Von Ikea zu Karstadt: Schwedin Eva-Lotta Sjöstedt als letzte Hoffnung
Neue Chefin: Der Karstadt-Aufsichtsrat überträgt Ikea-Managerin Eva-Lotta Sjöstedt die Leitung von 83 Warenhäusern. Die Schwedin ist für die marode Kaufhauskette die letzte Chance.
In Schweden sprechen sie von ihr nur als Eva-Lotta. Eine Vertraute, eine Sympathieträgerin. Wie die berühmte Eva-Lotta aus Astrid Lindgrens „Kalle Blomquist“: Die selbstbewusste Bäckerstochter, die sich mit den Jungs in Abenteuer stürzt. Ohne deren nüchternen Blick auf die Dinge wohl so manches Rätsel ungelöst geblieben wäre in der Karriere des Meisterdetektivs. Einen kühlen Kopf und Abenteuerlust hat die Eva-Lotta, die jetzt Karstadt retten soll, auch schon mehrfach bewiesen. 2005 ging sie für den schwedischen Möbelkonzern Ikea nach Yokohama, um den Japanern Billy und Ektorp näher zu bringen. Ein Unterfangen, an dem zuvor mehrere Männer gescheitert waren. Mittlerweile gibt es acht bestens besuchte Ikea-Standorte in Japan. 2012 bot man ihr die weltweite Verantwortung für das Multi-Channel-Geschäft des Unternehmens an, die Verknüpfung des Filialhandels mit Online. Couchgarnituren und Betten im Internet verkaufen? Keine einfache Aufgabe. Eva-Lotta Sjöstedt sagte zu.
Bei Karstadt wird sie, so hat es der Aufsichtsrat am Mittwoch entschieden, nun der sechste Chef der Warenhauskette binnen gerade mal zehn Jahren. Richtiger gesagt die erste Chefin. Das Kaufhaus, das deutlich mehr Kundinnen als Kunden und Mitarbeiterinnen als Mitarbeiter zählt, stand noch nie unter weiblicher Führung. Am 24. Februar soll nun die Schwedin ihr Amt antreten. Einfühlungsvermögen, mehr noch, Warmherzigkeit attestieren ihr frühere Weggefährten. Aber zupacken, ja, das könne sie auch.
Mitarbeiter stärker einbinden
Sehr froh sei man, mit Sjöstedt eine Top-Managerin gewonnen zu haben, die bereits schwierige Situationen gemeistert habe, erklärte Aufsichtsratschef Stephan Fanderl bei der Bekanntgabe am Mittwoch. Sjöstedt selber betonte in einer ersten Stellungnahme, es sei ihr wichtig, die Beschäftigten bei der Neuausrichtung des Warenhauses mitzunehmen. „Ich bin der uneingeschränkten Überzeugung, dass man ein Unternehmen über seine Mitarbeiter aufbaut.“ Karstadt brauche „das Maximum an Leistungsfähigkeit jedes Einzelnen“. Und darum Zusammenhalt, ein Familiengefühl. Karstadt – das Zuhause deines Lebens?
Dass sie verheiratet ist, Schwedisch, Englisch und Dänisch spricht, aber kein Deutsch, geht aus ihrem Profil in dem Internet-Karriere-Netzwerk Linked-In hervor. Kommt da nach Andrew Jennings wieder jemand, der seine Ansprachen an die langjährigen Mitarbeiter der urdeutschen Institution übersetzen lassen muss? Der Engländer habe dadurch nie echte Nähe zur Belegschaft herstellen können, urteilten Beobachter. Mitarbeiterentwicklung aber zählte zu Sjöstedts Hauptaufgaben während einer dreijährigen Station bei Ikea in den Niederlanden.
Sjösted kennt nicht nur die deutsche Sprache nicht
Doch Sjösted kennt nicht nur die deutsche Sprache nicht, sie kennt auch den schwer umkämpften deutschen Einzelhandelsmarkt nicht. Sich da hineinzufinden, dürfte die noch größere Herausforderung sein als in die deutsche Grammatik. Ihre Internationalität gleichwohl sollte neben ihrer Weiblichkeit ein großes Plus in den Augen der Eigentümer gewesen sein. Die hat was gesehen von der Welt. Ist anpassungsfähig, kulturell.
Möbel, Schuhe, Accessoires
Die 47-jährige Schwedin tauscht ein florierendes Unternehmen gegen ein kriselndes. Mit Mode immerhin, die Eigentümer Nicolas Berggruen zum neuen Schwerpunkt des Angebots ausgerufen hat, kennt sie sich aus. Nach Studium und Ausbildung arbeitete Sjöstedt als Modedesignerin und Fashion-Einkäuferin für verschiedene Einzelhändler in Hongkong. Auch ein eigenes Café und Restaurant hat sie geführt. Bevor sie 2003 zu Ikea geholt wurde, arbeitete sie einige Monate für den Schuh- und Accessoire-Händler Rizzo. Eine Frau mit einer Wertschätzung für die schönen Dinge des Lebens also, eine, die Karstadt zu mehr Glamour verhelfen kann? Ab Februar soll sie alle 83 Karstadt-Niederlassungen leiten. Für die drei Nobelhäuser KaDeWe, Alsterhaus in Hamburg und Oberpollinger in München solle eine eigene Führung gefunden werden, teilte das Unternehmen auf Nachfrage mit. Das gleiche gelte für die Filialen des Labels Karstadt Sport.
Mehr Filialen für Sjöstedt könnten es werden, falls es zu einer Verschmelzung von Karstadt und Kaufhof kommt, wie in Branchenkreisen immer wieder prophezeit wird. Diese Frage jedoch wird in diesem Jahr wohl nicht mehr geklärt werden. Und dürfte Sjöstedt kaum abschrecken: Bei Ikea unterstanden ihr als Retail-Chefin zuletzt 300 Möbelhäuser.
In einem Interview mit einem niederländischen Fachblatt erklärte sie einmal, von Ikea-Gründer Ingvar Kamprad habe sie die Bedeutung des Kostensparens gelernt. Das dürfte auch ihren neuen Arbeitgebern gefallen. Und noch eins hat der Ikea-Vater ihr mitgegeben: Es gelte nicht, die Eigentümer glücklich zu machen, sondern die Kunden. Das Abenteuer beginnt.
Maris Hubschmid