Schneechaos: Reif für den Urlaub: Eine Nacht mit vielen Menschen im Flughafen Frankfurt
Was Bernd Matthies auf seiner Rückreise aus Dubai erlebte. Was tun, wenn alle Hotels in Frankfurt ausgebucht sind und im Flughafen alle Feldbetten und Sitze belegt sind?
Schon in Dubai geht die Sache nicht richtig voran. Der Flugkapitän fährt seinen vollen Airbus in die Ecke und teilt mit, was im Wüstensand eher seltsam klingt: Frankfurt sei grad wegen zu viel Schnee geschlossen worden. Mit zwei Stunden Verspätung hebt das Flugzeug ab, fliegt brav geradeaus, bis irgendwo in Höhe Belgrad der nächste Schocker kommt. Frankfurt sei zwar mal offen und grad wieder zu gewesen, sagt der Kapitän, und als Ausweichlandeplatz biete sich immerhin Amsterdam an (breites Seufzen unter den Passagieren). Aber das teile er rechtzeitig mit. Es wird dann doch Frankfurt, der Schnee ist uns gnädig, zwei Stunden Verspätung fürs Erste. Droben, wo der Skytrain zum Terminal 1 fährt, haben sich schon gegen neun ein paar hundert Menschen auf Feldbetten eingerichtet, Platz für Zuzügler gibt es nicht mehr.
Die Sorge um den Anschlussflug nach Berlin ist dann schon deshalb schnell erledigt, weil die Lufthansa sämtliche abendlichen Anschlussflüge gestrichen hat. Wer gibt Rat? Sie machen das sehr professionell, alle Check-In-Schalter sind auf „Umbuchung EU“ umgestellt, und hinter jedem sitzt eine Fachkraft. Deshalb dauert es kaum eine halbe Stunde bis nach vorn. Was denn nun sei mit Berlin? Ein wenig spät für die Bahn, sagt die Mitarbeiterin, die habe man bisher allen Berlin-Fluggästen angeboten, aber der letzte Zug für den Abend sei so gut wie weg. Angebot: Eine Flugreservierung für den nächsten Morgen, 6 Uhr 45. Aha? Das hatte ich mir schon sehr viel schlimmer vorgestellt. Angenommen! Und einen schönen Abend noch… „Äh“, sagt die Lufthansa-Mitarbeiterin, sollte ich auf die Schnapsidee kommen, ein Hotel zu suchen, dann müsse sie warnen: die seien alle voll bis zum letzten Zimmer, in ganz Frankfurt. Aber es gebe ja die Feldbetten des Flughafens, sofern denn noch welche frei seien.
Sind sie um die Zeit nicht mehr. Der Frankfurter Flughafen hat sich in den frei zugänglichen Bereichen in eine Art Lager verwandelt, in dem der Spätankommende so wenig zum Zuge kommt wie der englische Hotelgast, wenn die Deutschen schon die Liegen am Pool reserviert haben. Alles ist friedlich zugepackt, jeder Stuhl mit drei oder vier anderen zur Bettstatt umgerüstet, überall schnarcht schon einer. So viel Zeit, da möchte man wenigstens in Ruhe essen gehen, nur leider ist die Kellnerin dagegen: Es sei zehn, und um zehn sei Schluss. Alle schließen im Weltairport FRA um zehn, das scheint ein Naturgesetz zu sein, ausgenommen ein paar dröge Kaffee- und Sandwichstationen; hatten wir nicht grad am Abend zuvor in Melbourne wenigstens bis um zwölf shoppen dürfen?
Das Rumhängen und vergebliche Suchen nach einer Liege- oder wenigstens Sitzmöglichkeit nervt gegen Mitternacht, „Spiegel“-Lesen auf der Treppe vor dem Gebetsraum ist unbequem, also folgt als nächste Stufe der Beitritt zur Warteschlange vor der Sicherheitskontrolle vor dem A-Bereich. Die ist etwa hundert Meter lang, weil die Wachleute vorn an einem einzigen Röntgengerät so akkurat kontrollieren, als sei grad ein Jumbo der Taliban-Air gelandet, aber wir haben ja viel Zeit. Nach einer Stunde ist der Engpass überwunden, und es eröffnet sich der A-Bereich, in dem ebenfalls sämtliche Sitzgelegenheiten mit Tüten, Taschen und Koffern ausreserviert sind, sofern nicht sowieso schon ein Mensch quer über oder unter allem ruht. Ab und zu teilt jemand vom Flughafen mehr Decken und Kopfkissen aus, Feldbetten gibt es hier nicht. Da – ein Stuhl. Wenigstens sitzen. Dösen.
Etwa gegen vier rührt sich was am Backstand, es riecht nach Kaffee. Blitzartig wächst eine Schlange. Um die Ecke ist der Eingang zur Lufthansa-Lounge, sie scheint gegen fünf zu öffnen – die nächste Schlange, mehr als hundert Menschen. Dann beginnt das Leben an den Gates, alles wirkt ganz normal, und pünktlich um 6 Uhr 45 sitzen wir im 6-Uhr-45-Airbus nach Berlin.
Der Kapitän wünscht einen guten Morgen, sagt, es sehe alles ganz gut aus, aber es gebe allerhand zu enteisen bei dem Wetter. Ach, dann ergibt die Pistenprüfung einen viel zu geringen Reibwert für einen sicheren Start bei diesem Wind, wenig später stellt sich aber heraus, dass das Pistenprüfungsfahrzeug einen Platten hatte.
Kaum ist es zehn nach neun, sind wir in der Luft. Und eine Stunde später in Berlin. Hätte durchaus schlimmer kommen können.
Bernd Matthies