vor den zweiten Verfahrensbrief und will einen neuen Kriterienkatalog für die damaligen Bewerber erstellen, die alle über diesen Schritt von der Finanzverwaltung informiert wurden.
Neben der Gasag und der Berlin Energie gehören der Stadtwerkeverbund Thüga, der holländische Netzbetreiber Alliander sowie die Stadtwerke Schwäbisch Hall zu den Alt-Bewerbern. Die drei Letztgenannten zogen sich im Verlauf des Verfahrens zurück und werden, jedenfalls nach Einschätzung des Senats, auch nicht wieder einsteigen. Bleibt also der alte Wettstreit zwischen Berlin Energie und der Gasag.
Vielleicht kommt Eon ins Geschäft
Und das Kalkül von Finanzsenator Matthias Kollatz (SPD), dass die Berlin Energie nun bessere und das heißt gerichtsfeste Chancen hat. Vielleicht flankiert und unterstützt von einem Unternehmen, das Kollatz schon vor Jahren als bevorzugten industriellen Partner des Landes Berlin für das Gasnetz ausgerufen hat – Eon. Der Düsseldorfer Konzern hat sich inzwischen von der Stromerzeugung getrennt und konzentriert sich auf Netze und Dienstleistungen. Eon ist zudem neben Vattenfall und der französischen Engie Eigentümer der Gasag. Kollatz und Eon hatten ursprünglich die Idee, Vattenfall und Engie zum Verkauf ihrer Gasag-Anteile zu bewegen.
Gasag war 1998 verkauft worden
Der Berliner Gasversorger, der 1998 privatisiert worden war, weil Berlin Geld brauchte, befände sich dann wieder im Besitz des Landes und von Eon. Der zähe Streit um die Gaskonzession wäre mit einem Schlag beendet, denn die rekommunalisierte Gasag hätte die Konzession bekommen.
Vattenfall und Engie sollen verkaufen
Wie es in der Branche heißt, hat Kollatz noch im vergangenen Herbst Verkaufsgespräche mit Vattenfall und Engie geführt. Als Vattenfall dann jedoch ein erstes Verfahren um die Vergabe des Stromnetzes wider Erwarten deutlich gewann, wurden die Gespräche angeblich ausgesetzt, weil sich die Verhandlungsposition des schwedischen Staatskonzerns verbessert hatte. Auch die Konzession für das Stromnetz hatte die Vergabestelle beim Finanzsenator an Berlin Energie vergeben, und auch hier klagt der Altkonzessionär dagegen. Was sich ebenfalls über Jahre hinziehen dürfte.
Die Wirtschaft schimpft
Der Berliner IHK-Chef Jan Eder kritisierte am Donnerstag die Rekommunalisierungsbemühungen des rot-rot-grünen Senats scharf. Es gehe nicht um das beste Konzept, „sondern einzig um die Frage, wer Eigentümer einer hoch regulierten Infrastruktur wird“. Eder erinnerte daran, dass die Konzession für das Gasnetz bereits vor mehr als sechs Jahren ausgelaufen ist. Dadurch werde „die Absurdität dieses Vorgangs deutlich“, kommentierte der IHK-Geschäftsführer den jüngsten Schritt der Senatsverwaltung, der wieder Zeit koste. Bis zu einer endgültigen Entscheidung betreibt der Altkonzessionär das Netz weiter – das gilt für das Gas mit der Gasag ebenso wie für den Strom mit Vattenfall.