Unfairer Wettbewerb?: Spotify wehrt sich gegen Apples hohe Gebühren
Der Streaming-Anbieter kritisiert, dass er bei Abo-Abschlüssen auf dem iPhone einen Teil der Erlöse abgeben soll. Jetzt schaltet Spotify die EU ein.
Wer bei Spotify ein Bezahl-Abo abschließen will, um überall Musik zu hören, kann das mit seinem iPhone nicht tun. Apple verlangt, dass der Streamingdienst – wie andere auch – sonst 30 Prozent seiner Erlöse abgibt. Lange hat sich Spotify dagegen gewehrt. Jetzt hat das schwedische Unternehmen eine Kartellbeschwerde bei der Europäischen Kommission eingelegt.
„Wir nehmen die Beschwerde von Spotify sehr ernst“, sagte die EU-Wettbewerbskommissarin Margrethe Vestager dem Tagesspiegel. „Das ist ja keine Sache, die ein Unternehmen, in diesem Fall Spotify, einfach so macht. Aber Spotify sagt, sie hatten keine andere Chance, und für sie sei das eine ernste Sache. Wir prüfen jetzt, ob das ein Fall für uns, die europäische Wettbewerbsaufsicht, ist.“
Im App-Store – und auch auf anderen Download-Plattformen wie etwa Googles Play Store für Android-Geräte – ist es üblich, dass App-Anbieter 70 Prozent der Erlöse erhalten, während 30 Prozent an den Betreiber gehen. Das gilt bei Apple grundsätzlich auch für Käufe innerhalb von Apps. Bei Abo-Erlösen senkt Apple die Abgabe vom zweiten Jahr an auf 15 Prozent. Im Google-Store könne Spotify jedoch alternative Bezahlwege einsetzen und keine vergleichbare Abgabe an den Internet-Konzern zahlen, sagte Chefjurist Horatio Gutierrez. Deswegen die Forderung: Apple soll auch zulassen, dass Anbieter Zahlungen am Plattformbetreiber vorbei abwickeln können!
Wie hoch Spotify die bisherige Belastung für sein Geschäft durch die Apple-Regelung einschätzt, wollte Gutierrez nicht sagen. „Wir wissen, dass andere Unternehmen in der Branche ebenso frustriert sind“, meinte er stattdessen, ohne Namen zu nennen. Der Musikdienst Deezer, ein kleinerer Konkurrent, erklärte, man unterstütze die Position von Spotify zwar, plane aber keine eigene Beschwerde oder ein gemeinsames Vorgehen mit dem Marktführer.
Neukunden bekommen keine Abos mehr
Spotify bot seine Abos in der iPhone-App eine Zeit lang teurer an als im Web – allerdings nicht freiwillig. Das Unternehmen sei 2014 dazu gedrängt worden, Apples Bezahlsystem für In-App-Käufe zu nutzen. Die Gebühr dafür habe dazu geführt, dass Spotify den Monatspreis für den Premiumdienst von 9,99 auf 12,99 Euro habe erhöhen müssen. Ausgerechnet dann, als Apple Music zu einem Preis von 9,99 Euro an den Start gegangen sei. „Wenn wir diese Steuer bezahlen, würde uns das zwingen, unsere Premium-Mitgliedschaft künstlich deutlich teurer zu machen als Apple Music“, kritisierte Spotifys Gründer und Chef Daniel Ek.
Stattdessen müssen sich Kunden seit Anfang des Jahres auf der Webseite registrieren, ihre Zahldaten eingeben, und erst dann können sie die App herunterladen und sich einloggen. Kurz zuvor hatte schon der Videostreaming-Dienst Netflix diesen Weg gewählt. Neukunden haben auch dort nicht mehr die simple Möglichkeit, die Abo-Kosten direkt über Apple und das eigene iTunes-Guthaben zu bezahlen.
Apple mache Spotify das Leben auch noch auf andere Arten schwer, heißt es. So habe der Konzern regelmäßig App-Updates blockiert und Spotify von firmeneigenen Produkten wie etwa der Assistenzsoftware Siri ferngehalten. Außerdem seien die Möglichkeiten eingeschränkt worden, mit Nutzern zu kommunizieren. Auf einer eigenen Website zu der „It’s Time to Play Fair“-Kampagne listet Spotify all seine Vorwürfen grafisch auf.
Das Thema bekommt eine neue Dynamik
„Wir wollen keine Sonderbehandlung“, schrieb Ek und verwies darauf, dass der Fahrdienst-Vermittler Uber oder der Essenslieferdienst Deliveroo keine Abgaben für einzelne Transaktionen in ihren Apps zahlen müssten. Apple wolle Spotify aber gezielt als Rivalen benachteiligen, meint Gutierrez. Es sei aus seiner Sicht ein klarer Interessenkonflikt, wenn ein Unternehmen gleichzeitig als Plattformbetreiber und Wettbewerber agieren.
Die EU-Kommission hat diese Doppelrolle von Firmen schon länger im Fokus. „Wir haben eine Plattform, die Kunden zu verschiedenen Anbietern leitet, und dann beginnt die Plattform, solche Geschäfte selbst zu machen, also selbst zum Anbieter zu werden. So wie es Google bei seinem Preisvergleichsdienst getan hat“, sagte Vestager. „Man stellt Unternehmen Kapazitäten zur Verfügung, und dann macht man selbst Wettbewerb gegen sie. Das ist ein Muster, das wir schon kennen, und es betrifft eine Kernfrage des Wettbewerbsrechts, nämlich wie geht man mit Internetplattformen um?“
Spotify soll die Situation in Apples App-Store schon länger angeprangert haben. Mit der förmlichen Beschwerde bekommt das Thema jetzt eine neue Dynamik. Von Apple gab es noch keine Reaktion. Der Schritt nimmt allerdings einen Geschäftsbereich ins Visier, der bei zuletzt sinkenden iPhone-Verkäufen immer wichtiger wird.
Das vergangene Quartal schloss Spotify mit 96 Millionen zahlenden Abo-Kunden ab, neun Millionen mehr als drei Monate zuvor. Zusammen mit der Gratis-Version waren es 207 Millionen Nutzer. Apple Music als Nummer zwei im Markt hat mehr als 50 Millionen zahlende Nutzer – eine kostenlose Version hat der iPhone-Konzern nicht. Laut Berechnungen einiger Marktforscher wurde Spotify im US-Markt aber inzwischen von Apple Music überholt. mit dpa