Schokoladenstreit: Ritter Sport gewinnt gegen Stiftung Warentest
Im Schokoladenstreit um Ritter Sport ist ein Urteil gefallen: Die Stiftung Warentest darf dem Unternehmen keine Verbrauchertäuschung vorwerfen. An dem Urteil hing das Schicksal einer ganzen Stadt.
Holzminden in Niedersachsen riecht nach Symrise. Genauer gesagt nach Pfefferminze, Thymian oder Patchouli. Glaubt man den Touristenwerbern des Ortes, dann riecht das alte Pfarrhaus direkt an der Weser nach Bratzwiebeln. Duftstelen machen es möglich. 18 Stück davon hat Symrise, der größte deutsche Hersteller von Duft- und Aromastoffen, rund um Sehenswürdigkeiten in dem 20 000-Einwohner-Städtchen aufgestellt, um eine Art „duftenden Stadtrundgang“ zu ermöglichen. Über 2000 Arbeitsplätze hängen allein hier an dem Unternehmen. An diesem Montag atmet die Stadt auf. Es ist der Tag, an dem Symrise seinen Ruf gerettet hat.
250000 Euro Ordnungsgeld
Die Stiftung Warentest hatte Ende letzten Jahres behauptet, Symrise habe chemisch hergestellte Aromen als natürliche Aromen verkauft. In der Dezember-Ausgabe des „Test“-Magazins verpasste die Stiftung deshalb Schokolade der Marke Ritter Sport die Testnote mangelhaft. In der Schokolade war das Aroma Piperonal enthalten. Weil die Stiftung davon ausging, dass das Aroma auf natürlichem Wege nicht in industriellen Mengen hergestellt werden könne, warf sie Ritter Sport Verbrauchertäuschung vor. Das Piperonal kam aus Holzminden. Das Münchner Landgericht hat nun geurteilt: die Prüfer dürfen nicht erneut behaupten, dass die Voll-Nuss-Schokolade von Ritter Sport chemisch hergestelltes Piperonal enthält. Damit hat eine einstweilige Verfügung Bestand, gegen die Stiftung Warentest vorgegangen war. 250000 Euro Ordnungsgeld drohen der Stiftung, sollte sie dagegen verstoßen.
Für zahllose Branchen jedoch ist es eine gute Nachricht. Denn Aromen und Düfte von Symrise stecken in mehr als 30 000 Produkten.
Symrise will Umsatzwachstum von fünf Prozent
An 35 Standorten weltweit machen Symrise-Chemiker, dass Waschmittel nach warmen Sommerregen riecht und Shampoo nach Niagarafällen. Symrise steckt den Zwiebelgeschmack in Suppentüten und das Minzaroma in die Zahnpastatuben. Und produziert eben Piperonal – für den süßlich-blumigen Geschmack in Schokolade. 1,735 Milliarden Euro hat das Unternehmen 2012 umgesetzt. Weltweit zehn Prozent Marktanteil. Der Schweizer Konkurrent und Weltmarktführer für Duft und Geschmacksstoffe, Givaudan, liegt mit gut 23 Prozent zwar noch weit vorn. Doch Symrise-Vorstandschef Heinz-Jürgen Bertram hält ein jährliches Umsatzwachstum von fünf bis sieben Prozent für möglich.
Natürliche Aromen sind lukrativ
Auch weil das Geschäft mit natürlichen Aromen rentabel sei, wie eine Sprecherin sagt. Der Symrise- Kunde Ritter Sport hat einen dreistelligen Millionenbetrag investiert, um seine Schokolade auf natürliche Aromen umzustellen. „Einige Aromen, wie zum Beispiel Zitrusaromen, lassen sich auf natürlichem Wege billiger herstellen als auf chemischem“, sagt sie. Nur: Piperonal ist keines dieser Aromen. Symrise ließ sich von Ritter Sport die natürliche Herstellung teuer bezahlen. Der Prozess ist aufwendig und frisst extrem viel Energie. Allein die beiden Kraftwerke auf dem Symrise-Werksgelände erzeugen so viel Energie, wie 5400 Holzmindener Haushalte im Jahr verbrauchen. Hauptsächlich in Form von Wasserdampf, den Symrise für die Herstellung natürlicher Aromen nutzt. Zwiebeln, Sellerie oder Karotten werden gehäckselt, mit 180 Bar gepresst, in flüssige und feste Bestandteile getrennt, verdampft und schließlich in Flüssigaroma komprimiert. So werden aus 4000 Tonnen Zwiebeln 400 Tonnen Zwiebelaroma.
Rechtsstreit geht weiter
„Wie es genau bei Piperonal ist, weiß ich nicht“, sagt die Sprecherin. Vor Gericht hat Symrise sein Verfahren allerdings offengelegt, sagte eine Sprecherin. Dabei wurde im nichtöffentlichen Teil der Verhandlung klar, dass auch Symrise das Piperonal nicht selbst hergestellt, sondern über einen weiteren Zulieferer bezogen hatte, wie Ritter Sport dem Tagesspiegel bestätigte. Fest steht, dass das Aroma nur in geringen Mengen in Blütenölen oder Pfeffer vorkommt. Billiger und üblich ist die chemische Herstellung durch Oxidation anderer Grundstoffe.
Ob der Rechtsstreit nun weitergeht, Schadenersatzansprüche gestellt werden können, ist derzeit noch unklar. Die Kurse des jungen Aktienunternehmens waren schon im Dezember kurzzeitig abgestürzt, als nur das Testergebnis veröffentlicht worden war. Die Stiftung Warentest hat bereits angekündigt, gegen das Urteil Berufung einzulegen. "Entscheidungen in Verfahren um einstweiligen Rechtsschutz - dazu gehört auch die einstweilige Verfügung - haben keinen endgültigen Charakter, die inhaltliche Frage wird dabei noch nicht geklärt. Deshalb nehmen sie die Gerichtsentscheidung eines Hauptverfahrens nicht vorweg.", hieß es in einer Mitteilung der Stiftung.
Lesen Sie in Kürze mehr auf tagesspiegel.de
Sidney Gennies
- bbbbbb
- Brandenburg neu entdecken
- Charlottenburg-Wilmersdorf
- Content Management Systeme
- Das wird ein ganz heißes Eisen
- Deutscher Filmpreis
- Die schönsten Radtouren in Berlin und Brandenburg
- Diversity
- Friedrichshain-Kreuzberg
- Lichtenberg
- Nachhaltigkeit
- Neukölln
- Pankow
- Reinickendorf
- Schweden
- Spandau
- Steglitz-Zehlendorf
- Tempelhof-Schöneberg
- VERERBEN & STIFTEN 2022
- Zukunft der Mobilität