Tesla-Chef Elon Musk trotzt Corona: Seine Unberechenbarkeit ist eine Konstante in der Krise
Trotz eines Verbots fährt Musk die Produktion in seinem Werk in Kalifornien wieder hoch. Damit bleibt sich das Enfant terrible der Autobranche treu.
Seinen Ruf als Enfant terrible hat Elon Musk eigentlich sicher. Dennoch entschied er sich in der Nacht zu Dienstag seine Rolle als Rebell der Autobranche zu untermauern: Entgegen den zum Schutz vor der Corona-Pandemie erlassenen Beschränkungen ließ der Tesla- Chef die Produktion im Hauptwerk des Elektroautobauers in Kalifornien anlaufen.
Im Stil eines selbsternannten Kämpfers für unternehmerische Freiheit widersetzte er sich damit der Anordnung der lokalen Behörden und kündigte auf Twitter an, sich den Mitarbeitern am Band anzuschließen. „Falls jemand verhaftet wird, dann bitte ich darum, dass nur ich es bin“, schrieb er.
Hintergrund ist ein Streit mit dem Bezirk Alameda, in dem das Werk liegt. Die dortige Gesundheitsbehörde hatte entschieden, dass die Beschränkungen zur Eindämmung der Pandemie bis Ende Mai in Kraft bleiben. Musk hingegen beruft sich auf eine Anordnung des kalifornischen Gouverneurs vom Donnerstag, die es Herstellern erlaube, den Betrieb in Fremont wieder aufzunehmen.
Er kündigte an, dass die zuvor beurlaubten Mitarbeiter wieder regulär ihrer Arbeit nachgehen würden. „Wir freuen uns, wieder an die Arbeit zu gehen und haben sehr detaillierte Pläne implementiert, um eine sichere Rückkehr an den Arbeitsplatz zu ermöglichen“, hieß es in einer E-Mail des Konzerns am Montag, die der Nachrichtenagentur Reuters vorlag.
Trump springt Musk bei
Die Behörde in Alameda erklärte am späten Montagabend (Ortszeit), man habe das Unternehmen darüber informiert, dass es ohne Genehmigung nicht produzieren dürfe. Die Polizei kündigte an, den „Lockdown“ durchzusetzen. Die Polizeibehörde sei von der örtlichen Gesundheitsbehörde jedoch darüber unterrichtet worden, dass man mit Tesla zusammenarbeite. Auch die kalifornische Regierung agierte als Schlichter in dem Konflikt. Gouverneur Gavin Newsom sagte, er habe erst vor einigen Tagen mit Musk gesprochen.
US-Finanzminister Steven Mnuchin schaltete sich ein und forderte, der Bundesstaat solle tun was immer nötig sei, damit Tesla in Kalifornien bleibe. Und auch Donald Trump schlug sich auf Musks Seite. „Kalifornien sollte Tesla und Elon Musk das Werk öffnen lassen, JETZT“, schrieb der US-Präsident auf Twitter.
Musk hatte am Wochenende gedroht, den Konzernsitz zu verlagern, sollte er sein einziges US-Fahrzeugwerk wegen der Corona-Risiken nicht wieder anfahren dürfen. Es ist nicht das erste Mal, dass Musk in der Coronakrise gegen Auflagen protestiert. Anfang März hatte er die Corona-Panik als dumm bezeichnet. Einen Monat später hatte der erfinderische Unternehmer aus der Not eine Tugend gemacht und kündigte an, Tesla werde bald die lebenswichtigen Beatmungsgeräte bauen. Was die Produktion anging blieb es zwar bei der Theorie, doch immerhin hat der Konzern bis heute mehr als 1000 eingekaufte Geräte an Krankenhäuser verteilt.
Musk ist immer gut für einen Eklat
Es wäre allerdings auch überraschend gewesen, hätte Musk auf die Ausnahmesituation gewöhnlich reagiert. Schließlich ist er schon in normalen Zeiten immer für einen Eklat gut – häufig mit direkten Folgen für sein Unternehmen. Als er 2018 vor laufender Kamera während eines Interview einen Joint rauchte, verlor die Tesla-Aktie in der Folge um ein Drittel ihres Werts.
Zuvor hatte er in einem Interview verkündet, er kombiniere gerne „Rotwein mit Schlafmittel“ – die Anleger waren von dieser Kombination des Konzern-Chefs nicht angetan. Als er 2018 die in Thailand in einer Höhle eingeschlossenen Jugendlichen erst retten wollte, dann aber doch lieber nur einen der echten Rettungshelfer via Twitter als Pädophilen beschimpfte, tat das seinem Image ebenfalls nicht gut.
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Musks leichtfertige Äußerungen auf Twitter wurden schon häufig zum Problem von Tesla. Immer wieder kam er 2018 mit Versprechungen in dem sozialen Netzwerk daher und kokettierte gleichzeitig damit, den Konzern von der Börse zu nehmen. Der Kurs wurde daraufhin derart volatil, dass die US-Börsenaufsicht dafür sorgte, dass das Aufsichtsgremium bei Tesla umgebaut wurde und Musk nun schärfer kontrolliert. Zudem muss er seitdem die Tweets, die für die Firma relevant sind, vorher abstimmen.
Das unternehmerische Genie
Auf der anderen Seite gilt Musk als unternehmerisches Genie, dessen Innovationskraft keine Grenzen kennt. Dass er neben seinem E-Auto auch ein funktionierendes Raumfahrtunternehmen geschaffen hat, spricht für diese Sichtweise. Außerdem nutzt er den Tesla-Aktienkurs, der seit gut einem Jahr massiv angestiegen ist, geschickt. Während Beobachter noch darüber diskutieren, ob das Unternehmen möglicherweise überbewertet ist, holt er neue Investoren für geringe Anteile an Bord. Ungeachtet des tatsächlichen Werts von Tesla holt er damit Geld ins Unternehmen, das bei niedrigeren Kursen nur gegen hohe Anteile zu beschaffen wären.
Positiv angerechnet wird ihm auch, dass er keine Pausen kennt. Als Tesla die angekündigten Produktionszahlen 2018 zu verfehlen drohte, baute er auf dem Fertigungsgelände kurzerhand ein gigantisches Zelt auf, in dem weitere Produktionsstraßen installiert wurden. Es heißt, er selbst habe Tag und Nacht in dem Zelt verbracht, bis die Zahlen erreicht wurden.
Dass Tesla in einigen Gebieten technologisch führend ist, zeigte erst vor wenigen Wochen ein geleakter VW-interner Webcast. Hier hatte Konzern-Chef Herbert Diess eingestanden, dass Tesla der Konkurrenz bei der Technik für Assistenzsysteme enteilt ist. Zwischen Genie und Wahnsinn liegt auch in der Coronakrise manchmal nur ein Tweet.