Frankfurt: Razzia bei der Deutschen Bank wegen Geldwäschevorwürfen
170 Beamte durchsuchen sechs Gebäude der Deutschen Bank. Das Institut soll Kunden geholfen haben, Offshore-Gesellschaften in Steuerparadiesen zu gründen.
Es sind Bilder, wie sie die Deutsche Bank unter ihrem seit April amtierenden Chef Christian Sewing gerne vermeiden möchte: Etwa ein Dutzend Mannschaftswagen der Bundespolizei und mehrere Zivilfahrzeuge mit Blaulicht stehen am Donnerstagmorgen vor der gläsernen Zentrale des Geldhauses in der Frankfurter Innenstadt. Beamte in Zivil gehen in den Zwillingstürmen ein und aus. Der schwerwiegende Verdacht der Fahnder: Mitarbeiter des Instituts halfen Kunden dabei, Briefkastenfirmen in Steuerparadiesen zu gründen und auf diesem Weg Gelder aus Straftaten zu waschen.
Im Visier der Staatsanwaltschaft Frankfurt: zwei Mitarbeiter der Bank, 50 und 46 Jahre alt, sowie „andere bislang nicht identifizierte Verantwortliche“ des Instituts. Der Vorwurf: Trotz ausreichender Anhaltspunkte für Geldwäsche gab es keine Verdachtsanzeigen, wie sie verpflichtend vorgeschrieben sind.
Insgesamt 170 Beamte der Staatsanwaltschaft Frankfurt, des Bundeskriminalamts (BKA), der Steuerfahndung und der Bundespolizei rückten unter anderem in der Zentrale des größten deutschen Geldhauses in Frankfurt an. Ziel der großangelegten Aktion waren nach Angaben der Staatsanwaltschaft sechs Gebäude in Frankfurt, Eschborn und Groß-Umstadt.
Verdacht gründet auf "Offshore-Leaks" und "Panama Papers"
Nach einer Auswertung des beim Bundeskriminalamts vorliegenden Datenbestandes der sogenannten "Offshore-Leaks" und "Panama Papers" habe sich der Verdacht ergeben, dass die Deutsche Bank Kunden bei der Gründung von Offshore-Gesellschaften in Steuerparadiesen behilflich war, hieß es bei der Staatsanwaltschaft.
Dabei sollen Gelder aus Straftaten auf Konten der Deutsche Bank transferiert worden sein, ohne dass die Bank Geldwäscheverdachtsanzeigen erstattete, obwohl bereits seit Beginn der jeweiligen Geschäftsbeziehungen ausreichende Anhaltspunkte dafür vorgelegen hätten, teilte die Staatsanwaltschaft mit. Über eine zum Konzern gehörende Gesellschaft mit Sitz auf den Britischen Jungferninseln sollen allein im Jahr 2016 über 900 Kunden mit einem Geschäftsvolumen von 311 Millionen Euro betreut worden sein.
Bei den sogenannten "Panama Papers" handelt es sich um vertrauliche Unterlagen, die ein internationales Recherchenetzwerk unter Führung der "Süddeutschen Zeitung" im Frühjahr 2016 aufgedeckt hatte. Darin wurde enthüllt, wie Politiker, Sportfunktionäre, Milliardäre, Prominente und Kriminelle weltweit von der panamaischen Kanzlei Mossack Fonseca gegründete Briefkastenfirmen in Panama nutzen, um Steuern in ihren Heimatländern zu umgehen. Im Sommer 2017 teilte das Bundeskriminalamt (BKA) mit, im Besitz der Dokumente zu sein und diese auszuwerten. Die Wiesbadener Behörde hat nach Angaben aus dem September bereits mehrere Millionen Datensätze zu rund 270.000 Briefkastenfirmen ausgewertet. Dabei seien allein mehr als 2000 Fälle mit Deutschlandbezug festgestellt worden.
Die "Süddeutsche Zeitung" berichtet, dass allein die Deutsche Bank bis 2007 mehr als 400 Offshore-Firmen vermittelt oder verwaltet habe. Insgesamt hätten 14 deutsche Banken mehr als 1200 Briefkastenfirmen bei Mossack Fonseca gegründet.
Deutsche Bank: Arbeiten vollumfänglich mit den Behörden zusammen
Die Deutsche Bank erklärte in einer ersten Stellungnahme: „Es ist richtig, dass die Polizei aktuell an verschiedenen Standorten unserer Bank in Deutschland ermittelt. Es geht um einen Sachverhalt mit Bezug auf Panama Papers. Wir werden umgehend kommunizieren, sobald wir mehr Details haben.“ Die Bank erklärte, sie arbeite vollumfänglich mit den Behörden zusammen.
Die für die Aufsicht über die Deutsche Bank zuständige Europäische Zentralbank (EZB) wollte die Razzia bei dem Institut nicht kommentieren. Auch die in Bonn ansässige Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin) wollte keinen Kommentar zu der Durchsuchung abgeben.
