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Als Reaktion auf westliche Sanktionen im Ukraine-Konflikt hat Russland für ein Jahr Einfuhrverbote für zahlreiche Waren und Lebensmittel verhängt. Betroffen seien jene Länder, die ihrerseits Strafmaßnahmen gegen Moskau erlassen hätten, teilte Kremlchef Wladimir Putin in einem am Mittwoch in Moskau unterzeichneten Dekret mit. Sanktionen erlassen hatten die EU und die USA, zudem Länder wie Kanada, die Schweiz oder Japan.
© dpa

Einfuhrverbot für Waren aus EU und USA: Russland veröffentlicht Boykott-Liste

Russland hat auf die Sanktionen der EU reagiert und die Liste der Waren, die vom einjährigen Einfuhrverbot betroffen sind, veröffentlicht. Dabei handelt es sich unter anderem um Fleisch und Milchprodukte. Deutsche und russische Unternehmen bangen um ihre Geschäfte.

Die Furcht vor einem Wirtschaftskrieg mit dem Westen hat die russische Börse am Mittwoch erneut belastet. Die Leitindizes der Moskauer Börse notierten auf dem niedrigsten Stand seit Anfang Mai. Der Rubel fiel auf ein Viereinhalbmonatstief. Tatsächlich verschärft sich die Lage. Am Mittwoch verhängte Russlands Präsident Wladimir Putin ein einjähriges Einfuhrverbot für zahlreiche Waren und Lebensmittel aus Ländern, die im Ukraine-Konflikt Sanktionen gegen Moskau erlassen hätten, teilte der Kremlchef per Dekret mit. Am Donnerstag veröffentlichte Russland nun die Boykott-Liste. Die EU-Staaten und die USA dürfen ab sofort kein Fleisch und keine Milchprodukte mehr nach Russland liefern. Von dem Einfuhrverbot sind auch Obst und Gemüse betroffen, wie Regierungschef Dmitri Medwedew am Donnerstag in Moskau mitteilte. Die Sanktionen gelten demnach auch für Australien, Kanada und Norwegen. Damit ergreift Moskau erstmals offen Gegensanktionen in der Ukraine-Krise.

Am Montag hatte noch die Aufsichtsbehörde des Landwirtschaftsministeriums wegen „gesundheitlicher Bedenken“ die Einfuhr von Kentucky Straight Bourbon Whiskey verboten. Bedenken äußerte die Behörde auch bei Rindfleisch aus Rumänien und polnischem Obst, für das ein Einfuhrstopp gilt. Lettisches Trockenmilchpulver wird stärker kontrolliert. Diese Maßnahmen hätten eine Propagandawirkung, erklärte der russische Analyst Konstantin Kalaschew der Finanznachrichtenagentur Dow Jones. Es gehe darum, „Importwaren durch heimische Produkte zu ersetzen“. Moskau erwägt einem Zeitungsbericht zufolge auch ein Überflugverbot für westliche Fluglinien.

23 Unternehmen stehen auf der EU-Sanktionsliste

Eine russische Airline wurde bereits von den EU-Sanktionen zu Boden gezwungen. Dobrolet, eine Tochter des Staatsunternehmens Aeroflot, war am 30. Juli auf einer Liste der EU aufgetaucht, die Personen und Unternehmen enthält, deren Vermögen eingefroren wird. Die Begründung: Die Billig-Airline fliege exklusiv die Strecke von Moskau nach Simferopol auf der Krim und unterminiere damit „die ukrainische Souveränität und territoriale Integrität“. Vier Tage später teilte Dobrolet mit, dass „wegen EU-Sanktionen“ alle Flüge gestrichen werden.

Insgesamt 23 Unternehmen und 95 Personen, darunter auch Putins ehemaliger Judopartner und Bauunternehmer Arkady Rotenberg, stehen auf dieser EU-Sanktionsliste. Zudem trat am 1. August ein weiteres Paket mit Sanktionen in Kraft: Finanzinstitute des russischen Staates haben nur noch begrenzten Zugang zu den Kapitalmärkten der EU. Die Europäer schränken zudem den Zugang Russlands zu sensiblen Technologien ein, die für die Ölförderung genutzt werden können. Außerdem gilt ein Handelsembargo auf Waffen und Güter, die sowohl für zivile als auch militärische Zwecke genutzt werden können.

Auch Lastwagen und Maschinenteile können betroffen sein

Viele deutsche Unternehmen sind nun verunsichert. Denn nicht nur Radar reflektierende Materialien oder bestimmte Software fallen unter die sanktionierten Produkte. „Es können auch Lastwagen oder Maschinenteile sein“, sagte der DIHK-Osteuropa-Experte Tobias Baumann der Nachrichtenagentur dpa.

Auch beim Ost-Ausschuss der Deutschen Wirtschaft heißt es, man habe nun die EU-Beschlüsse, wisse aber nicht, wie es laufen solle. Insgesamt sei die Situation beunruhigend. Und die deutsche Auslandshandelskammer in Moskau berichtet, russische Firmen seien nicht minder verunsichert – obwohl die Sanktionen alte Verträge nicht betreffen.

Aufträge der deutschen Industrie gehen kräftig zurück

Die Ukraine-Krise und die Spannungen mit Russland belasten offenbar die gesamte deutsche Industrie. Sie musste im Juni den stärksten Auftragseinbruch seit fast drei Jahren hinnehmen. Nach Angaben des Statistischen Bundesamtes gingen die Auftragseingänge im Juni gegenüber dem Vormonat um 3,2 Prozent zurück. Im gesamten zweiten Quartal lag das Volumen der Auftragseingänge um 0,6 Prozent unter dem Niveau des ersten. „Vor allem die geopolitischen Entwicklungen und Risiken dürften zu einer gewissen Zurückhaltung geführt haben“, formuliert das Wirtschaftsministerium eher vorsichtig.

Deutlicher wird der Russland-Experte des Ost-Ausschusses: „Der Export nach Russland ist seit Jahresbeginn schon um 16 Prozent zurückgegangen“, sagte Eduard Kinsbruner dem Tagesspiegel. Hielte der Trend an, könnten 25.000 Arbeitsplätze gefährdet sein.

Trotz des sich anbahnenden Handelskriegs überschritt der Geschäftsklima-Index Mittelosteuropa der österreichischen Kontrollbank erstmals das Niveau von Anfang 2012. Russische Firmen sehen demnach dem zweiten Halbjahr sogar positiver entgegen als noch im April. (mit dpa)

Vinzenz Greiner

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