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Die Industrie musste zuletzt mehrere Rückschläge hinnehmen – das verunsichert auch die Börse.
© picture alliance / dpa

Herbstgutachten: Ökonomen senken Wachstumsprognose drastisch

Die heiße Phase geht zu Ende: Ökonomen senken die Wachstumsprognose im Herbstgutachten drastisch – mit Folgen für den Arbeitsmarkt.

Erst um ein Uhr in der Nacht zu Mittwoch war in der Mohrenstraße in Mitte das Licht ausgegangen. Es galt, Tabellen zu überarbeiten, Grafiken anzupassen, Texte umzuschreiben. „Wir mussten alles noch einmal in die Luft werfen“, sagte ein Ökonom, der bei der Nachtsitzung mittun musste. Es ging um eine Terminsache: Am Mittwochmorgen musste das Dokument beim Bundeswirtschaftsministerium eintreffen. Der Ressortchef, Vizekanzler Sigmar Gabriel (SPD), wollte wissen, wie es weitergeht mit dem Wachstum in Deutschland. Und zwar rechtzeitig, bevor das Papier an diesem Donnerstag vorgestellt wird.

Die Studie, um die es geht, ist die sogenannte Gemeinschaftsdiagnose. Insgesamt acht Wirtschaftsinstitute aus Deutschland, Österreich und der Schweiz rechnen dabei jeweils im Frühjahr und im Herbst aus, wie es um die Konjunktur steht und was die Politik ihrer Ansicht nach tun und was sie lassen sollte. Dieses Mal trafen sie sich am Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung in Berlin, um das Herbstgutachten zu schreiben. Was den Forschern dieses Mal Stress bereitete, waren die neuen Daten zur Industrieproduktion. Sie waren Dienstag früh gekommen und so schlecht ausgefallen wie seit dem Rezessionsjahr 2009 nicht mehr. Kein Wunder, dass die Prognose der Experten entsprechend schlecht ausfiel: Sie rechnen mit nur noch 1,3 Prozent Wirtschaftswachstum in diesem Jahr und 1,2 Prozent im nächsten.

Die Aussichten trüben sich seit dem Frühjahr drastisch ein

Das ist ein Fingerzeig für die neue Prognose der Bundesregierung, die Minister Gabriel kommenden Dienstag vorstellen will. Im Frühjahr waren die von ihm beauftragten Forscher noch weitaus optimistischer gewesen: Sie hatten mit einer um 1,9 Prozent stärkeren Wirtschaftsleistung in diesem Jahr und mit einer Verbesserung um sogar 2,0 Prozent im kommenden Jahr gerechnet. Doch in den vergangenen Monaten hatte eine Reihe schlechter Nachrichten die Konjunktur ausgebremst: die Krisen in der Ukraine und im Nahen Osten, die Angst vor Ebola, die nicht enden wollende Schwäche wichtiger Handelspartner in der Euro-Zone, weniger Aufträge für die hierzulande so wichtige Industrie und den Bausektor, mithin immer schlechtere Stimmung bei Managern, Anlegern und Verbrauchern.

Diese Melange kommt auch an der Börse nicht gut an. Erstmals seit Ende Oktober 2013 schloss der Deutsche Aktienindex Dax wieder unter der Marke von 9000 Punkten. Anfang Juni hatte das Kursbarometer noch die Grenze von 10 000 Punkten überschritten. Auch die extrem expansive Geldpolitik der Europäischen Zentralbank kann derzeit nichts daran ändern, dass der Trend beim Dax eher nach unten zeigt.

Der Mindestlohn schadet dem Arbeitsmarkt

Mit einer Rezession rechnen die Wirtschaftsforscher zumindest in Deutschland aber nicht. Die Schlussmonate dieses Jahres dürften aber sehr mäßig ausfallen, das bedeute entsprechend wenig Dynamik für 2015, sagten mit dem Gutachten vertraute Personen. Insgesamt ist die Unsicherheit noch größer als bei Prognosen ohnehin – niemand weiß, ob nicht eine der vielen Krisen in der Welt eskaliert.

Damit dürfte es auch keinen weiteren Abbau der Arbeitslosigkeit im kommenden Jahr geben. Bislang hatte die steigende Beschäftigung die Binnennachfrage gestützt. In den vergangenen Monaten hatte die Regierung aber Projekte wie die Rente mit 63 oder den Mindestlohn verabschiedet – Beschlüsse, die dem Arbeitsmarkt nach Ansicht der Gutachter schaden. „Der Arbeitsmarkt bleibt robust, er verbessert sich aber auch nicht weiter.“ Aktuell suchen rund 2,8 Millionen Menschen hierzulande einen Job.

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