Trubel im Handwerk: Rückkehr zur Meisterpflicht bleibt umstritten
Die Regierung will zu alten Regeln zurück, um die Qualität des Handwerks und die Ausbildung zu verbessern. Sie stößt nicht nur auf Zufriedenheit.
Wissen geht verloren. Zu wenig Jugendliche wollen Handwerker werden. Die getane Arbeit wird schlechter und schlechter. Christian Heistermann leitet in Berlin einen Gebäudereinigungsbetrieb und fordert aus den genannten Gründen schon lange, dass der Meistertitel in seinem Metier wieder zum Muss wird. „Es gibt viel Schwarzarbeit, Quereinsteiger putzen irgendwie rum“, erzählt er am Telefon. „Und gute Firmen kriegen Aufträge nicht wegen der Billigkonkurrenz.“ Doch die Politik ignoriere seine Branche, die jetzt „weiter verlottert“.
Seit dem Mittelalter wird der Zugang zum Handwerk beschränkt. 2004 wurde der Meisterzwang in 53 von 94 Gewerken dann abgeschafft. Mit der Reform wollte die Bundesregierung – in Jahren hoher Arbeitslosigkeit – Anreize zur Selbstständigkeit setzen. Von da an mussten Betriebe nicht mehr zwingend von ausgebildeten Handwerksmeistern geführt werden. Und jetzt? Jetzt will die schwarz-rote Koalition die Pflicht zwar nicht in allen, aber in zwölf Berufen wieder einführen. Anfang Oktober soll das Kabinett wahrscheinlich über einen Gesetzentwurf abstimmen.
Der Zentralverband des Handwerks drängt seit langem zu diesem Schritt. Was die Fehlentwicklungen seien, die er beklagt? „Weniger Auszubildende, weniger Fachkräfte, weniger Qualität, schneller vom Markt verschwindende Betriebe und infolge dessen ein geringerer Gewährleistungs- und Verbraucherschutz“, sagte der Handwerkspräsident Hans Peter Wollseifer vor einer Woche.
Besteht eine Gefahr für das Leben?
Gelten soll der Meisterzwang ab dem kommenden Jahr für Fliesen-, Platten- und Mosaikleger, Betonstein- und Terrazzohersteller, Estrichleger, Behälter- und Apparatebauer sowie Parkettleger. Außerdem für: Rollladen- und Sonnenschutztechniker, Drechsler und Holzspielzeugmacher, Böttcher, Glasveredler, Schilder- und Lichtreklamehersteller, Raumausstatter sowie Orgel- und Harmoniumbauer. Betriebe, die derzeit nicht der Titelpflicht unterliegen, dürfen auch weiterhin selbstständig tätig sein. Zulassungsfrei bleiben unter anderem Uhrmacher, Graveure, Gold- und Silberschmiede. Sattler, Maskenbildner, Schlagzeugmacher.
Für die Auswahl der zwölf Gewerke gab es zwei Kriterien. Erstens: Handelt es sich um ein Handwerk, deren unsachgemäße Ausübung eine „Gefahr für Leben und Gesundheit“ bedeutet? Beispielhaft dafür stünde aus Sicht des Wirtschaftsministeriums der Fliesenleger. Der Mitarbeiter selbst sei Gefahrstoffen wie Asbest ausgesetzt. Zum anderen könnten seine Fehler an Orten wie Operationssälen, Schwimmbädern oder Seniorenunterkünften schlimme Konsequenzen nach sich ziehen. Zweitens sollten solche Handwerke berücksichtigt werden, die als „immaterielles Kulturgut“ anzusehen seien – wie etwa Orgelbauer oder der Drechsler und Holzspielzeugmacher. Dessen Tätigkeitsbereich sei außerdem die „Restaurierung historischer Möbel oder Bauteile, von Kunstgegenständen in Kirchen, historischen Bauten und Museen“. Er würde also wiederum auch andere Kulturgüter schützen.
Manche sind über Auswahl verwundert
Christian Heistermann kann die Auswahl nicht ganz verstehen. Wenn jemand einen Marmorboden falsch poliere, wenn er Naturstein, Granit mit falschem Putzmittel säubere, könnten alte, historische Gebäude zerstört werden – oder bei richtiger Arbeit eben erhalten bleiben. Die Gefahr, von einem hohen Gerüst zu stürzen, ist außerdem genauso gegeben wie beim Lichtreklamehersteller. Auch DGB-Vorstandsmitglied Stefan Körzell kritisiert, dass die Gebäudereiniger in der Liste fehlten. Haben sich bestimmte Lobbygruppen einfach besser durchgesetzt?
Für den notwendigen Nachwuchs müsste aus Sicht der Gewerkschaft sowieso noch mehr getan werden: bessere Bezahlung, bessere Arbeitsbedingungen. Aus Sicht der Monopolkommission werde eine Ausweitung des „Meisterzwangs“ zu einem deutlichen Rückgang der Betriebsgründungen in zulassungsfreien Gewerken führen. Der Wegfall der Pflicht habe damals zu einem „Gründungsboom“ geführt, heißt es. Die Kunden profitierten „von einer stärkeren qualitativen Differenzierung“ handwerklicher Leistungen. Ob man einen günstigen oder teuren Betrieb engagiere, der mitunter bessere Arbeit mache, sei letztlich jedem selbst überlassen. Außerdem dürfte sich der Fachkräftemangel in einigen Handwerksberufen mit dem Gesetz eher noch verschärfen. Und das in einer Zeit, in der es überall an Wohnraum fehlt.