Geplante Fusion: Siemens und Alstom dürfen Zugsparten wohl nicht zusammenlegen
Die EU-Kommission will den beiden Firmen untersagen, ihre Bahngeschäfte zu fusionieren. Das so entstandene Unternehmen hätte den europäischen Markt dominiert.
Der ICE-Bauer Siemens und der französische TGV-Hersteller Alstom wollten ihre Zugsparten zusammenlegen, um zu einem globalen Megakonzern zu werden. Daraus wird nun wohl nichts.
Die EU-Wettbewerbshüter wollen die geplante Bahn-Fusion von Siemens und dem französischen Konkurrenten Alstom am Mittwoch untersagen. Das erfuhr die Deutsche Presse-Agentur am Dienstag aus informierten Kreisen. Das Großprojekt eines „Airbus für die Schiene“ ist damit gescheitert.
Der ICE-Hersteller Siemens und der TGV-Bauer Alstom wollten ursprünglich ihre Bahnsparten zusammenlegen, um zu Europas größtem Produzenten aufzusteigen und vor allem im internationalen Wettbewerb - etwa mit China - zu bestehen. Die EU-Kommission hatte jedoch erhebliche Bedenken, dass sich der Zusammenschluss negativ auf den Binnenwettbewerb in Europa und letztlich auch auf die Verbraucher auswirken würde.
EU-Wettbewerbskommissarin Margrethe Vestager sah das Vorhaben bereits in den vergangenen Wochen äußerst kritisch. Sie verlangte von Siemens und Alstom unter anderem weitreichende Veräußerungen bei der Signaltechnik sowie langjährige Lizenzierungen von Technik für Hochgeschwindigkeitszüge.
Ende Januar legten die beiden Unternehmen noch einmal in einem ungewöhnlichen Schritt Zugeständnisse nach. Da wurde jedoch bereits gemutmaßt, dass diese möglicherweise nicht ausreichen könnten.
Die Bundesregierung und auch die französische Regierung hatten sich sehr für den Deal starkgemacht. Bundeswirtschaftsminister Peter Altmaier (CDU) hatte etwa gefordert, es müsse europäische „Champions“ in der Industrie geben, um mit China und den USA konkurrieren zu können. Ähnlich hatte sich Frankreichs Wirtschafts- und Finanzminister Bruno Le Maire geäußert. Altmaier brachte auch Änderungen am EU-Wettbewerbsrecht ins Spiel.
Details der Entscheidung sollte EU-Wettbewerbskommissarin Margrethe Vestager am Mittwoch mitteilen. Am Dienstag hatte EU-Kommissionschef Jean-Claude Juncker noch verkündet, die Kommission werde bei Wettbewerbsentscheidungen „niemals Politik spielen“ oder Sonderbehandlungen gewähren.
Alstom will keinen neuen Versuch wagen
Im Falle eines Brüsseler Vetos für die Zugfusion mit Siemens plant der französische Hersteller Alstom keinen neuen Anlauf. „Es wird keine zweite Chance geben“, sagte Alstom-Chef Henri Poupart-Lafarge der Tageszeitung „Le Figaro“ (Onlineausgabe).
„Ein Veto wäre ein sehr schlechtes Zeichen für die europäische Industrie“, fügte er hinzu. Der Alstom-Chef bezeichnete es als „wahrscheinlich“, dass die Kommission die Fusion verbieten werde.
Aus informierten Kreisen erfuhr die Deutsche Presse-Agentur am Dienstag, dass die Behörde den Zusammenschluss wegen schwerer Wettbewerbsbedenken am Mittwoch verbieten wird.
Die Haltung der Kommission werde von „ideologischen Vorurteilen“ bestimmt, sagt Poupart-Lafarge dem Blatt. „Wenn wir die Schaffung eines europäischen Champions verteidigen, verstehen gewisse Verantwortliche der Kommission „Monopol““, beklagte der Unternehmenschef. Alstom habe mit Siemens „hervorragende Beziehungen“.
Kritik an den Wettbewerbsregeln der EU
In Paris wurde ein Verbot erwartet. Vestager werde nach vorliegenden Informationen "eine negative Entscheidung empfehlen", hieß es aus französischen Regierungskreisen am Dienstag. Wenn die Kommission insgesamt bei ihrer Sitzung nicht doch noch anders entscheide, sei dies "ein Geschenk an China" und eine "äußerst strikte" Auslegung des Wettbewerbsrechts, die "gegen europäische Interessen" gehe.
Frankreichs Wirtschaftsminister Bruno Le Maire hatte jüngst schon kritisiert, industrielle Entscheidungen im 21. Jahrhundert könnten "nicht auf der Grundlage von Wettbewerbsregeln getroffen werden, die im 20. Jahrhundert festgelegt wurden". Auch sein deutscher Kollege Peter Altmaier (CDU) sagte, er hoffe darauf, dass die Fusion durchgehen werde.
Der Spitzenkandidat der europäischen Konservativen bei der Europawahl, Manfred Weber (CSU), wurde deutlicher: "Für mich wäre diese Entscheidung ein schwerer Fehler", schrieb er in einem Gastbeitrag in der französischen Zeitung "L'opinion" vom Montag. Die Kommission würde demnach "das einzige Unternehmen im Keim ersticken", das es auf dem Weltmarkt für Eisenbahntechnik mit dem chinesischen Staatsunternehmen CRRC aufnehmen könnte. Europa müsse in der Wirtschaft globale Champions schaffen, sagte der EVP-Chef am Dienstagabend in Brüssel. Wenn ein chinesischer Zugkonkurrent doppelt so groß sei wie Siemens und Alstom gemeinsam, müsse man im Wettbewerbsrechts in spezifischen Ausnahmefällen in globalen Maßstäben denken. "Ich will mehr als nur ein einziges Airbus-Projekt", sagte Weber unter Anspielung auf den europäischen Flugzeugbauer, der Dank staatlicher Anschubhilfe zum europäischen Vorzeigeprojekt wurde. In Paris sagte ein Vertreter des dortigen Finanzministeriums, Frankreich werde in den kommenden Monaten Verschläge zur Reform des EU-Wettbewerbrechts machen. (dpa, AFP)