Offshore-Windkraft: Siemens und der Koloss vor Sylt
Die Netzanbindung für Windkraft auf hoher See hat Siemens viel Geld gekostet. Damit soll jetzt Schluss sein. In Rostock wird die Offshore-Plattform Sylwin 1 bald fertig.
Wirklich alles auf dieser Plattform ist genormt: jede Schweißnaht, jede Installation, sogar die Farbe: Nummer 1023, „Verkehrsgelb“, exakt wie bei den Bussen und Bahnen der Berliner BVG. Und alle 130 hier installierten Systeme sind doppelt und dreifach getestet. „Im Moment ist die Lautsprecheranlage dran“, sagt Bauleiter Carl Zimmermann. Das erklärt, warum die Besucher nicht von Baulärm, sondern von Musik empfangen werden, als sie den Stahlkoloss Sylwin 1 betreten. Nichts überlässt Siemens hier dem Zufall, schließlich soll die Plattform, die Mitte Juni aufs Meer hinausgezogen werden soll, mindestens 20 Jahre dort dem Sturm und der Gischt trotzen.
Sylwin ist die dritte Offshore-Plattform von Siemens in der Nordsee
Sylwin 1 ist nach Helwin1 und Borwin 2 die dritte Offshore-Plattform für die Anbindung von Windparks an das Stromnetz, die Siemens in der Nordsee installiert. Die ungewöhnliche Namenswahl folgt einer Logik: Borwin heißen die Windparks, die vor der Insel Borkum gebaut werden, Helwin die vor Helgoland und Sylwin die vor Sylt. Weit vor Sylt. 160 Kilometer lang – mit 13 Zentimetern Durchmesser – ist das Seekabel, das den Strom, der auf Sylwin 1 von den Windparks eingesammelt wird, an Land bringen soll. Um diesen Strom ohne große Verluste über eine so weite Strecke transportieren zu können, muss er von Wechselstrom (AC) in Gleichstrom (DC) umgewandelt werden.
Der Stahlkoloss ist ein Unikat
Eine weitere Schwierigkeit liegt in dem 83 Meter langen, 56 Meter breiten und 26 Meter hohen Stahlkoloss selbst. So war zunächst nicht einmal klar, ob bei dem Bau die Regeln der Schifffahrt oder der Öl- und Gasindustrie gelten sollen. „Was wir hier bauen sind alles Unikate“, sagt Andreas Amelang, Vertriebschef der Werft Nordic Yards, die die Plattform für Siemens in Rostock baut. Inzwischen hat Nordic Yards reichlich Erfahrung mit dem Bau von Offshore-Plattformen gesammelt.
Die dritte Schwierigkeit lag bei Siemens: Die Ingenieure hatten die Komplexität der Aufgabe und die Probleme im Genehmigungsprozess vollkommen unterschätzt und zu viele Aufträge auf einmal angenommen. Am Ende hat alles viel länger gedauert und war viel teurer als erwartet. Mit 808 Millionen Euro beziffert das Unternehmen den finanziellen Schaden – bis jetzt. Doch Tim Davidowsky, der das Netzprojektgeschäft bei Siemens verantwortet, ist überzeugt: „Die größten Risiken liegen hinter uns, was jetzt noch kommt ist überschaubar.“
Die Plattform wiegt 15000 Tonnen
Er hat gleich ein Beispiel parat, wie schnell unvorhersehbare Kosten entstehen können: So kostet ein großes Kranschiff, womit man die Plattformen auf See ziehen kann, eine Million Euro am Tag. „Wenn Sie dann 20 Tage schlechtes Wetter haben, dann drehen die Millionen-Euro-Scheine durch wie bei einer Tankuhr“, sagt Davidowsky. 15 000 Tonnen wiegt die Plattform, 10 000 Tonnen die Unterkonstruktion, auf der sie befestigt wird. 2015 soll sie ans Netz.
In der Konverterhalle wird Wechselstrom in Gleichstrom umgewandelt
„Das ist das Herzstück von Sylwin 1“, sagt Siemens-Ingenieur Denis Imamovic. Das Herzstück ist die Konverter-Halle, hier wird der Wechselstrom in Gleichstrom umgewandelt. Wenn der Konverter in Betrieb ist, darf hier kein Mensch stehen: Immerhin bringt er es auf eine Leistung von 864 Megawatt. Das reicht aus, um 900 000 Haushalte mit Strom zu versorgen.
Noch ist der Strom aus der Windkraft auf hoher See ziemlich teuer. Eine Kilowattstunde zu produzieren, kostet heute zwischen 11,9 und 19,4 Cent. Zum Vergleich: Braunkohle zu verstromen kostet zwischen 3,8 und 5,3 Cent pro Kilowattstunde.
Bis 2020 sollen die Kosten für Offshore-Windkraft auf zehn Cent pro Kilowattestunde sinken
Aber Siemens ist sicher, die Produktionskosten für Offshore-Windkraft bis zum Jahr 2020 auf zehn Cent pro Kilowattstunde senken zu können. Unter anderem durch Weiterentwicklungen. Eine davon kommt aus dem Schaltwerk in Berlin: eine gasisolierte Hochspannungs- Schaltanlage für Gleichstrom. Die Anlage auf Sylwin 1 läuft mit 320 000 Volt, da will man es unbedingt vermeiden, dass es zu Überschlägen kommt. Deshalb gibt es viel Luft, also Raum, um die Anlage herum. Die gasisolierte Schaltanlage ist deutlich kleiner, allerdings auch deutlich teurer. An Land lohnt sich der Einsatz somit nicht, weil die Kosten für den umbauten Raum dort kaum eine Rolle spielen, auf See ist das anders. Die neue kompakte Schaltanlage würde den Platzbedarf von 4000 Kubikmeter auf 200 Kubikmeter reduzieren. „Das nennt man Innovation“, sagt Imamovic.
Corinna Visser
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