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Männliche Küken werden derzeit noch massenhaft getötet, weil sie für die Landwirtschaft nicht zu gebrauchen sind.
© Ingo Wagner/dpa

Männliche Küken: Regierung will Kükentötung noch zwei Jahre erlauben

Agrarminister Christian Schmidt hat einen Plan: Für 1,2 Millionen Euro sollen Forscher verhindern, dass männliche Küken massenhaft getötet werden - bis 2017. Vielen ist das zu spät.

Von Maris Hubschmid

An großen Worten wurde jedenfalls nicht gespart am Donnerstag im Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft. Gleich diverse „Meilensteine“, „zentrale Bausteine“ und „starke Signale“ verkündete Agrarminister Christian Schmidt (CSU) für die Geflügelhaltung. Leo Graf von Drechsel, Präsident des Bundesverbands der Geflügelwirtschaft, ergänzte: Man sei froh, sich „in Zeiten von Griechenland bei einem noch viel schwierigeren Thema einer Lösung anzunähern“.

Allerlei Durchbrüche also, am Anfang stehen diese: Forscher der Universität Leipzig bohren Löcher in Eierschalen, um mittels einer so genannten Nah-Infrarot-Raman-Spektroskopie nach nur drei Tagen Bebrütung zu diagnostizieren, ob da ein männliches oder weibliches Küken heranwächst. Der Landwirtschaftsminister stellt dafür knapp 1,2 Millionen Euro zur Verfügung. Und hofft, dass die Methode bis 2017 praxisreif ist: „Das ist ambitioniert.“ Doch Maria-Elisabeth Krautwald-Junghanns, die Leipziger Projektkoordinatorin, werde „uns gleich verlassen und zum Zug gebracht, damit sie sofort weiterforschen kann.“

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© dpa-infografik

Keine Schnäbel mehr kürzen

Richtig witzig finden Tierschützer derlei Scherze wohl nicht. Sie fordern schnellere Lösungen. Jahr für Jahr werden in Deutschland 45 Millionen Küken lebend geschreddert, weil sie für die Eierproduktion nutzlos sind. Bis 2017 „werden also noch weitere 80 Millionen Küken getötet“, konstatiert Friedrich Ostendorff, Sprecher für Agrarpolitik der Grünen und forderte am Donnerstag ein umgehendes Verbot der Praxis. Schmidt hält dagegen: Ein Verbot ohne Alternative „würde die Kükentötung lediglich ins Ausland verlagern“. Sein Ziel sei es im Gegenteil, Deutschland zum Vorreiter für mehr Tierschutz in der Eierproduktion zu machen. Und anderen Ländern „damit vielleicht auch einen Anreiz zu setzen, in die deutsche Technologie zu investieren, wenn die Maschine erstmal läuft.“

„Eine Frage der Haltung“ – so war die Veranstaltung in Berlin überschrieben. Besiegelt wurden in ihrem Rahmen gleich noch zwei andere Vereinbarungen: So sollen ab dem 1. August 2016 keine Schnäbel mehr auf deutschem Boden gekürzt werden, ab dem 1. Januar 2017 „keine schnabelgekürzten Junghennen mehr eingestallt“ werden. Der Minister erklärte: „Ich habe bewusst auf Eigeninitiative gesetzt und mein Gefühl war richtig. Die Geflügelwirtschaft hat die ausgestreckte Hand ergriffen.“

Deutschland soll nicht alleine stehen

Geflügelverbandschef von Drechsel dankte es ihm mit den Worten: „Wir haben ungern starre Termine. Wir haben uns vor Jahrhunderten angewöhnt, Tiere so zu halten, und jetzt führen wir eine Wende herbei.“ Die Unterzeichnung der Vereinbarung markiere einen „aufregenden, großen Tag“. Gleichzeitig appellierte er an die Politik: „Hier geht es um Wettbewerbsfähigkeit. Uns ist wichtig, dass Sie uns in Deutschland nicht alleine lassen.“

Das unterstrich auch Günter Scheper, Bundesvorsitzender des Verbands Deutsches Ei. „Wir sind veränderungsbereit und stellen uns den gesellschaftlichen Forderungen. Das muss aber auch machbar sein – jetzt sind Verbraucher und Handel gefragt.“ Die Umstellung sei mit Kosten verbunden: „Es hat keinen Zweck, zu sagen, wir verkaufen das Ganze als mehr Tierwohl und nachher fressen sich die Hühner gegenseitig auf.“

Notfallmaßnahmen für Legehennen

Wo keine Schnäbel mehr gekürzt würden, sei mehr Aufsichtspersonal in den Ställen vonnöten, bräuchten die Hühner anderweitiges Beschäftigungsmaterial. „Das kann ein Korb Möhren sein oder ein Bund Stroh“, erklärte er auf Nachfrage. Der Minister versprach, „diese Investitionen nicht auf den Schultern der Erzeuger abzuladen.“

Wichtig ist den Legehennenhaltern außerdem die Feststellung, dass die Vereinbarung Notfallmaßnahmen zulässt. „Wenn die Hühner aufeinander losgehen, dürfen die Bauern das Licht dimmen.“

Schmidt nickte – und verteidigte die Freiwilligkeit des Systems einmal mehr: Wenn erst erwiesen sei, dass die Geflügelhaltung in der Breite ohne Tier belastende Maßnahmen funktioniere, werde es „für andere immer schwieriger, sich dem Fortschritt zu entziehen.“

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