Thyssen-Krupp: Stirbt der Stahl?
Wegen der Fehlinvestition in zwei Stahlwerke in Übersee ist Thyssen-Krupp hoch verschuldet und verhandelt über einen Zusammenschluss mit der indischen Tata Steel
Der Brexit bedroht Existenzen im Ruhrgebiet. Einen Zusammenhang des EU-Ausstiegs der Briten mit ihrer eigenen Zukunft haben die Stahlarbeiter von Thyssen-Krupp zwar nicht unbedingt im Kopf, wenn sie in diesen Tagen für ihre Arbeitsplätze demonstrieren. Die Beschäftigten wollen vielmehr der eigenen Konzernführung Kampfbereitschaft signalisieren, während die Manager an einer Strategie für die Stahlsparte tüfteln: Verkauf, Verkleinerung oder Fusion mit einem Wettbewerber. Dieser Wettbewerber ist der indische Tata-Steel-Konzern. Seit gut zwei Jahren loten die beiden Unternehmen eine Zusammenarbeit aus, die auch den Abbau von Überkapazitäten in Europa beinhaltet. Vor allen in Großbritannien, wo Tata rund 15 000 Personen im Stahl beschäftigt und seit Langem hohe Verluste einfährt. Im Frühjahr 2016 galt das Ende der Tata-Stahlfabrik in Port Talbot (Wales) mit mehr als 5000 Beschäftigten als beschlossen. Dann passierte der Brexit und die Karten wurden neu gemischt. Gewerkschaften und Regierung kamen Tata mit Geld entgegen – und Talbot war gerettet. Die Überkapazitäten in der europäischen Stahlindustrie müssen woanders abgebaut werden. Vielleicht in Deutschland.
Angeblich sind 4000 Stellen in Gefahr
IG Metall und Betriebsrat sehen 4000 der 27 000 Arbeitsplätze im Stahlbereich von Thyssen-Krupp in Gefahr. Der Mischkonzern aus Essen erwirtschaftet nur noch ein Viertel des Umsatzes mit Stahl. Anlagen, und Maschinen, Aufzüge, Fahrtreppen, Autoteile und Schiffe machen Thyssen-Krupp zu einem breit aufgestellten Industriekonzern, dessen Chef von Siemens kommt und der kein Anhänger des Stahlgeschäfts ist.
Heinrich Hiesinger, seit 2011 Vorstandsvorsitzender, hat in den vergangenen Jahren die Folgen einer gigantischen Fehlinvestition abgearbeitet: Mitte des letzten Jahrzehnts beschloss Thyssen-Krupp unter der Führung von Ekkehard Schulz (Vorstand) und Gerhard Cromme (Aufsichtsrat) den Bau von zwei gigantischen Stahlwerken in Brasilien und den USA. Es folgte eine lange und teure Geschichte mit Pleiten, Pech und Pannen, die erst vor drei Monaten ihren Abschluss fand, als Hiesinger das Stahlwerk in Brasilien verkaufte. Die Anlage in den USA war er schon 2014 losgeworden. Insgesamt hat der Konzern rund zwölf Milliarden Euro für die beiden Stahlwerke auf dem amerikanischen Kontinent ausgegeben. Ein Desaster.
Investoren machen Hiesinger Druck
Der Konzern ist deshalb hoch verschuldet, das Eigenkapital ist knapp, und die Investoren machen Hiesinger Druck. Das gilt vor allem für die schwedische Investmentgesellschaft Cevian, die gut 15 Prozent der Anteile hält. „Die Heuschrecken wollen den Konzern zerschlagen“, heißt es im Aufsichtsrat. Das bringt Geld und kostet in der Regel Arbeitsplätze. Hiesinger selbst hat offen kommuniziert, dass mit Tata über eine Zusammenarbeit gesprochen wird. Wenn der Stahl in einem Joint-Venture mit Tata aufginge, dann könnte der Bereich aus der Thyssen- Krupp-Bilanz verschwinden – mitsamt den Schulden und Pensionsverpflichtungen. Die Finanz-Kennzahlen des Konzerns wären mit einem Schlag deutlich besser und Hiesinger bekäme Spielraum für den Ausbau der anderen Bereiche.
Ohne den Brexit hätte es vermutlich schon einen Deal mit Tata gegeben. Nun wird neu gerechnet und gepokert – möglicherweise zulasten des Werks in Bochum, dass angeblich nur zu drei Viertel ausgelastet ist; aber auch ein Blechwerk in Duisburg gilt als wacklig.
Am Donnerstag tagte der Aufsichtsrat
Anlässlich der Aufsichtsratssitzung der Stahlsparte am Donnerstagnachmittag versuchte der Konzern mit der Ankündigung einer neuen Anlage zur Feuerbeschichtung von Stahlblechen, die in Duisburg oder Dortmund gebaut werden könnte, die Gemüter der besorgten Stahlwerker zu beruhigen.
Am Mittwoch hatten mehr als 7000 Thyssen-Krupp-Beschäftigte in Duisburg demonstriert. Mindestens 500 Millionen Euro will der Vorstand beim Stahl in den nächsten Jahren sparen. Das ist indes Teil des Problems: „Der Stahlbereich bekommt schon lange nicht mehr die Investitionen, die nötig wären“, heißt es bei der IG Metall. Einzelne Werke hätten wegen fehlender Modernisierung womöglich schon ihre Wettbewerbsfähigkeit verloren – und damit die Zukunft. Aufgrund der hohen Kapitalkosten und des Drucks der Finanzinvestoren habe Hiesinger nur die Wahl, den Stahl loszuwerden oder einen anderen Bereich zu verkaufen, etwa die hoch profitable Aufzugssparte. Das will er aber nicht.
Vor der Wahl in NRW passiert nichts
Am Donnerstag wurden keine gravierenden Beschlüsse des Aufsichtsrats erwartet – die Landtagswahlen in NRW stehen an. Ministerpräsidentin Hannelore Kraft (SPD) will wiedergewählt werden. Und als Mitglied der Krupp-Stiftung, die gut 23 Prozent der Aktien des Konzerns besitzt, kommt man Krafts Wunsch nach Ruhe vor der Wahl gerne nach.
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