Skandal in Südkorea: Samsung wankt
Nach dem Galaxy-7-Debakel erschüttert ein neuer Skandal den südkoreanischen Technologiekonzern: Der Chef wurde wegen Bestechung und Veruntreuung verhaftet.
Der Korruptionsskandal um die südkoreanische Präsidentin hat nun auch Samsung eingeholt. Der weltgrößte Smartphone-Hersteller, der wegen des Debakels um das Galaxy Note 7 unter hohem Erfolgsdruck steht, befindet sich im Schockzustand: Der stellvertretende Aufsichtsratsvorsitzende Lee Jae Yong wurde am Freitag verhaftet. Dem 48-Jährigen werden Bestechung und Veruntreuung vorgeworfen. Er wird auch beschuldigt, illegal Gelder ins Ausland transferiert, Einnahmen aus kriminellen Machenschaften verdeckt sowie einen Meineid geleistet zu haben. Die Vorwürfe stehen in Zusammenhang mit dem Korruptionsskandal um Choi Soon Sil, eine enge Vertraute der südkoreanischen Präsidentin Park Geun Hye.
Zahlungen von 35 Millionen Euro
Ein Bezirksgericht in Seoul gab dem zweiten Antrag eines unabhängigen Sonderstaatsanwalts statt und erließ einen Haftbefehl gegen den Topmanager. Zuvor war ein erster Antrag im Januar abgelehnt worden. Der Samsung-Erbe wurde daraufhin in ein Untersuchungsgefängnis am Stadtrand von Seoul überführt. Lees Anwälte und Sprecher der Samsung-Gruppe weisen die Anschuldigungen als haltlos zurück.
Im Zentrum der Vorwürfe stehen Zahlungen von umgerechnet rund 35 Millionen Euro, die nach Lees Freigabe von Samsung an Organisationen der umstrittenen Park-Vertrauten Choi Soon Sil geflossen sein sollen. Im Gegenzug soll Lee politische Unterstützung für die Fusion zweier Konzerntöchter im Jahr 2015 erhalten haben, die als äußerst wichtig für seine Stärkung innerhalb der Samsung-Gruppe galt.
Lee übernahm 2014 die De-facto-Führung des Konzerns, nachdem sein Vater Lee Kun Hee sich infolge eines Herzinfarkts aus dem Tagesgeschäft zurückgezogen hatte. Der Samsung-Erbe führt das Familienunternehmen in dritter Generation weiter.
Konkret wird Lee unter anderem vorgeworfen, umgerechnet rund 6,5 Millionen Euro an die Core Sports International GmbH gezahlt zu haben, ohne die Zahlung angegeben zu haben. Eigentümerin der Beratungsfirma mit Sitz in Frankfurt am Main ist Choi Soon Sil, deren Korruptionsskandal Südkorea seit letztem Herbst in Atem hält. Nach südkoreanischem Recht müssen sämtliche Auslandsüberweisungen, die einem Wert von umgerechnet mehr als 19.000 Euro entsprechen, den Behörden gemeldet werden.
Choi wird unter anderem vorgeworfen, mithilfe ihrer Beziehung zu Park Sponsorengelder von zahlreichen Unternehmen eingetrieben und sich dabei persönlich bereichert zu haben. Die Tochter eines früheren Sektenführers und Förderers von Park sitzt in Untersuchungshaft.
Ob Lee tatsächlich so weit in die Choi-Affäre verwickelt ist, wie die Sonderermittler behaupten, wird in den nächsten Tagen untersucht. Der Samsung-Erbe war nach Parlamentsanhörungen über den Korruptionsskandal ins Fadenkreuz der Ermittler geraten. In den Anhörungen, die im Fernsehen direkt übertragen worden waren, hatte Lee eher unsicher und unsouverän gewirkt, was ihn sehr angreifbar machte.
