Schokolade aus Berlin: Sawade hat die Insolvenz überwunden
Die neuen Eigentümer von Sawade haben die Berliner Traditionsfirma auf Vordermann gebracht – ohne den Markenkern zu verändern. Jetzt kann der Schokoladenhersteller nach vorne blicken.
Gerade ist Maikäfer-Saison droben in Reinickendorf. Geduldig schwenken Mitarbeiter die Kuvertüre in den Kunststoff-Formen, erst die dunkle, dann die helle für die Flügel. Ganz am Ende werden noch die Papierbeine druntergeklebt wie zu Kaisers Zeiten – ein wichtiges Produkt bei Sawade in der Wittestraße, wo bewiesen wird: Es gibt ein Leben nach der Insolvenz auch für Traditionsfirmen.
Ein Berliner Süßwaren-Unternehmer namens Sawade hat nie gelebt – dafür aber der mutige Chocolatier Ladislaus Ziemkiewicz, der in Marie de Savadé verliebt war und die Firma, die er 1880 gründete, nach ihr benannte. Der französische Akzent verschwand, die Firma wurde Hoflieferant, überlebte Weltkriege und Teilung – bis sie 2013 doch in die Pleite rutschte.
Nichts für Kinder
Das hätte das Ende sein können, ganz oder als Markenname eines Großunternehmens, aber es kam anders. Melanie und Benno Hübel, sie Grafik-Designerin, er Koch und Betriebswirt, verguckten sich in die Traditionsfirma, und sie machten nicht alles neu. Nicht den Maschinenpark, von dem Hübel sagt, „das sind alles Maschinen, die man noch reparieren kann, und das machen wir selbst“, und auch nicht das traditionsgeprägte Programm, das sich aus den aktuellen Modewellen heraushält: „Chili und grüner Tee, das ist nicht unser Markenprofil.“ Seine Frau ergänzt, dass es auch beim Einsatz von relativ viel Alkohol bleibt, denn: „Die Kunden wissen, dass Sawade nichts für Kinder ist“.
Die Mitarbeiter müssen keine Angst um die Zukunft haben
Investiert haben die beiden zunächst in Dinge, die niemand sieht: ein Warenwirtschaftssystem, neue EDV, Mitarbeiter fürs Marketing. Nächster Schritt: Die alte Pralinenschachtel mit dem Brandenburger Tor auf weißem Grund und goldenem Gummi wurde gründlich modernisiert und durch andere Verpackungen ergänzt – es soll eigentlich alles eher nach einem Generationswechsel aussehen als nach einer Übernahme. 50 Mitarbeiter sind in Reinickendorf tätig, viele davon schon Jahrzehnte, und sie müssen wohl keine Angst vor der Zukunft haben. Denn Hübel schätzt den Umsatzzuwachs im ersten Jahr auf 30 Prozent.
Die Basis dieser Erfolgsgeschichte liegt im Kleingedruckten der Finanzierung. Denn die Hübels, die vorher eine große Digitaldruckerei besaßen, brachten zwar Startkapital mit, aber die Basis wurde von der Mittelständischen Beteiligungsgesellschaft Berlin-Brandenburg (MBG) gelegt, die 300 000 Euro als stille Beteiligung spendierte – Eigenkapital, das die kreditgebenden Banken beruhigt. Diese Selbsthilfeeinrichtung der Wirtschaft hat 2014 in der Region bei 38 neuen Beteiligungen rund acht Millionen Euro ausgegeben – und damit nicht nur Chocolatiers geholfen.
Bernd Matthies