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Schöne Scheine. Zum Anfassen gibt es die virtuelle Währung eigentlich nicht.
© REUTERS

Bitcoin: Schattenwährung lässt Experten rätseln

Bitcoins können ein Wertspeicher wie Gold werden, sagen Analysten. Die Blase wird platzen, warnen andere. Der Kurs steigt rasant.

Es war nur ein Test, doch er hat Kristoffer Koch reich gemacht. Als der Norweger 2009 seine Diplomarbeit über Verschlüsselung schrieb, tauschte er für einen Versuch 20 Euro in 5000 Bitcoins um. Im April dieses Jahres erinnerte er sich an seinen Vorrat digitaler Währung – und stellte fest, dass seine Bitcoins bereits mehr als 690 000 Euro wert waren. Er verkaufte 1000 Bitcoins und behielt 4000 in seiner Online-Geldbörse. Das könnte ein kluger Schritt gewesen sein, denn der Kurs ist weiter gestiegen. Vergangenen Freitag war ein Bitcoin 830 Euro wert. Doch was ist eigentlich ein Bitcoin und woher kommt dieser immense Kursanstieg?

Im Jahr 2007 dachte sich ein Programmierer unter dem Pseudonym Satoshi Nakamoto ein neuartiges Währungskonzept aus. Er wollte eine Währung schaffen, die anonym und frei von zwischengeschalteten Zentralbanken, Gewerbebanken oder staatlichen Eingriffen ist. So sollte ein System entstehen, das Zahlungen direkt von einem Nutzer zum anderen möglich machen sollte. Nach zwei Jahren Entwicklungszeit ging das Konzept 2009 online. Das Ergebnis war Bitcoin, ein Zahlungsmittel, das zunächst nur von Computerspezialisten genutzt wurde.

Jenseits von 1000 Dollar

Wegen seiner weitgehenden Anonymität tauschten vor allem in den USA viele Nutzer Dollars in Bitcoins, um damit unerkannt auf Online-Märkten im sogenannten dunklen Internet zu bezahlen. Bei Silk Road, einem dieser Märkte, konnte man Drogen, gefälschte Pässe und illegale Software mit Bitcoins bezahlen. Der so entstandene Nutzwert ließ den Bitcoin-Kurs ansteigen. Als der Online-Schwarzmarkt enttarnt und vom FBI im Oktober gesperrt wurde, stürzte der Bitcoin-Kurs zunächst ab.

Doch das öffentliche Interesse war geweckt. Selbst Ben Bernanke, Präsident der US-Notenbank Federal Reserve, äußerte sich. „Virtuelle Währungen könnten langfristig vielversprechend sein“, insofern als sie ein schnelleres, sichereres und effizienteres Zahlungssystem fördern könnten. Und Ebay-Chef John Donahoe machte Bitcoin salonfähig, indem er erklärte, er könne sich eine solche Online-Währung für die populäre Ebay-Bezahltochter Paypal vorstellen. Das fachte die Nachfrage nach Bitcoins weiter an. Der Kurs stieg wieder. In der vergangenen Woche durchbrach er erstmals die 1000-Dollar-Marke.

Mit Bitcoins in Berliner Läden zahlen

Nakamotos System wird von einem Computernetzwerk verwaltet. Bitcoins werden in einem „Mining“ genannten Krypto-Verfahren von den Nutzern selbst an leistungsstarken Rechnern produziert. Um Geldeinheiten zu errechnen, muss der Computer hochkomplexe mathematische Formeln lösen. Um ein Ausufern der Geldmenge zu verhindern, gibt das System dem Rechner mit der Zeit immer schwierigere Verschlüsselungen zum Enträtseln auf. Die maximale Menge an Bitcoins ist strikt begrenzt und soll so – vom früheren Goldstandard inspiriert – vor Inflation schützen. Derzeit befinden sich etwa zwölf Millionen Bitcoins im Umlauf.

Im Gegensatz zu einer echten Währung werden Bitcoins jedoch nur in Ausnahmefällen akzeptiert. Dazu zählen immerhin schon einige Bars und Restaurants im Berliner Gräfekiez, eine erste Universität in der zypriotischen Hauptstadt Nikosia, bis hin zu Plattformen wie Wordpress.com und Wikileaks im Internet. In Deutschland kann man Bitcoins bei der Online-Börse Bitcoin.de mittels herkömmlicher Überweisung kaufen. Diese werden in der Online-Geldbörse, dem Wallet, aufbewahrt. Sicherer ist es, die offizielle Satoshi-Nakamoto-Software von Bitcoin.org herunterzuladen und diese mit einem Passwort zu schützen.

Für Anleger oder Spekulanten?

Derzeit kommt die größte Nachfrage nach den virtuellen Münzen aus China. Ein Drittel aller Transaktionen läuft über BTC-China, die chinesische Tauschbörse für Bitcoins. Und während Ebay-Chef Donahoe noch im Konjunktiv spricht, kann man bei Baidu, der meistbesuchten Internetseite Chinas, bereits mit der Online-Währung bezahlen. „Es ist aber offen, wie lange der chinesische Staat das noch zulässt“, sagt Sven Schreiber, Gastprofessor für monetäre Makroökonomie an der FU Berlin.

Wegen der Niedrigzinspolitik in den USA und Europa wird Bitcoin für risikoreiche Anleger zum Objekt der Begierde. „Spekulanten setzen darauf, dass in Zukunft mehr Menschen Bitcoins zum Zahlen benutzen“, sagte Jörg Krämer, Chefvolkswirt der Commerzbank. Noch ist es aber unter Experten umstritten, ob Kurs und Popularität der Bitcoins wegen des zunehmenden Nutzwertes oder einer sich bildenden Spekulationsblase ansteigen. In Krisenländern wie Zypern, Griechenland oder Spanien werde nach Alternativen für etablierte Währungen gesucht, stellt Analyst Ali Farid Khwaja von der Berenberg Bank fest. „Das legt nahe, dass Bitcoins sich ähnlich wie Gold zu einem Wertspeicher bei Krisen, Hyperinflation oder exzessivem Gelddrucken entwickeln könnten.“ Das sieht die Commerzbank ganz anders. Analyst Lutz Karpowitz: „Wer das Platzen einer Blase beobachten will, sollte den Bitcoin gut im Auge behalten.“

Manuel Vering

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