Japaner entscheiden über "Abenomics": Shinzo Abe - vom Star zum Krisenmanager
Japans Premier Abe stellt sich am Sonntag zur Wahl. Die Euphorie ist verflogen und sein Wirtschaftsmodell droht zu scheitern.
Als am Montag die offiziellen Wirtschaftszahlen zum dritten Quartal veröffentlicht wurden, dürfte der japanische Premierminister Shinzo Abe zusammengezuckt sein: Zwischen Juli und September ist die drittgrößte Volkswirtschaft der Welt um 1,9 Prozent aufs Jahr gerechnet geschrumpft. Erste Schätzungen vor einigen Wochen waren nur von einem Minus von 1,6 Prozent ausgegangen. So wird sich der Premierminister noch einmal überlegt haben, ob Neuwahlen wirklich eine gute Idee waren.
Am Sonntag wählt Japan ein neues Unterhaus, nachdem Shinzo Abe das Parlament im November aufgelöst hatte. Die Begründung: Für seine ebenso gefeierte wie kritisierte Wirtschaftspolitik wolle er sich erneut des Mandats der Bevölkerung versichern.
Hohe Ausgaben und lockere Geldpolitik - das ging zunächst auf
Eigentlich wollte Abe für eine neue ökonomische Boom-Ära sorgen. So hatte es der Rechtskonservative jedenfalls im letzten Wahlkampf vor zwei Jahren versprochen und Hoffnungen geweckt. Seit 1990 eine Spekulationsblase platzte, ist Japans Volkswirtschaft kaum noch gewachsen. Das Vertrauen von Konsumenten und Betrieben begann damals zu schwinden, Investitionen wurden zurückgehalten, das Preisniveau sank. Seit rund zwei Jahrzehnten plagt sich Japan mit einer Deflationsspirale herum – auf fallende Preise folgt die Erwartung weiter fallender Preise.
Premierminister Abe trat dann vor gut zwei Jahren mit dem Versprechen an, alles umzukrempeln. Unter dem Schlagwort „Abenomics“ wurde nach dem Wahlsieg seine Strategie weltbekannt: Eine Kombination aus lockerer Geldpolitik und hohen Ausgaben sollte zunächst ein investitionsfreundliches Klima schaffen und das Preisniveau anheben. Im zweiten Schritt sollten wachstumsfreundliche Strukturreformen folgen.
Das Land fällt in die Rezession zurück
Zunächst lief alles nach Plan. Kaum war Abe Ende 2012 ins Amt gewählt, legten die Kurse an der Börse zu, die Preise begannen zu steigen und auch Japans Wirtschaft wuchs mit lange nicht mehr gesehenen Raten. Allerdings ist von Strukturreformen nicht viel zu sehen. Stattdessen wurde die Mehrwertsteuer erhöht.
Um die hohen Staatsschulden in den Griff zu bekommen, die mit rund 240 Prozent der Wirtschaftsleistung deutlich höher sind als in jeder anderen Industrienation, wurde die Steuer im April von fünf auf acht Prozent angehoben. Ein vergleichsweise niedriger Satz, allerdings fallen in Japan auch seit langem die Reallöhne. Die einsetzende Inflation dämpft den Konsum zusätzlich. In den beiden vergangenen Quartalen schrumpfte die Wirtschaft, das Land ist in die Rezession zurückgefallen.
Experten wissen es besser
Auf eine weitere Mehrwertsteuererhöhung auf zehn Prozent im kommenden Jahr will Abe nun verzichten. Kritiker machen darauf aufmerksam, dass Japans Wirtschaftsleistung in hohem Maße vom Binnenkonsum abhängig ist, und der müsse zunächst gestärkt werden – auch im Interesse höherer Steuereinnahmen.
Andere Experten verweisen auf die Schulden. Gehe Japan nicht bald offensiv seine steigenden Verpflichtungen an, könnte dem Land in rund zehn Jahren eine Schuldenkrise ins Haus stehen. Dies sieht jedenfalls der Wirtschaftsprofessor Takatoshi Ito von der Universität Tokio voraus. Vergangene Woche reagierte auch die Ratingagentur Moody’s und setzte die Bonitätsstufe des Landes um eine Stufe herab.
An der Politik wird das alles vermutlich nicht viel ändern. In jüngsten Umfragen liegt Abes Liberaldemokratische Partei klar vorn. Das liegt weniger an Abes Beliebtheit. Die meisten Japaner sehen einfach keine glaubwürdige Alternative – und die Opposition gleicht seit dem Tsunami und der folgenden Reaktorkatastrophe in Fukushima im März 2011 eher einem Scherbenhaufen.
Felix Lill
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