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Tor 17 zum Gelände des Volkswagen-Werks in Wolfsburg: Die VW-Mitarbeiter auf dem Weg zur Betriebsversammlung.
© Julian Stratenschulte/dpa
Update

Betriebsversammlung bei Volkswagen: "Nicht ohne Schmerzen"

Der neue VW-Chef Matthias Müller hat auf einer Betriebsversammlung einen härteren Sparkurs angekündigt. Betriebsratschef Bernd Osterloh beruhigte die anwesenden 22.000 Mitarbeiter.

Bei Volkswagen ist alles groß: Der Skandal um gefälschte Abgaswerte ebenso wie die Betriebsversammlungen. Mehr als 22 000 Beschäftigte kamen am Dienstag in die Halle 11 des Wolfsburger Werkes, um eine Rede des neuen Konzernchefs Matthias Müller zu hören. Darin ging es auch um Größe: „Neben dem riesigen finanziellen Schaden, der heute noch gar nicht abzusehen ist, ist diese Krise vor allem eine Vertrauenskrise“, rief der 62-Jährige in die endlos scheinende Werkshalle. Und dann fielen Sätze, die die Unruhe der VW-Belegschaft noch vergrößert haben dürften: „Wir müssen massiv sparen“, sagte Müller. „Ich bin ganz offen: Das wird nicht ohne Schmerzen gehen.“ Allein in Wolfsburg arbeiten 60 000 Menschen für den VW-Konzern, weltweit sind es 600 000.

Ihre Hoffnungen setzen viele auf den einflussreichen VW-Betriebsratschef Bernd Osterloh. In seiner einstündigen Rede versuchte er, die Sorgen der Mitarbeiter einzufangen: „Derzeit, das ist die gute Nachricht, gibt es noch keine Konsequenzen für Arbeitsplätze.“ Dies gelte sowohl für die Stammbelegschaft als auch für Leiharbeiter. „Und es gibt den festen Willen, dass wir alles tun werden, um die Beschäftigung zu sichern“, versprach Osterloh. „Gute und sichere“ Arbeitsplätze hatte auch VW-Chef Müller für die Zukunft versprochen. Doch das Misstrauen ist in diesen Tagen groß bei VW.

In Niedersachsen arbeiten 137000 Menschen im Fahrzeugbau

„Die Belegschaft ist ebenso wie die Vertreter des Landes Niedersachsen von dieser Entwicklung völlig überrascht worden“, ließ Ministerpräsident Stephan Weil (SPD) in einem Brief an die VW-Mitarbeiter verbreiten. Man wisse in Niedersachsen genau, „was wir an Volkswagen haben“. Das Land hält 20 Prozent am Autokonzern und hat ein Vetorecht zum Beispiel bei Entscheidungen, die den Abbau von Produktionskapazitäten und Jobs betreffen. Allein im Fahrzeugbau – im Zentrum der Volkswagen-Konzern – sind in dem Bundesland knapp 137 000 Menschen beschäftigt.

Obwohl derzeit kaum jemand genau abschätzen kann, wie tief die Einschnitte bei der Krisenbewältigung sein werden, ist doch klar, dass VW weniger verdienen wird und den Sparkurs nun verschärfen muss. Alle geplanten Investitionen würden jetzt überprüft, kündigte Matthias Müller an. Was nicht zwingend nötig sei, werde gestrichen oder geschoben. Vieles werde davon abhängen, wie die Kunden reagierten, sagte Bernd Osterloh. Unter dem Strich würden die Folgen des Skandals von allen getragen werden müssen – mehr oder weniger. „Wir werden genau hinschauen, wie der Bonus für den Vorstand aussehen soll“, sagte Osterloh. Klar sei, dass die Beschäftigten nicht die Zeche für das Fehlverhalten einer Gruppe von Managern zahlen würden.

Auf T-Shirts steht: "Wir sind Volkswagen"

Viele Teilnehmer der Betriebsversammlung hatten sich am Dienstag T-Shirts mit der Aufschrift „Ein Team – eine Familie“ angezogen. Auf Transparenten stand: „Wir sind Volkswagen“. „Es wurde Optimismus verbreitet", sagte eine VW-Mitarbeiterin beim Verlassen der Versammlung. Sie sei überzeugt, dass VW die Krise bewältigen könne. Das werde jedoch vermutlich auch Stellen kosten. „Es wäre der nächste Fehler zu sagen, die Arbeitsplätze sind sicher, das geht doch gar nicht.“ Die ganze Region hänge vom VW-Werk ab.

An diesem Mittwoch will der VW-Aufsichtsrat eine Zwischenbilanz über die Aufklärung des Skandals ziehen. Dabei könnten Insidern zufolge auch weitere personelle Konsequenzen zur Sprache kommen. Vor der am Donnerstag angesetzten Anhörung vor einem Ausschuss des US-Repräsentantenhauses wolle VW möglichst große Transparenz demonstrieren, um verlorenes Vertrauen zurückzugewinnen. Volkswagen hatte zugegeben, millionenfach Fahrzeuge mit einer Software ausgestattet zu haben, die die Abgaswerte manipulieren kann. Allein in Europa sind acht Millionen Fahrzeuge davon betroffen, weltweit sind es bis zu elf Millionen. Der Skandal war Mitte September durch die US-Umweltbehörde EPA bekannt gemacht worden.

Derweil deutet sich auf dem deutschen Neuwagenmarkt an, dass VW Probleme mit dem Verkauf von Diesel-Autos bekommen wird. Wie eine Studie des CAR-Instituts zeigt, verkaufte der Hersteller seinen Bestseller Golf bereits im September im Internet mit einem Rabatt von 21 Prozent – vor Bekanntwerden des Abgas-Skandals. „In den nächsten Monaten muss wegen des VW-Diesel-Skandals mit höheren Rabatten für VW-Diesel-Modelle gerechnet werden“, schrieb CAR-Direktor Ferdinand Dudenhöffer. 2014 hatte VW einen Diesel-Anteil bei allen Neuzulassungen in Deutschland von 53,5 Prozent. mit rtr

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