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Die Macht der Worte: Gerade gerade beim Thema Inflation ist sie groß. Markus Söder geht damit wenig verantwortungsvoll um.
© Peter Kneffel/dpa

Die Psychologie der Inflation: Söders Gerede von der Hyperinflation ist brandgefährlich

Allerorten spricht der bayerischen Ministerpräsident derzeit von Hyperinflation. Das ist historisch und ökonomisch falsch - sowie verantwortungslos. Ein Kommentar.

Als Markus Söder in der Talkschow bei Anne Will am Sonntag das erste Mal von Hyperinflation sprach, konnte man es noch als Versehen in einer Live-Situation abtun. Doch auch in einer CSU-internen Sitzung am Montag wählte der bayerische Ministerpräsident wohl dieses Wort. Und twitterte anschließend: "Die Hyperinflation trifft vor allem die Mittelschicht."

Mit einem Wert von 7,3 Prozent im März liegt die Teuerungsrate fraglos hoch. So hoch, dass sie jedem Verbraucher im Portemonnaie wehtut. So hoch, dass sie die Wirtschaft lähmt. Und auch so hoch, dass sie weit weg ist von den circa zwei Prozent - dem Wert, den die Notenbanken anstreben. Aber ist das Hyperinflation?

Wohl kaum. Ökonomen sprechen von Hyperinflation ab einem Wert von 50 Prozent Wertverlust - pro Monat wohlgemerkt. Das macht etwa 13.000 Prozent pro Jahr. Wir liegen derzeit bei 7,3 Prozent Inflation pro Jahr. Von Monat zu Monat sind die Preissteigerungen im Moment geringer. Im Februar lag die Inflation bei 5,1 Prozent.

Als ein Ei 800 Mark kostete - und dann 320 Millionen

Im Szenario einer Hyperinflation geben Menschen ihr Geld möglichst schnell aus in der Sorge, dass es nur wenig später weniger ist. Unwillkürlich hat man den Sturm auf Banken vor Augen; Menschen, die in Panik ihr Geld abheben, um es in Güter umzuwandeln. Eine Bankenkrise wäre damit vorprogrammiert.

Auf die Weltwirtschaftskrise der 1920er Jahre trifft dieser Begriff zu: Im Sommer 1923 kostete ein Ei 800 Mark, Anfang Dezember lag der Preis bei 320 Millionen Mark. Der Wert eines Dollars hatte sich in dieser Zeit von 100.000 Mark auf 4,21 Billionen Mark erhöht.

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Von solchen Zahlen sind wir aber weit entfernt. Alle Ökonomen gehen davon aus, dass die Inflation zwar noch einige Monate hoch bleiben wird, ja eventuell sogar noch steigen wird. Doch für 2023 rechnen sie mit niedrigeren Raten. Klar, auch die Fachleute können sich irren. Doch selbst in der Türkei, wo die Inflation mit 60 Prozent pro Jahr schon fast außer Kontrolle wirkt, wäre es nach gängiger Definition falsch, von einer Hyperinflation zu reden.

Eine selbsterfüllende Prophezeiung

Ob es nun ein Vorgeschmack auf den bayerischen Landtagswahlkampf im kommenden Jahr ist oder einfach nur die Suche nach Aufmerksamkeit - es ist politisch unverantwortlich, jetzt von Hyperinflation zu reden. Das ist Panikmache. Und gefährlich dazu: Denn Inflation ist auch ein psychologisches Phänomen: Je größer die Angst ist, dass das eigene Geld nichts mehr wert ist, desto höher werden die Forderungen nach Lohnerhöhungen. Was wiederum die Betriebe dazu zwingt, ihre Preise zu erhöhen, um die neuen Löhne zahlen zu können. Und schon sind die Lebenshaltungskosten wieder höher geworden und die Arbeitnehmer brauchen wieder mehr Geld. Eine selbsterfüllende Prophezeiung.

Diese Spirale dreht sich immer schneller, je größer die Angst vor Inflation ist. Ein Spitzenpolitiker, der fälschlicherweise von Hyperinflation spricht, verschlimmert die Situation also. Glücklicherweise ist man es ja schon gewohnt, dass Söder seine Meinung gerne schnell ändert und man seine Einlassungen nicht immer für voll nehmen muss - und das wissen auch die Bürger. Ansonsten müsste man jetzt tatsächlich Angst bekommen.

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