Edeka darf Kaiser's Tengelmann übernehmen: Regierungsberater tritt nach Gabriels Erlaubnis zurück
Wirtschaftsminister Sigmar Gabriel erteilt Ministererlaubnis. Verdi freut sich, Rewe klagt. Der Chef der Monopolkommission, Daniel Zimmer, gibt auf.
Nach eineinhalb Jahren Hin und Her haben die knapp 16.000 Beschäftigten der Supermarktkette Kaiser's Tengelmann nun Gewissheit: Ihr Arbeitgeber wird vom Marktführer Edeka übernommen. Bundeswirtschaftsminister Sigmar Gabriel (SPD) erteilte der Übernahme seine Erlaubnis, allerdings unter strengen Auflagen. Ihm sei es vor allem um die Sicherung der Arbeitsplätze für diejenigen gegangen, die "nicht zu den Gutverdienenden gehören", sagte der Vizekanzler am Donnerstag in Berlin.
Das Bundeskartellamt hatte die Fusion der beiden Firmen im vergangenen Frühjahr wegen Wettbewerbsbedenken untersagt, auch die Monopolkommission hatte sich gegen die Übernahme ausgesprochen, weil Edeka schon jetzt mit Abstand der größte Lebensmittelhändler ist und nach Übernahme des kleineren Wettbewerbers Kaiser's Tengelmann noch mächtiger werden würde. Nach dem Veto des Bundeskartellamts konnte nur noch einer den Weg für die Supermarktehe frei machen: Gabriel mit dem Instrument der Ministererlaubnis.
Wenige Stunden, nachdem Gabriel am Donnerstag Mittag seine Ministererlaubnis verkündet hatte, trat der Chef der Monopolkommission, Daniel Zimmer, zurück. Die Monopolkommission ist das wichtigste Beratergremium der Bundesregierung in Sachen Wettbewerb. „Eine Fortführung meiner Tätigkeit in der Monopolkommission erscheint mir nicht sinnvoll, wenn eine einstimmig erteilte Empfehlung der Kommission in einem eindeutigen Fall nicht angenommen wird“, erklärte Zimmer. Ein Affront.
Jobs werden sieben Jahre lang erhalten
Das ist jetzt geschehen. Der SPD-Politiker genehmigte die Übernahme nach langem Überlegen unter "sehr kräftigen" Auflagen, wie er betonte. Edeka darf die rund 450 Filialen von Kaiser's Tengelmann fünf Jahre lang nicht an selbständige Edeka-Einzelhändler weiterreichen, es sei denn, die Tarifparteien stimmen zu.
Festgeschrieben werden zudem die Jobs der 15.694 Mitarbeiter von Kaiser's Tengelmann (Stand: 31. Dezember 2015). Sie sollen für mindestens sieben Jahre erhalten werden, verfügte Gabriel. Es gehe um "Menschen, die nicht zu den Gutverdienern gehören", betonte der Minister. Lagerarbeiter, Fleischverkäufer, die mit 1500 bis 2000 Euro brutto im Monat nach Hause gehen. Doch nicht nur Jobs will Gabriel sichern. Fünf Jahre lang sollen die "Qualität der Mitbestimmung und die Betriebsratsstrukturen" nicht angerührt werden. Edeka wird per Ministererlaubnis verpflichtet, die derzeit geltenden tariflichen Bedingungen bei Kaiser's Tengelmann beizubehalten.
Erstmals werde der Schutz der Arbeitnehmerrechte und der Mitbestimmung Gegenstand einer Ministererlaubnis, betonte Gabriel. Den Gewerkschaften Verdi und NGG habe er damit eine "starke Stellung" eingeräumt. Sollte Edeka gegen die Bedingungen des Ministers verstoßen, Filialen schließen oder Tarifverträge kündigen, gilt die Ministererlaubnis - rückwirkend - als nicht erteilt. In Kraft tritt die Erlaubnis, so Gabriel, wenn Edeka und die Gewerkschaften die nötigen Tarifverträge abgeschlossen und dem Ministerium vorgelegt haben.
Verdi begrüßte die Entscheidung. Gabriel habe deutlich gemacht, dass eine Übernahme im Sinn des Gemeinwohlinteresses nur möglich sei, wenn konkrete Beschäftigungsverhältnisse, aber auch die Arbeitnehmerrechte erhalten blieben. "Das ist ein außerordentlich wichtiger Schritt, den wir begrüßen", sagte Verdi-Vorstandsmitglied Stefanie Nutzenberger. Jetzt gehe es darum, die konkreten Bedingungen in Tarifverhandlungen auszugestalten.
