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Eine private Absicherung für jedermann sollte das Riester-Sparen sein. Jetzt wird über Alternativen nachgedacht – etwa das schwedische Modell einer kostengünstigen, obligatorischen Zusatzversicherung.
© Imago/Steinach

Altersvorsorge: Riester - der Renditekiller

Mit der Riester-Förderung wollte der Staat den Menschen helfen, die Rentenlücke zu schließen. Doch die Riester-Anlagen lohnen sich für viele nicht. Was nun?

Carola B. spart seit neun Jahren mit einem Riester-Fondssparplan. Ihre Rendite: Knapp 1,8 Prozent pro Jahr. Weil Carola B. über 50 Jahre alt ist, befinden sich in ihrem Riester-Depot vor allem Staatsanleihen, sie hat also vom Boom der Aktienmärkte in den vergangenen Jahren kaum profitiert. Hätte sie in der zurückliegenden Dekade ihr Geld in einen deutschen Aktienfonds angelegt, könnte sie im Schnitt auf eine Rendite von 6,8 Prozent pro Jahr zurückblicken – nach Kosten. Ein passives Investment in den Deutschen Aktienindex Dax hätte sogar mehr als neun Prozent pro Jahr abgeworfen. Und selbst mit Rentenfonds wären es 5,5 Prozent gewesen.

Carola B. geht es dennoch besser als vielen Riester-Sparern, die auf Lebensversicherungen oder Banksparpläne gesetzt haben. Die müssen nämlich mit noch bescheideneren Ergebnissen kalkulieren. Das reine Banksparen etwa wirft aktuell bestenfalls 0,5 Prozent Zinsen pro Jahr ab, einige Bausparer gehen sogar leer aus. Auch Versicherungen bringen nach Erkenntnissen der Stiftung Warentest nach Abzug der Kosten oft überhaupt keine Rendite. Sie arbeiten mit Risikoszenarien und Sterbetafeln, nach denen der Rentner 85 Jahre, 90 oder noch älter werden müsste, um auch nur das eingezahlte Geld tatsächlich wieder als Rente zu erhalten.

Stirbt er früher, hat er trotz der Kapitalgarantie zum Ende der Sparzeit unter dem Strich eine negative Rendite eingefahren. Gleichzeitig liegt die im Schnitt zu erwartende Zusatzrente derzeit deutlich unter 100 Euro pro Monat. Und: Etwa 20 Prozent der 16 Millionen Riester-Verträge liegen auf Eis, werden gar nicht mehr bespart, weil Sparer arbeitslos werden oder sich Lebensentwürfe und Ziele geändert haben. Langfristig halten Riester-Sparer etwa die Hälfte ihre Vorsorgeverträge nicht durch. Ihr ursprüngliches Ziel – die Bekämpfung von Altersarmut und das Füllen jener Lücken, die die Absenkung des Niveaus der gesetzlichen Rente reißt – droht Riester damit zu verfehlen.

Versicherer: Riester ist alternativlos

Immer öfter fragen Verbraucherschützer und Rentenspezialisten deshalb: Macht das Modell Riester zur privaten Altersvorsorge überhaupt noch Sinn oder brauchen wir alternative Konzepte? Soll der Staat die private Riester-Vorsorge weiter unterstützen, indem er die Sparleistung steuerlich fördert und jedem Sparer pro Jahr 154 Euro für sich und bis zu 300 für jedes Kind überweist? Oder benötigen wir ein neues System, etwa nach dem schwedischen Modell mit Sparpflicht, aber erheblich geringeren Kosten, weniger Bürokratie und ohne staatliche Hilfe?

Peter Schwark vom Gesamtverband der deutschen Versicherungswirtschaft hält Riester für „alternativlos“. Daran ändere auch das gegenwärtige Zinstief nichts. Denn die größten Profiteure seien eben genau jene, die besonders von Altersarmut bedroht seien: So erhielten Frauen knapp 60 Prozent der staatlichen Zulagen – und jeder zweite Bezieher habe ein Jahreseinkommen von weniger als 20.000 Euro. Statt das Riester-Sparen zu verteufeln sei es sinnvoller, die staatlichen Zulagen zu erhöhen, fordert Schwark: „Wir müssen nicht weniger, sondern noch mehr riestern“.

Die jüngsten Riester-Zahlen scheinen Schwark recht zu geben: Erstmals seit Jahren ist 2014 die Zahl der Neuabschlüsse wieder gewachsen. 464.000 Riester-Verträge haben Verbraucher im vergangenen Jahr neu abgeschlossen, das waren 2,4 Prozent mehr als 2013. Allerdings lag die Zahl neuer Riester-Kunden 2012 noch bei über 600.000 und 2010 und 2011 bei knapp einer Million. 75 Prozent der Neuabschlüsse gingen zudem auf das Konto des „Wohn-Riesters“, bei dem man für eine selbstgenutzte Immobilie spart und das Geld somit schon weit vor der Rente einsetzen kann. Nur 16 000 neue Kunden wählten eine Versicherung, 47.000 einen Fondssparplan und 8000 den Banksparplan.

