Diversity-Konferenz beim Tagesspiegel: Schwer zu fassen
Deutsche Firmen würden gerne Flüchtlinge ausbilden. Doch Behörden und Betriebe wissen nur wenig über ihre beruflichen Qualifikationen.
Sie fliehen aus Syrien, Afghanistan, Afrika oder anderen Ländern der Welt: Flüchtlinge prägen derzeit die Debatten in unserem Land. Um das wirtschaftliche Potenzial der Schutzsuchenden ging es beim diesjährigen Dialog der Diversity-Konferenz: Auf dem Podium im Tagesspiegel-Haus befragte Wirtschaftsredakteurin Maris Hubschmid zwei Experten, die in ihrer täglichen Arbeit mit der Integration von Flüchtlingen in den Arbeitsmarkt befasst sind. Für Dirk Buchwald von der Koordinierungsstelle Migration der Bundesagentur für Arbeit (BA) steht und fällt ihre Akzeptanz in der Bevölkerung damit, dass die Geflüchteten so schnell wie möglich in der Arbeitswelt Fuß fassen. Und das ist aus Sicht von Buchwald eine Mammutaufgabe, die es nun mit Geduld und etlichen zusätzlichen Kräften zu schultern gilt. „Seit Sommer ist bei uns in Nürnberg die Hölle los“, berichtet Buchwald über seine Arbeit.
Eine Berufsausbildung könnte Grundlage für die Integration sein
Aus seiner Sicht können viele der hunderttausenden Flüchtlinge am besten über eine Ausbildung in den deutschen Arbeitsmarkt integriert werden. Um passgenaue Lehrstellen für die Asylbewerber zu finden, müsse man aber „möglichst schnell an die Leute herankommen“; doch gerade das gestaltet sich in der Praxis als schwierig. Die Ausbildungsbetriebe im Handwerk, im Handel und im Dienstleistungssektor wollen auch bei aller Offenheit gegenüber Flüchtlingen wissen, mit wem sie es womöglich als Azubi zu tun bekommen – und welche Fähigkeiten und Vorkenntnisse der potenzielle Bewerber mitbringt. Doch laut Buchwald fällt es den deutschen Behörden offenbar schwer, valide Daten über bestehende die Kompetenzen der Flüchtlinge zu erheben und diese etwa bei der Suche eines Ausbildungsplatzes einzusetzen. „In manchen Erstaufnahmestellen gibt es nicht mal ein Büro für Mitarbeiter der BA oder W-Lan“, sagt Buchwald. Zudem seien zur Datenerfassung verwendete Computerprogramme verschiedener involvierter Ämter und Behörden nicht miteinander kompatibel. Und zwischen dem deutschem Beamtentum und den Zugewanderten aus aller Welt gebe es erhebliche Sprachbarrieren: Deswegen müssen man sich mithin „visueller Methoden“ bedienen, um herauszufinden, was die Flüchtlinge können und was nicht.
Mittelständische Unternehmen benötigen Hilfe bei der Bürokratie
Jakob Schreiner, Projektmanager beim Wirtschaftsforum der Region Passau, versucht gezielt, Geflüchtete und Unternehmen zusammen zu bringen. Bisher hat er vor allem männliche Flüchtlinge in Handwerksberufen untergebracht – zum Beispiel einen Elektriker, der in Pakistan bereits einen eigenen Betrieb geführt hat. Auch Tischlereien, Bäckereien, Hotel- und Gastgewerbe in der Region haben Flüchtlinge eingestellt, drei Projektteilnehmer lassen sich zum Helfer in der Altenpflege ausbilden. Ist eine Kooperation in Sicht, nimmt Schreiner den Unternehmen auch mal die dafür notwendigen Behördengänge ab. „Die Bürokratie ist für viele kleine und mittelständische Betriebe eine große Hürde“, berichtet er. Laut Dirk Buchwald sind es neben dem Mittelstand auch immer mehr Großkonzerne, die sich mit Blick auf die wachsende Zahl von Flüchtlingen engagieren und helfen wollen. Allerdings warnt er auch: „Bei aller Vorfreude sollten sie nicht erwarten, dass wir den perfekten Bewerber vor der Tür abliefern.“
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