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Vor der Hauptverwaltung in Berlin: 15 Minuten dauerte die Protestaktion mit roten Schirmen.
© dpa

Bundesweite Protestaktion: Siemens-Mitarbeiter kämpfen um ihre Arbeitsplätze

Betriebsräte und IG Metall verlangen den Verzicht auf einen Personalabbau. Zugleich geht der Poker um Alstom weiter: General Electric verlängert sein Angebot.

Rund 100 Leute sind am Freitag zur Siemens-Hauptverwaltung in Berlin gekommen, Betriebsräte und Vertrauensleute. Sie tragen rote Schirme im hellen Sonnenschein. „Wir lassen keinen im Regen stehen. One Siemens aber mit allen“, steht auf ihren Transparenten. „Wir sind nicht für mehr Bürokratie“, ruft Olaf Bolduan den Protestierenden zu. Aber ein weiteres Sparprogramm dürfe es auch nicht geben, sagt Bolduan, der Sprecher der Berliner Siemens-Betriebsräte. „Wir fordern innovative Personalkonzepte, keiner darf auf der Strecke bleiben.“

Nach einer Viertelstunde ist alles vorbei. „Ja, das war nur eine kleine Aktion“, sagt einer in blauer Latzhose. Er hat größere Protestaktionen erlebt in den 24 Jahren, die er bei Siemens beschäftigt ist. Der Mann arbeitet im Dynamowerk auf der anderen Seite der Nonnendammallee. „Irgendwie muss man sich ja wehren.“

Noch ist unklar, wie viele Jobs wegfallen

Siemens-Chef Joe Kaeser will das Unternehmen radikal umbauen, es schlanker und effizienter machen – und dabei bis Herbst 2016 eine Milliarde Euro sparen. Mit einem bundesweiten Aktionstag forderten IG Metall und Betriebsrat am Freitag Siemens auf, das nicht auf Kosten der Arbeitnehmer zu tun. „Die Neuorganisation darf nicht lediglich ein weiteres Personalabbauprogramm als zentrales Ziel beinhalten“, sagte die Gesamtbetriebsratsvorsitzende Birgit Steinborn am Freitag in Krefeld, wo Siemens ICE-Züge baut. Nach Angaben der IG Metall beteiligten sich an rund 80 Standorten mehrere tausend Mitarbeiter.

Noch ist unklar, wie viele Jobs beim Umbau des Unternehmens wegfallen. Kaeser streicht die Ebene der Sektoren und macht aus den bisher 16 Geschäftsbereichen neun. „Es ist logisch, dass da etwas wegfällt, sonst würde man es ja nicht machen“, sagte die Konzernbetriebsratsvorsitzende Bettina Haller am Rande der Veranstaltung in Berlin. Doch wie viele Leute von den Veränderungen betroffen sein werden, darüber gebe es nur grobe Abschätzungen. In den unterstützenden Funktionen, die „optimiert“ werden sollen, arbeiteten in Deutschland 18 000 Menschen, sagte Haller. Siemens habe jedoch eine Schwäche im Vertrieb. Die Menschen, die anderswo nicht mehr gebraucht werden, könnten qualifiziert und dort eingesetzt werden. „Das ist die Diskussion, die wir zu führen haben“, sagte Haller. Die Gespräche zwischen Geschäftsleitung und Arbeitnehmervertretern haben begonnen und sollen Anfang Juni fortgesetzt werden. „Wir fordern Innovationen auch beim Personal“, betonte Bolduan, der auch Betriebsratschef im Dynamowerk ist.

Bei Siemens gilt eine Standort- und Beschäftigungsgarantie

Seit 2010 gilt bei Siemens eine unbefristete Standort- und Beschäftigungsgarantie. Dennoch ist die Unruhe groß. Berlin könnte als größter Produktionsstandort des Unternehmens von dem Umbau der Organisation zwar weniger stark betroffen sein als etwa Erlangen oder München. Trotzdem wird es auch Berlin treffen: Hier sitzt die Leitung der Bahnsparte, hier sitzt auch der Vertrieb für Deutschland. Wie der künftig aufgestellt werden soll, dazu gebe es noch keine Aussage, sagte Haller, die als Konzernbetriebsratsvorsitzende auch im Siemens-Aufsichtsrat sitzt. Schon lange fordern die Arbeitnehmervertreter vom Management eine Deutschland-Strategie – nicht nur für den Vertrieb.

Zusätzliche Unsicherheit bringen die Ereignisse um Alstom. Die französische Regierung hat dem US-Konzern General Electric (GE) eine Verlängerung seines gut zwölf Milliarden Dollar schweren Übernahmeangebots abgerungen, um mehr Zeit für Verhandlungen zu haben – bis zum 23. Juni. Siemens will bis Ende Mai ein Gegenangebot für Alstom vorlegen und kommentierte die Fristverlängerung nicht. In Frankreich arbeitet Wirtschaftsminister Arnaud Montebourg unterdessen an einer anderen Lösung, um die Industrie-Ikone Alstom vor der Übernahme durch GE zu bewahren. „Plan A ist GE, Plan B ist Siemens und Plan C ist eine einheimische Lösung“, sagte Montebourg. Er brachte eine rein französische Variante ins Spiel, an der sich auch staatliche Fonds beteiligen könnten.

„Was Alstom betrifft, ist noch nichts entschieden“, erklärte Steinborn, die ebenfalls im Siemens-Aufsichtsrat sitzt. Die Arbeitnehmervertreter wollen vor allem verhindern, dass die verschiedenen Standorte in Deutschland und Frankreich gegeneinander ausgespielt werden. mit dpa

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