Anspielung auf tote Radfahrer: Sixt zieht Werbung nach Kritik zurück
Eine Online-Anzeige des Autovermieters sorgte für Beschwerden beim Deutschen Werberat. Sixt reagierte und löschte den Post.
Einem Unternehmen kann nichts Besseres passieren als viel Aufmerksamkeit für seine Werbung. Im Fall des Autovermieters Sixt – bekannt für witzig-provokante Kampagnen – schlägt die Aufmerksamkeit gerade in Empörung um.
Auf seinem Twitter-Kanal postete das Unternehmen Anfang Oktober den mit einem zwinkernden Smiley dekorierten Spruch: „Es gibt immer diesen einen Freund, der es beim Autofahren ein wenig übertreibt. Wir haben jetzt einen Autoaufkleber für ihn.“ Darunter das Motiv mit einer Strichliste, die sich so liest: Sieben rote Ampeln ignoriert, sechs Katzen überfahren – und acht Radfahrer erwischt. Radfahrer?
„Diese Werbung ist eine Verhöhnung und pure Geschmacklosigkeit gegenüber Familien von getöteten oder schwerstverletzten Radfahrern, die von Autofahrern überfahren wurden“, kommentierte die Initiative „Fahrradfreundliches Charlottenburg-Wilmersdorf“. In Berlin gab es allein im laufenden Jahr elf tödliche Radfahrunfälle. Das Sixt-Motiv machte schnell online die Runde, begleitet von einer Welle des Protests, die in den vergangenen Tagen immer größer wurde. Twitter-User posteten Unfallfotos und Polizeiberichte. Tenor: Sixt ist nicht lustig, Sixt ist mindestens geschmacklos.
Auch beim Deutschen Werberat gingen am Donnerstag und Freitag Beschwerden von Privatpersonen ein, wie Geschäftsführerin Julia Busse dem Tagesspiegel sagte. Der Werberat forderte Sixt zu einer Stellungnahme auf. Man kennt sich: „Etwa zwei bis drei Mal pro Jahr konfrontieren wir Sixt mit Beschwerden“, sagte Busse. Der Autovermieter sei kooperativ, die meisten Beschwerden weise der Werberat ohnehin schon im Vorfeld ab. Die Klagen über die Radfahrer-Strichliste nicht. Und das zeigte offenbar Wirkung. Am Freitagnachmittag war der Tweet mit dem umstrittenen Motiv online nicht mehr zu finden. „Wir verbreiten die Werbung nicht weiter“, erklärte ein Sixt-Sprecher auf Anfrage. „Sixt steht bekanntlich für satirische und provokante Werbung, wir wollen aber niemandes Gefühle verletzen.“
Verstoß gegen Verhaltenskodex
Das Strichlisten-Motiv dürfte gegen eine Werbe-Grundregel im Verhaltenskodex der Branche verstoßen: Werbung darf „keine Form gewalttätigen, aggressiven oder unsozialen Verhaltens anregen oder stillschweigend dulden“, heißt es darin. Wäre die Strichliste offiziell vom Werberat beanstandet worden und hätte Sixt das Motiv dann nicht zurück gezogen, hätte es eine öffentliche Rüge gegeben. Die erhoffte Erregung öffentlicher Aufmerksamkeit wäre auf einen Imageschaden für Sixt hinausgelaufen. Das aber ist nicht im Sinne des Erfinders – die Strichlisten-Idee stammte vom Social- Media-Team des Autovermieters.
Werbung ist bei Sixt eigentlich Chefsache. Firmengründer Erich Sixt (74) ist Ideengeber und mischt sich gerne vor Veröffentlichung einer Kampagnen ein. Mit der Hamburger Agentur Jung von Matt, zu deren ersten Kunden Sixt Anfang der 1990er Jahre zählte, sind viele Werbemotive mit Prominenten, Politikern oder Gewerkschaftern entstanden. Auch andere Kreative quer durch die Republik werden von Sixt beschäftigt.
Merkel mit Sturmfrisur
Legendär ist die Anzeige mit Angela Merkel aus dem Jahr 2001: „Mieten Sie sich ein Cabrio“ lautete der Spruch zu einem Bild der Kanzlerin, der die Haare mächtig zu Berge stehen. Im Sommer 2016 machte sich Sixt über AfD-Vize Alexander Gauland lustig. „Für alle, die einen Gauland in der Nachbarschaft haben: Jetzt einen günstigen Umzugs-Lkw mieten“, hieß es in der Anzeige. Gauland hatte zuvor für Empörung gesorgt, weil er über den Fußball-Nationalspieler Jérôme Boateng gesagt hatte, dieser sei als Nachbar in Deutschland unerwünscht.
Reaktionsschnelligkeit ist ein Markenzeichen der Sixt-Werber. Nach der Bayern-Wahl am vergangenen Sonntag ging am Montag eine Anzeige online, die CSU-Chef Horst Seehofer neben zwei Geländewagen zeigte. Unter dem Seehofer-Foto das Wort „Bergab“, unter den SUVs stand „Bergauf“. Dazu textete Sixt: „Liebe CSU, wenn es mal nicht läuft – einfach fahren...“