Abschwung bringt weniger Steuereinnahmen: Schwaches Wachstum gefährdet schwarze Null
2015 soll es erstmals seit 60 Jahren einen Bundeshaushalt ohne Schulden geben. Das klappt aber nur, wenn die Konjunktur nicht noch schwächer läuft.
Die Bundesregierung korrigiert ihre Prognose für das Wirtschaftswachstum drastisch nach unten, rechnet aber nicht mit einem Konjunktureinbruch in Deutschland. „Die deutsche Wirtschaft befindet sich in einem außenwirtschaftlich schwierigen Fahrwasser“, sagte Wirtschaftsminister Sigmar Gabriel (SPD) am Dienstag in Berlin bei der Bekanntgabe der Herbstprognose der Regierung. Sie geht für 2014 nur noch vom einem Zuwachs des
Bruttoinlandsprodukts (BIP) von 1,2 Prozent aus - im Frühjahr hatte die Regierung noch mit 1,8 Prozent gerechnet.
Im nächsten Jahr sieht es nicht besser aus. 2015 soll die gesamte Wirtschaftsleistung nur um 1,3 Prozent statt - wie bislang angenommen - um 2,0 Prozent zulegen. Europas größte Volkswirtschaft steht damit im Vergleich zu anderen großen EU-Ländern aber immer noch gut da. Gabriel betonte, die Binnennachfrage sei intakt, der Arbeitsmarkt robust. 2015 werde mit 42,8 Millionen Erwerbstätigen voraussichtlich wieder ein Beschäftigungsrekord erreicht.
Die gute Lage am Arbeitsmarkt ermögliche ordentliche Lohnsteigerungen. „Diese bilden das Fundament für merkliche Einkommenszuwächse der privaten Haushalte“, sagte Gabriel. Die Nettolöhne und -gehälter je Arbeitnehmer würden 2014 um 2,6 Prozent und im kommenden Jahr um 2,7 Prozent zunehmen. Die verfügbaren Einkommen der privaten Haushalte dürften sich um 2,2 Prozent und 2,9 Prozent erhöhen.
Bereits in der vergangenen Woche hatten die führenden Forschungsinstitute für 2014 und 2015 vor einer Konjunkturabkühlung gewarnt. Die Ökonomen gaben der schwarz-roten Koalition eine Mitschuld daran. Mindestlohn, Mütterrente und die Rente mit 63 hemmten die Investitionsbereitschaft der Unternehmen stärker als zunächst angenommen.
Gabriel machte sich erneut für mehr Investitionen in die Infrastruktur stark. In der Koalition aus Union und SPD ist aber umstritten, ob die Regierung Spielraum für mehr öffentliche Ausgaben hat. Finanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) will das Ziel eines ausgeglichenen Bundeshaushalts - zum ersten Mal seit 1969 - nicht gefährden.
Die sogenannte Herbstprojektion der Bundesregierung ist Grundlage für die neue Steuerschätzung Anfang November sowie für die Haushaltspläne von Bund, Ländern und Kommunen. dpa