Fluggastrechte: Schlechte Reise
Schnee und Streiks bringen die Flugpläne durcheinander. Für höhere Gewalt haften die Airlines nicht. Aber viele drücken sich nur.
Es war eine harte Woche für Reisende. Am Dienstag legte der Schnee Deutschlands wichtigsten Flughafen – Frankfurt am Main – praktisch lahm, Tausende strandeten. Viele verbrachten die Nacht auf Feldbetten oder Flughafenstühlen. Am Freitag traf es dann das Rheinland. Um Lohnerhöhungen für die Sicherheitsbediensteten durchzusetzen, bestreikte die Gewerkschaft Verdi die Airports in Köln/Bonn und Düsseldorf. Zahlreiche Flüge fielen aus – in Düsseldorf zum siebten Mal seit Dezember. Seitdem konnten über 100 000 Reisende ihre Flüge nicht antreten. Ob sich der Arbeitskampf auch in die Osterferien zieht, bleibt abzuwarten. An diesem Montag wird weiterverhandelt.
Für die Passagiere ist das bitter. Denn Schneechaos und Streiks sind klassische Fälle von außergewöhnlichen Umständen. Das heißt: Die Airline muss sich zwar um die Betreuung ihrer Kunden kümmern, Schadensersatz können die gestrandeten Passagiere aber nicht verlangen. Denn für das Wetter und den Arbeitskampf des Sicherheitspersonals können die Fluggesellschaften nun einmal nichts.
Doch oft versuchen die Airlines, sich mit dem Verweis auf außergewöhnliche Umstände auch dann aus der Affäre zu ziehen, wenn sie sehr wohl die Verantwortung für Pleiten, Pech und Pannen tragen. „Die Unternehmen lassen die Leute erst einmal abblitzen“, sagt Eva Klaar von der Verbraucherzentrale Berlin. „Entweder reagieren sie auf die Schreiben der Kunden gar nicht oder sie reden sich mit außergewöhnlichen Umständen heraus.“ Etwa dem Wetter. Einen solchen Fall hat die Verbraucherschützerin gerade auf ihrem Tisch. Wegen heftiger Gewitter habe man im vergangenen Juli nicht von Berlin-Tegel starten können, behauptet eine Airline. Klaar hat recherchiert und herausgefunden: „Das stimmt nicht.“ In Wirklichkeit hatte die Maschine einen technischen Defekt – und für den muss die Airline haften.
Wenn die Crew nicht auftaucht, ist das kein Fall von höherer Gewalt.
Mit einer neuen Verordnung will die EU-Kommission jetzt Klarheit schaffen. Verbraucherkommissar Siim Kallas hat die bestehende EU-Fluggastrechte-Verordnung aus dem Jahr 2004 überarbeitet. Einer der Reformpunkte: Brüssel listet erstmals auf, was unter höhere Gewalt fällt und was nicht – Naturkatastrophen oder Fluglotsenstreiks ja, technische Probleme, die bei Routinechecks entdeckt werden, nein. Und auch wenn die Crew nicht auftaucht, ist das kein Fall von höherer Gewalt.
Aber wie kann der Passagier herausfinden, warum er am Boden bleibt? Auch hier will die Kommission helfen. Wird der Start verschoben, muss die Airline die Fluggäste spätestens eine halbe Stunde nach dem vorgesehenen Abflug über die Gründe informieren. Zudem sollten die Passagiere die Ohren spitzen. „Es sickert immer etwas durch“, weiß Verbraucherschützerin Klaar aus Erfahrung. Spätestens dann, wenn sich der Kapitän für die Verzögerung entschuldigt.
Auch in einem anderen Punkt will Brüssel den Fluggästen das Leben erleichtern. Wer Hin- und Rückflug gebucht hat, soll seinen Rückflug künftig auch dann in Anspruch nehmen können, wenn er den Hinflug hat verfallen lassen.
Zudem sollen künftig nicht nur Direkt-, sondern auch Anschlussflüge einbezogen werden. Wenn die geänderte Verordnung Gesetz wird – das ist aber frühestens 2014 der Fall – soll es für die Frage, ob die Airline einem Kunden Ausgleich für Verspätungen zahlen muss, nicht mehr darauf ankommen, wie spät der Flieger abhebt, sondern wie spät er am Ziel ankommt. Verbraucherschützer und Grüne sehen diese Regelung jedoch mit Missfallen. Denn heute haften die Fluggesellschaften bereits für Verspätungen von zwei Stunden. Diese Regelung soll gelockert werden. Künftig sollen die Reisenden erst dann eine Ausgleichszahlung verlangen können, wenn sie mindestens fünf Stunden später als geplant an ihrem Ziel eintreffen. Das ist ein „Kotau vor der Lobby der Airlines“, schimpft Michael Cramer, verkehrspolitischer Sprecher der Grünen im Europaparlament.
Einen Trost enthält die geplante Verordnung für gestresste Passagiere aber doch noch: Steht das Flugzeug auf dem Rollfeld und kann nicht starten, sollen die Passagiere ein wenig Komfort bekommen. Nach einer halben Stunde müssen Heizung oder Klimaanlage angestellt, die Toiletten geöffnet und Getränke ausgeschenkt werden. Kostenlos. Das gilt dann für alle und jederzeit: Teure Airlines, Billigflieger, im Winter und im Sommer.
Heike Jahberg
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