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Volker Bouffier, Martin Winterkorn, Angela Merkel, Herbert Diess und Matthias Wissmann bei der IAA 2015.
© Frank Rumpenhorst/dpa

Deutsche Autoindustrie: So eng sind die Beziehungen von Politik und Autolobby

Kurzer Draht ins Kanzleramt: Politik und Autoindustrie sind eng mit einander verbandelt. Und auch die IG Metall ist mit dabei.

Am ersten Advent ist was los im Städtchen Isny im schwäbischen Allgäu. Alle Jahre wieder trifft sich hier im „Berghotel Jägerhof“ die baden-württembergische Wirtschaftselite, um über die Industrie zu diskutieren. Das Hotel gehört Helmut Aurenz, der ebenso wie der Moderator der Adventsrunde, Matthias Wissmann, aus Ludwigsburg stammt.

Beide Herren haben Karriere gemacht. Der bald 80-jährige Aurenz wurde reich mit Blumenerde. Und der CDU-Politiker Wissmann, in den 1990er Jahren sowohl Bundesminister für Forschung als auch für Verkehr, vertritt seit zehn Jahren als Präsident des Verbandes der Autoindustrie die Interessen der Branche. Und das macht er gut. Wissmann weiß, wie Politik funktioniert und er hat einen guten Draht zu Politikern. Bundeskanzlerin Angela Merkel und Wissmann duzen sich.

Wissmann wurde wegen Aurenz zum Autopräsidenten. Dessen Vorgänger, der frühere Mercedes-Manager Bernd Gottschalk, hatte die Autobosse verärgert und musste 2007 zurücktreten. Damals schon ging es um Klimaschutz, und Gottschalk hatte vor allem den damaligen Porsche-Chef Wendelin Wiedeking schwer verärgert, weil er einen Abteilungsleiter in die Talkshow „Sabine Christiansen“ geschickt hatte. Gottschalk ging also, und Aurenz schlug dem damaligen VW-Aufsichtsratschef Ferdinand Piëch Wissmann als Autopräsidenten vor.

So lernt man sich kennen: Man parkt nebeneinander in Davos

Der Patriarch des Volkswagen-Konzerns und Aurenz kannten sich seit vielen Jahren, Aurenz sitzt seit 1993 im Aufsichtsrat der VW-Tochter Audi. Nach Angaben des „Manager Magazins“ kam er zu dem Mandat, weil er in Davos mit einem neuen Audi Quattro einst neben Piëchs Quattro geparkt hatte und sich die beiden dann am Rande des Wirtschaftsforums kennen und schätzen lernten. Im Zusammenhang mit den Adventstreffen im „Jägerhof“, an dem 2013 auch der frisch nominierte Bundesverkehrsminister Alexander Dobrindt (CSU) teilnahm, schreibt das Magazin über die „bis ans kartellartig grenzende Schwaben-Society“.

Im Cluster Autoindustrie arbeiten Zulieferer und Hersteller, Wissenschaft und Politik zusammen. Nicht zu vergessen die Betriebsräte und die IG Metall. Unter dem Gewerkschaftsdach treffen sich alle paar Wochen die Betriebsratschef der großen Branchenunternehmen, von Bosch bis ZF, BMW bis VW, um über alle möglichen Themen zu sprechen. VW-Betriebsratschef Bernd Osterloh ist der mächtigste Arbeitnehmervertreter des Landes. Und die Vorsitzenden der IG Metall amtieren traditionell als stellvertretende Aufsichtsratschefs von VW. Gemeinsam mit den Vertretern des Großaktionärs Niedersachsen haben die Arbeitnehmervertreter die Mehrheit im Aufsichtsrat des größten Autoherstellers der Welt.

Die Herren rufen direkt im Kanzleramt an

Und der ist selbstverständlich auch in Berlin erstklassig vertreten. Bei Thomas Steg, stellvertretender Sprecher der Bundesregierung zwischen 2003 und 2009, steht seit 2012 „Generalbevollmächtigter für Außen- und Regierungsbeziehungen der VW AG“ auf der Visitenkarte. Für Steg (SPD) gilt ebenso wie für Wissmann (CDU) als auch für Eckart von Klaeden (CDU), der Daimlers Interessen in Berlin vertritt: die Herren müssen sich nicht mit der Ministerialbürokratie rumschlagen, sie rufen direkt im Kanzleramt an.

Dort war von Klaeden bis 2009 Staatsminister. Einer von Klaedens Vorgänger als Daimlers „Bevollmächtigter bei der Bundesregierung“ mit Sitz im Weinhaus Huth am Potsdamer Platz war bis 2008 der Sozialdemokrat Dieter Spöri, der in den 1990er Jahren als Wirtschaftsminister und stellvertretender Ministerpräsident das Autoland Baden-Württemberg mitregierte.

Sie alle wissen, wie der politische Betrieb tickt, nach welchen Regeln Verordnungen und Gesetze entstehen und an welchen Schrauben man drehen muss. Aktuell, nach Dieselgate und Kartellverdacht, kommt die politische Klasse indes so unter Druck, dass die Lobbyisten bis zur Bundestagswahl nur schwer ein offenes Ohr finden werden.

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