Verbraucherschützer: Es gibt sehr wohl Alternativen

Für den Vorstandssprecher des Bundes der Versicherten, Axel Kleinlein, ist hingegen klar: „Riester war ein Irrweg und ist gescheitert.“ Das Problem sei vor allem, dass die Versicherungswirtschaft, bei der die Verbraucher die große Mehrheit der Riester-Verträge abgeschlossen haben, Kosten und reale Renditen verschleiere und damit eine „Blackbox der übelsten Sorte“ sei. Gleichzeitig fehlten Aufsichtsbehörden, die der Branche glasklare Vorgaben machen und Kostengrenzen setzen könnten, kritisiert Kleinlein. Hier habe der Gesetzgeber versagt.

Im Ergebnis habe der Kunde keine Möglichkeit, einzelne Produkte nach Kostenaspekten zu vergleichen, so Kleinlein. Problematisch sei zudem, dass jeder Riester-Kunde, auch wenn er mit Banksparplänen oder Fondslösungen spare, „spätestens in der Verrentungsphase in den Fängen der Versicherungswirtschaft landet“. Bei einem Riester-Vertrag muss das angesparte Geld nämlich größtenteils als monatliche Rente ausgezahlt und auch versteuert werden. Zusätzlich zu den niedrigen Renditen in der Sparphase knabbert also in der Rentenphase der Fiskus am Ertrag.

Ein Blick nach Schweden könnte helfen

Für Frank Nullmeier, Politikwissenschaftler und Altersvorsorge-Experte an der Universität Bremen, ist Riester „vor allem an seinen eigenen Ansprüchen gescheitert“: Das Vorsorgen mit Riester helfe zu wenigen Menschen, sei zu renditeschwach und zu teuer, könne damit auch nicht jene Lücken schließen, die die sinkenden Renten aus der gesetzlichen Versicherung reiße. Nur bei 6,4 der etwa 16 Millionen Verträge wird so viel gespart, dass überhaupt Zulagen fließen. Derzeit müssen Riester-Sparer vier Prozent ihres versicherungspflichtigen Bruttoeinkommens einzahlen, um die volle staatliche Sparhilfe zu bekommen. Wer das Konzept reformieren wolle, so Nullmeier, habe nun drei Möglichkeiten: man könne die Verbraucher zum Riestern verpflichten, das Modell Riester viel strikter regulieren oder aber ein neues „Basisprodukt“ nach schwedischem Modell konstruieren.

Schweden hat 1999 neben der umlagefinanzierten Rente eine obligatorische kapitalgedeckte Zusatzrente eingeführt, in die jeder Angestellte 2,5 Prozent seines versicherungspflichtigen Einkommens stecken muss. Die zweite Rentenvorsorge ist verpflichtend, doch haben die Sparer die Wahl: Entweder sie suchen sich bis zu fünf der 800 privaten Fonds aus, die für das zweite Rentenstandbein zugelassen sind. Ist ihnen die Auswahl zu lästig, steckt die staatliche Rentenkasse das Geld automatisch in einen staatlichen „Sofa-Fonds“, der ebenfalls an den Kapitalmärkten arbeitet und in Anleihen und Aktien investiert. Vorteil des Systems seien vor allem die sehr niedrigen Kosten, sagt Marlene Haupt vom Max-Planck-Institut für Sozialrecht und Sozialpolitik. Der Vertrieb, der in Deutschland den Löwenanteil der Kosten verschlingt, existiere in Schweden nicht, weil der Staat das Geld einsammle und an die Fonds weiterverteile.

Auch die Verbraucherzentralen plädieren für eine Orientierung am schwedischen Modell. Die Sparer könnten zusätzlich zur gesetzlichen Rente auf einem individuellen Konto Geld ansparen und dabei die Kapitalmärkte nutzen, sagt Lars Gatschke vom Bundesverband der Verbraucherzentralen. Stehe der Verbraucher vor dem Ruhestand, werde das gesparte Geld in Entgeltpunkte der gesetzlichen Rentenversicherung umgewandelt und auf die normale Rente aufgeschlagen. Die Management- und Verwaltungskosten sollen in dem Modell nur ein Zwanzigstel der heute üblichen Gebühren betragen. Vor allem langfristig wirken sich niedrige Kosten gewaltig auf das Ergebnis aus: Kauft ein Sparer jeden Monat für 100 Euro Fonds, mit denen er 30 Jahre lang eine Rendite von vier Prozent erwirtschaftet und 2,5 Prozent Kaufgebühren zahlt, so hat er bei jährlichen Kosten von 1,5 Prozent am Ende 51.802 Euro. Liegen die Kosten nur bei 0,4 Prozent, sind 62.492 Euro auf dem Konto.

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