Flugverkehr: Ryanair stellt neue Gepäckregeln auf
Ryanair hat Kunden lange ermutigt, nur mit Handgepäck zu reisen. Jetzt quellen die Gepäckfächer über - und der Billigflieger vollzieht eine Kehrtwende.
Immer mehr Flugpassagiere reisen mit Rollkoffern im Handgepäck, doch für so viele Kabinen-Trolleys reicht der Platz über den Sitzen oftmals nicht aus. Die Konsequenz sind zähe Diskussionen am Gate, weil viele Trolleys doch in den Frachtraum sollen. Billigflieger Ryanair will deswegen neue Regeln aufstellen.
„Wir hoffen, dass all unsere Kunden die neuen Gepäckbestimmungen begrüßen“, sagt Ryanair-Marketingchef Robin Kiely. Zwei Handgepäckstücke bleiben für jeden Passagier kostenlos – auch wenn das größere grundsätzlich im Frachtraum gelagert wird. Nur Kunden, die für mindestens fünf Euro die Option „Priority Boarding“ dazugebucht haben, dürfen ihren Trolley garantiert mit an Bord nehmen. Die Neuregelung soll Verzögerungen vermeiden und die Abflüge somit pünktlicher machen. Im Gegenzug senkt Ryanair den Preis für aufgegebenes Gepäck von 35 auf 25 Pfund (umgerechnet rund 28 Euro). Zudem darf es künftig 20 statt 15 Kilogramm wiegen.
Das Dilemma kennen auch andere Airlines
Damit vollzieht Europas größter Billigflieger eine Kehrtwende. Jahrelang hatte die Airline ihre Kunden mit hohen Gebühren davon abgehalten, Reisegepäck am Schalter aufzugeben. Das sparte Zeit und Geld. Doch wenn jeder der bis zu 189 Passagiere pro Flug einen kleinen Rollkoffer mit an Bord nehmen möchte, gibt es ein Problem: In den Gepäckfächern einer Boeing 737-800 wie bei Ryanair haben dem Flugzeugbauer zufolge gerade einmal 118 Bordtrolleys Platz. Der Billigflieger zieht sogar bei 90 den Schlussstrich. Und es kostet Zeit und Nerven, den Kunden zu erklären, dass sie ihren Koffer abgeben müssen.
Mit dem Dilemma steht Ryanair nicht allein da. Easyjet, Lufthansa und Air France bieten alle im billigsten Tarif nur Handgepäck an – was die Fluggäste nutzen. Trotzdem sieht die Lufthansa in ihrem Geschäft „unter dem Strich kein allzu großes Problem“ mit der Trolley-Flut, erklärt eine Sprecherin. Im Zweifel sprächen die Mitarbeiter die Passagiere an, ob sie ihren Koffer in den Frachtraum geben möchten. Auch Easyjet findet diese Praxis am kundenfreundlichsten.
Derweil schaut sich Lufthansa die neue Airspace-Kabine von Airbus an, die der Flugzeugbauer im vergangenen Jahr für seine A320-Mittelstreckenjets vorgestellt hat. Neben größeren Fensterflächen und einer etwas breiteren Kabine wirbt der Hersteller mit XL-Gepäckfächern über den Sitzen, die 40 Prozent größer sein sollen als die bisherigen. In einer A320 finden statt 104 dann 166 Rollkoffer Platz – passend für die üblicherweise bis zu 165 Passagiere. Die Lufthansa hat sich noch nicht entschieden, ob und welches Paket sie für ihre bestehende Flotte oder die noch auszuliefernden Jets der Neuauflage A320neo ordert. Andere Airlines sind schon weiter. Die US-Gesellschaft American Airlines hat beschlossen, über 200 ihrer Airbus-A321-Jets mit den XL-Fächern nachzurüsten. Auch europäische Airlines hätten die größeren Fächer schon geordert, sagt eine Airbus-Sprecherin.
Kunden mögen Einschränkungen gar nicht
Boeing hat mit seinen sogenannten „Space Bins“ schon länger vorgelegt. In die vergrößerten Fächer für die 737-Jets wie bei Ryanair passen laut Boeing dann insgesamt bis zu 174 Kabinentrolleys – 50 Prozent mehr als in der Standardversion. Das würde sogar bei Ryanair für fast alle Passagiere reichen. Folglich haben sich die Iren bei ihrem jüngsten Flugzeug für die neue Boeing-Kabine im „Sky“-Design entschieden.
Ein Ende des Koffer-Gedränges scheint zumindest langfristig in Sicht, zumal Flugzeuge im Laufe ihres jahrzehntelangen Lebens meist mehrfach eine neue Kabinenausstattung bekommen. Ob Ryanair seine Handgepäck-Regeln irgendwann wieder ändert, ist schwer vorauszusagen. Einen Fehlgriff hatte sich die Luftfahrtbranche vor zwei Jahren geleistet. Da wollte der Branchenverband IATA die Höchstgröße für Handgepäckstücke um fast 40 Prozent kappen. Nach heftigem Protest der Kunden rückte er davon aber wieder ab. (mit dpa)
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