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Milliardengrab. In den Sümpfen im brasilianischen Bundesstaat Rio de Janeiro ging zu viel schief.
© dpa

Thyssen-Krupp: Ein Schrecken mit Ende

Thyssen-Krupp verkauft sein Stahlwerk in Brasilien und zieht damit einen Schlussstrich unter die größte Fehlinvestition in der deutschen Industriegeschichte.

Gut Ding will Weile haben. Womöglich hat sich Heinrich Hiesinger an diesen Spruch erinnert, als er jetzt endlich Vollzug melden konnte: Das Stahlwerk von Thyssen-Krupp in Brasilien ist verkauft; ein paar Jahre später als der Vorstandsvorsitzende wollte, aber immerhin. Die Börse war begeistert, die Thyssen-Krupp-Aktie legte am Mittwoch knapp fünf Prozent zu. Das Papier hat allerdings auch Nachholbedarf – vor allem wegen des Stahlwerks in Brasilien musste der Konzern schwere Jahre überstehen. Nun geht die Anlage für 1,5 Milliarden Euro an den südamerikanischen Terium-Konzern. Der Preis liegt unter dem Bilanzwert, so dass Thyssen-Krupp noch Abschreibungen über 900 Millionen Euro vornehmen muss und das laufende Geschäftsjahr vermutlich mit einem Verlust abschließen wird.

Acht Milliarden Euro versenkt

Doch das war am Mittwoch nachrangig am Konzernsitz in Essen. Hiesinger freute sich über einen „wichtigen Meilenstein beim Umbau von Thyssen-Krupp hin zu einem starken Industriekonzern“. Die gescheiterte Expansion auf dem amerikanischen Kontinent kostete den Konzern nach seinen Angaben rund acht Milliarden Euro. „Es dauert Jahre, bis Sie acht Milliarden Euro auf das Eigenkapital zurückverdienen“, sagte Hiesinger. Insgesamt hat der Konzern sogar rund zwölf Milliarden Euro für Investitionen und Anlaufverluste für die beiden Anlagen in Übersee ausgegeben. Hiesinger selbst hat damit wenig zu tun: Er kam 2010 von Siemens zu Thyssen-Krupp und musste die Riesenbaustelle aufräumen, die sein Vorgänger Ekkehard Schulz und der langjährige Aufsichtsratschef Gerhard Cromme hinterlassen hatten.

Die Ruhrbarone hatten 2006 entschieden, in Brasilien ein Stahlbrammenwerk zu bauen, weil es dort vor Ort Eisenerz gibt. Die Brammen sollten dann an die Küste Alabamas verschifft werden, wo Thyssen-Krupp ebenfalls eine neue Fabrik für die Weiterverarbeitung der Stahlblöcke baute. 2010 ging das Werk in Brasilien in Betrieb, wenig später die Anlage in Alabama. Heute gelten die beiden Stahlfabriken als größte Fehlinvestition in der deutschen Industriegeschichte.

Die Kokerei funktionierte nicht

Es gibt viele Ursachen dafür. Aus Preisgründen bekam ein chinesisches Unternehmen den Auftrag zum Bau der Kokerei in Brasilien. Eine teure Fehlentscheidung, die Anlage funktionierte viele Jahre lang nicht so, wie sie sollte. Kokerei und Hochöfen mussten mit Milliardenaufwand nachgerüstet werden. Wechselkurse und Erzpreise entwickelten sich anders als erwartet, und die Stahlpreise gerieten auch wegen der chinesischen Überkapazitäten unter Druck.

2014 verkaufte Thyssen-Krupp das Werk in Alabama, und das in Brasilien, das Hiesinger eigentlich schon bis Mai 2013 loswerden wollte, ist nun auch weg. Der Vorstandschef bekommt nun mehr Freiheit bei der Entwicklung des Konzerns zu einem industriellem Mischunternehmen, in dem der Stahl kaum noch eine Rolle spielt. Thyssen-Krupp baut unter anderem Aufzüge und Fahrtreppen, Zementfabriken und Teile und Module für die Autoindustrie. Auch nach dem Verkauf des brasilianischen Stahlwerks wird der Konzern, der weltweit rund 150 000 Mitarbeiter beschäftigt, laut Hiesinger noch rund 8000 Beschäftigte in Brasilien haben.

Für den Stahl wird ein Partner gesucht

In Duisburg betreibt Thyssen-Krupp das größte Stahlwerk Europas, und der Stahl kommt noch auf einen Anteil von knapp 25 Prozent am Konzernumsatz. Doch das wird wohl nicht so bleiben. Seit Monaten verhandelt das Thyssen-Krupp-Management mit Wettbewerbern über Kooperationen oder Fusionen. Gespräche mit Tata Steel hat Hiesinger bestätigt. Die Branche leidet vor allem unter dem Billigstahl, den die Chinesen aufgrund ihrer Überkapazitäten auf den Weltmarkt werfen, und unter Umweltrestriktionen.

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