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Konzern in der Krise: Der Börsenwert von RWE befindet sich seit Monaten im Sinkflug.
© imago/Westend61

Konzern in der Krise: RWE braucht dringend eine Idee

Die NRW-Kommunen ringen mit anderen Anteilseignern um Strategien und Köpfe beim angeschlagenen Energiekonzern aus Essen.

Selbst diese kleine Operation wollte nicht wirklich gelingen. Am Tag vor der Aufsichtsratssitzung tauchten plötzlich wieder Meldungen über einen arabischen Investor für den Essener RWE Konzern auf und natürlich beflügelte diese Nachricht die Märkte: Die RWE-Aktie schoss am Donnerstagmorgen von 10,73 auf 11,99 Euro und war damit für diesen einen Tag endlich mal wieder der größte Gewinner im Dax: Plus neun Prozent zum Vortag. Weil sich bis Freitag dann herumgesprochen hatte, dass der Investor aus dem Morgenland eher eine Fata Morgana als harte Realität ist, schmierte der Kurs gestern wieder ab, minus 7,4 Prozent.

Derweil musste Konzernchef Peter Terium im Aufsichtsrat unangenehme Fragen beantworten, denn die für die Anteilseigener erschreckende Kursentwicklung hat ganz wesentlich damit zu tun, dass es dem Niederländer bis heute nicht gelungen ist, den taumelnden Riesen RWE zu stabilisieren. Allein in diesem Jahr hat sich der Börsenwert des einstigen Dax-Schwergewichts auf nur mehr rund sieben Milliarden halbiert, die Höchstkurse von knapp 100 Euro im Jahre 2007 sind ganz weit weg.

Dabei hatten die Eigentümer Teriums Vertrag kürzlich auch mit dem Argument verlängert, dass der Mann Börse kann und die immer noch vorhandenen Werte des Konzerns darzustellen vermag. Doch auf den Hauptversammlungen kommen Fragen. „Womit verdient RWE in fünf Jahren Geld“, wollte zum Beispiel Aktionärsvertreter Marc Tüngler wissen.

Ankeraktionäre werden unruhig

Auch im Aufsichtsrat hört er sich derartige Fragen an. Bis zuletzt hat ihn der Noch-Chef des Kontrollgremiums, der frühere Bayer-Vorstand Manfred Schneider, eisern verteidigt. Vor allem die Vertreter der Kommunen, die als Ankeraktionäre gemeinsam noch immer knapp 25 Prozent am Aktienkapital halten, wurden allerdings zunehmend unruhig, was auch mit der sinkenden Dividende zu tun hat. Konnten die Kämmerer der Städte von Mülheim bis Dortmund früher locker ihre Verluste aus den Verkehrsbetrieben über die RWE-Dividende bezahlen, stößt dieses Finanzierungsmodell inzwischen an seine Grenzen. Im vergangenen Jahr gab es zwar immernoch einen Euro pro Anteilsschein, für Dortmund halbierte sich der Scheck aus Essen damit aber von 48 auf 24 Millionen, in Essen kamen nur noch 19 statt 36 Millionen an.

Natürlich wissen die Anteilseigner, dass die Ergebniseinbrüche aus dem Kraftwerksgeschäft mit der Politik und den Anforderungen der Energiewende zu tun haben. Aber von Terium erwarten sie in dieser Situation zwei Dinge: erstens muss er politisch wirken und die Interessen des Konzern und der Branche auch auf diesem Parkett wirkungsvoll vertreten und zweitens sollte er Zukunftsperspektiven für das Unternehmen entwickeln. Genau daran wachsen die Zweifel so sehr, dass sie jetzt auch öffentlich artikuliert wurden. „Ich halte die Aktie für unterbewertet“, formuliert es etwa Dortmunds Stadtwerke-Chef Guntram Pehkle und fügt dann hinzu, „leider ist es RWE bisher nicht gelungen, den Märkten diese Werthaltigkeit zu vermitteln“.

Machtkampf um die Führung

Hinter den Kulissen tobt ein Machtkampf. Manfred Schneider räumt seinen Posten im Frühjahr. Er war dabei gescheitert, seine eigene Nachfolge zu regeln. Von Daimler-Chef Dieter Zetsche bis hin zum ehemaligen Hochtief-Vorstand Hans-Peter Keitel hat er sich nur Absagen eingehandelt und ist schließlich bei Werner Brandt gelandet, dem früheren SAP-Vorstand. Gegen den gibt es erhebliche Vorbehalte. „Dann kontrolliert ein Controller einen Controller“, ätzt ein Mann aus dem Aufsichtsrat gegen Brandt, der wie Terium vor allem als Kostenkiller aufgefallen ist. „Das ist keine Unternehmensstrategie“. Bei RWE wurden in den vergangenen vier Jahren schon 12 000 Stellen gestrichen und andere Gewohnheiten geändert – die Aufsichtsratssitzung am Freitag fand in der Essener Hauptverwaltung und nicht wie geplant an einem schönen Ort statt.

Die kommunalen Anteilseigner haben inzwischen eigene Vorstellungen entwickelt und das Profil des neuen Aufsichtsratschefs vorgegeben: die Person muss gleichermaßen politisch versiert wie unternehmerisch erfolgreich gewesen sein, wenn eine Chance bestehen soll, die verborgenen Werte des Konzern zu entwickeln. Damit kommt Werner Müller ins Spiel, der nicht nur als parteiloser Wirtschaftsminister unter Gerhard Schröder (SPD) den Atomausstieg gemeinsam mit der Industrie verhandelt hat. Darüber hinaus hat er als Chef des RAG-Konzerns das Ende der Kohle mit einer Stiftungslösung durchgesetzt, die dem Steuerzahler viele Lasten erspart.

Obwohl es damals erhebliche Widerstände und Zweifel gab, ob sein Modell funktionieren würde, steht er heute als strahlender Gewinner dar. Damals erhoffte man für die Kohlestiftung, die die Altlasten dauerhaft finanzieren muss, ein Vermögen von rund fünf Milliarden – woran der damalige Ministerpräsident Jürgen Rüttgers laut zweifelte – und heute verwaltet Müller als Stiftungschef knapp 15 Milliarden, weil sein Konstrukt so erfolgreich läuft.

Genau das haben die kommunalen Vertreter Schneider in der Aufsichtsratssitzung von Freitag mit auf den Weg gegeben. Er muss jetzt mit Werner Müller reden, dem Mann, den er eigentlich verhindern wollte.

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