Edeka sichert Bedingungen zu
Edeka und Kaiser's Tengelmann begrüßten die Ministererlaubnis und teilten mit, sie wollten die Bedingungen "zügig abarbeiten". Tengelmann-Chef Karl-Erivan Haub betonte, nun hätten die Beschäftigten nach 17 Monaten Wartezeit "endlich eine verlässliche Zukunftsperspektive". Haub will sich schon seit langem von den defizitären Läden trennen. In Berlin betreibt Kaiser's noch 130 Filialen. Ob die Märkte nach der Übernahme weiter Kaiser's heißen werden oder in Edeka beziehungsweise Reichelt umbenannt werden, wollte Edeka am Donnerstag noch nicht sagen. Berlins Wirtschaftssenatorin Cornelia Yzer (CDU) hatte sich mit Blick auf die Beschäftigten und die Bedeutung des Einzelhandels für Berlin für eine Übernahme von Kaiser's durch Edeka ausgesprochen.
Allerdings hatte sich nicht nur Edeka um Kaiser's bemüht. Auch der zweitgrößte Lebensmittelhändler Rewe hatte um Kaiser's Tengelmann geworben. Haub hatte jedoch von Anfang an nur mit Edeka verhandelt. Am Donnerstag kündigte Rewe-Chef Alain Caparros an, gegen die Ministererlaubnis zu klagen. "Wir haben immer erklärt, dass wir alle rechtlichen Mittel ausschöpfen werden", betonte der Konzernchef. Rewe wird daher Beschwerde beim Oberlandesgericht Düsseldorf gegen die Ministererlaubnis einlegen.
Die Beschwerde hat nach Ansicht des Berliner Wettbewerbsexperten Hans-Peter Schwintowski durchaus Aussicht auf Erfolg. „Die Monopolkommission und das Bundeskartellamt haben aus gutem Grund gegen die Übernahme votiert“, sagte der Berliner Professor, der an der Humboldt-Universität lehrt, dem Tagesspiegel. Das von Gabriel angeführte Arbeitsplatzargument sei wettbewerbsrechtlich irrelevant und ein zweischneidiges Schwert. „In der Vergangenheit sind solche Zusagen niemals eingehalten worden“, betonte Schwintowski. „Daher würde ich Rewe empfehlen, gegen die Ministererlaubnis zu klagen“. Nach Einschätzung des Bundeswirtschaftsministeriums hat die Klage aber keine aufschiebende Wirkung.
Agrarminister Schmidt warnt vor Nachteilen für Bauern und Verbraucher
Nicht nur Rewe sieht die Ministererlaubnis kritisch. Der Deutsche Bauernverband befürchtet, dass sich die Wettbewerbsbedingungen innerhalb der Lebensmittelkette verschlechtern werden, so dass es - wie aktuell schon sichtbar - zu stärkeren Verlusten in der Landwirtschaft komme. Auch Bundesagrarminister Christian Schmidt (CSU) sieht die Übernahme "mit großer Skepsis". Die ohnehin schon sehr große Konzentration im Lebensmittel-Einzelhandel nehme durch diese Entscheidung weiter zu, betonte Schmidt am Donnerstag. Der Minister befürchtet Nachteile für die Verbraucher und die Landwirtschaft. "Langfristig werden die marktmächtigen Unternehmen die Preise diktieren, sowohl bei den Zulieferern, als auch an den Regalen", warnte der Minister. "Bereits heute stehen viele kleine und mittlere Erzeuger wenigen marktbeherrschenden Einkäufern gegenüber, mit dem Ergebnis sinkender Preise und Einkommen für die Landwirtschaft.“ Die Grünen-Fraktion im Bundestag kritisierte, Gabriel schweige zu den Bedenken, dass durch die Fusion Jobs bei Zulieferern und Wettbewerbern gefährdet seien. Für die Beschäftigten von Edeka gebe es keine Sicherheiten, dass nicht sie entlassen werden und eigene Standorte geschlossen werden, um die Fusion mit Tengelmann rentabel zu machen.
Gabriel ficht das nicht an. Es könne sein, dass die Zulieferer künftig weniger bekommen, davon profitiere aber der Verbraucher. Und ja, er habe auch im Blick gehabt, dass nicht nur Edeka zur Verfügung stehe, sondern auch Rewe. Deren Angebot habe ihn aber "nicht überzeugt".