Der Skandal um Präsidentin Park, gegen die ein Amtsenthebungsverfahren läuft, ihre Vertraute Choi und nun auch Lee wird in Südkorea sehr kontrovers diskutiert. Längst haben sich dabei Fakten und Legenden vermischt und werden je nach politischer Couleur unterschiedlich eingeschätzt. Der Druck der Öffentlichkeit spielt dabei eine große Rolle. Seit dem öffentlichen Wutanfall der Korean-Air-Erbin Heather Cho über eine Tüte Macadamia-Nüsse im Dezember 2014 wird in Südkorea intensiv über die gesellschaftliche Position der mächtigen Familienunternehmen diskutiert. Die „Jaebol“, wörtlich übersetzt „die reichen Sippen“, bilden das Rückgrat der südkoreanischen Wirtschaft. Der Einfluss der Gründerfamilien und die damit verbundenen Privilegien werden jedoch von vielen südkoreanischen Bürgern mehr und mehr als problematisch angesehen.
Ist Lee ein Bauernopfer?
Vor dem Hintergrund dieser Debatte und der politisch aufgeheizten Stimmung um das Amtsenthebungsverfahren der Präsidentin halten viele gemäßigte Südkoreaner Lees Verhaftung für ein „Bauernopfer“. Nepotismus und das Einfordern größerer und kleinerer Gefallen sind in Südkorea kein neues Phänomen, sondern ziehen sich durch alle gesellschaftlichen Schichten.
Inwieweit sich die Vorwürfe gegen Lee erhärten, bleibt abzuwarten. Der Imageschaden für die Samsung-Gruppe ist auf jeden Fall enorm. Zumal sich der High-Tech-Gigant noch von dem Debakel um das Prestigeprojekt Galaxy Note 7 erholt, das wegen Brandgefahr vom Markt genommen werden musste. Bereits unmittelbar nachdem die Nachricht von Lees Verhaftung bekannt geworden war, gab Samsungs Aktienkurs an den asiatischen Börsen um 1,5 Prozent nach.
Konkret bedeutet Lees Verhaftung, dass bei Samsung sämtliche Projekte, die Lees Freigabe benötigen, auf Eis liegen. Es handelt sich dabei hauptsächlich um strukturelle Veränderungen in der Firma. Auch die geplante Akquisition von Harman International Industries könnte dadurch platzen. Samsung-Sprecher ließen indes verlauten, dass das Tagesgeschäft nicht betroffen sei. Sie erklärten auch: „Wir werden unser Bestes tun, um sicherzustellen, dass bei künftigen Gerichtsverfahren die Wahrheit ans Licht kommt.“
In den südkoreanischen Medien kursieren jedoch Stellungnahmen von Samsung-Mitarbeitern, nach denen aufgrund der neusten Entwicklungen die Stimmung im Unternehmen sehr schlecht sei.
Spekulationen um die Nachfolge Lees
Das Management-Vakuum bei Samsung öffnet auch Tür und Tor für Spekulationen. Medien brachten Lees jüngere Schwester Lee Boo Jin als Nachfolgerin ins Gespräch. Es wurde gemunkelt, dass die Managerin der zur Samsung-Gruppe gehörenden Shilla-Hotelkette ihren Bruder ersetzen würde, falls er langfristig ausfallen sollte. Samsung-Sprecher dementierten diese Personalie jedoch sofort und sagten, Lees Verhaftung werde keine konkreten personellen Veränderungen zur Folge haben und es sei nahezu ausgeschlossen, dass Lee Boo Jin an die Stelle ihres Bruders treten würde.
Die Samsung-Gruppe ist ein Mischkonzern, der neben Elektronik auch im Maschinenbau, in der Schwerindustrie, bei Finanzdienstleistungen und in zahlreichen anderen Sparten vertreten ist. Dass diese Episode das Konglomerat zu Fall bringen könnte, gilt als eher unwahrscheinlich. Kurzfristig gerät der Konzern dadurch jedoch deutlich ins Wanken.