Aktien der Deutschen Bank brechen ein
Die Razzia versetzte die Anleger an der deutschen Börse in Aufruhr. Die Aktien von Deutschlands größtem Kreditinstitut brachen zeitweise um bis zu 4,9 Prozent auf 8,17 Euro ein. Damit waren sie mit Abstand größter Verlierer im deutschen Leitindex Dax. Die Durchsuchungen bedeuteten "einen immensen Vertrauensverlust und kann sehr teuer werden für die Bank", sagte ein Aktienhändler. Ein Kursrutsch unter das kürzlich markierte Rekordtief von 8,05 Euro sei nun wahrscheinlich.
Die Deutsche Bank stand schon öfter im Fokus der Ermittler. In den vergangenen Jahren fanden mehrfach Razzien bei dem Institut statt. 2015 beispielsweise waren die Frankfurter Doppeltürme - die Zentrale der Deutschen Bank - wegen des Verdachts der Beteiligung an Steuertricksereien durchsucht worden.
Vorwürfe, die Bank haben sich in puncto Geldwäsche- und Geldwäscheprävention nicht immer korrekt verhalten, sind nicht neu. Erst im September hatte die Finanzaufsichtsbehörde BaFin Wirtschaftsprüfer der KPMG als Aufpasser bei dem Institut installiert, weil sie unzufrieden war mit den Kontrollmechanismen - ein bis dato einmaliger Vorgang.
Zuletzt war die Bank auch im Zusammenhang mit dem Geldwäscheskandal bei der Danske Bank ins Fadenkreuz geraten. Sie war bis 2015 als sogenannte Korrespondenzbank für die Dänen tätig. Heißt: Sie half als Institut mit globaler Reichweite bei der Abwicklung des Zahlungsverkehrs. Über ihre Systeme sollen rund 150 Milliarden Euro an verdächtigen Geldern abgewickelt worden sein. Weil der Deutschen Bank Transaktionen wiederholt verdächtig vorkamen, beendete sie 2015 die Geschäftsbeziehung mit der estnischen Danske-Filiale.
Kam dieser Schritt zu spät? Hätte den Deutsche-Bank-Mitarbeitern früher etwas auffallen müssen? Waren die internen Kontrollen ausreichend? „Eine Korrespondenzbank hat die Pflicht, die Transaktionen hinsichtlich Sanktionen und Verdachtsmomenten für Geldwäsche oder Terrorismusfinanzierung zu prüfen. Dafür stehen uns aber nur sehr begrenzt Informationen zur Verfügung“, sagte Deutsche-Bank-Vize Karl von Rohr dieser Tage der „Frankfurter Allgemeinen Zeitung“.
Die Hausbank trage die Hauptverantwortung. „Die Danske Bank hat die Pflicht, ihre Kunden zu kennen, denn sie pflegt den direkten Kontakt. Dänemark ist in der EU, Estland ist ein Euroland; da müssen wir davon ausgehen können, dass die Bank nach vernünftigen Standards geführt wird und den regulatorischen Anforderungen entspricht“, sagte von Rohr.
Muss Regulierungs-Vorstand Sylvie Matherat gehen?
Als Lehre aus den teuren Rechtsstreitigkeiten der Vergangenheit hatte die Deutsche Bank kräftig Personal in der Abteilung aufgebaut, die die Einhaltung von Regeln überwacht. 2500 Mitarbeiter kümmern sich nach jüngsten Angaben des Konzerns um Regulierung, Compliance und den Kampf gegen Finanzkriminalität - Tendenz weiter steigend. „Wir haben die größten Rechtsstreitigkeiten aus der Vergangenheit hinter uns gelassen“, bilanzierte das für diesen Bereich zuständige Vorstandsmitglied Sylvie Matherat im September im Gespräch mit der Deutschen Presse-Agentur. „Nun sind wir weiterhin dabei, unsere internen Kontrollen zu verbessern. Dabei haben wir schon recht viel erreicht.“
Für Matherat wird es allmählich eng. Das „Wall Street Journal“ spekulierte in dieser Woche bereits über den vorzeitigen Abgang der ehemaligen Bankenaufseherin, die im Deutsche-Bank-Vorstand seit November 2015 für Regulierungsthemen zuständig ist. Die Französin war noch zu Zeiten des in diesem Frühjahr geschassten Vorstandschefs John Cryan nach Frankfurt geholt worden.
Dessen Nachfolger Sewing drückt seit seiner Beförderung Anfang April beim Umbau des Konzerns aufs Tempo, fordert „Jägermentalität“ von seinen Mitarbeitern - und macht selbst auch vor unbequemen Personalien nicht Halt: Ende Oktober flog DWS-Chef Nicolas Moreau, weil das Geschäft der Fondstochter seit Monaten nicht rund läuft.
Droht der einzigen Frau im Vorstand der Deutschen Bank das gleiche Schicksal? Noch heißt es in Finanzkreisen, es stehe keine Entscheidung in Sachen Matherat bevor. Der aktuelle Fall dürfte die Personaldebatte aber weiter anheizen. Der für Geldwäsche-Prävention zuständige Manager Philipp Vollot hat die Bank im Oktober verlassen und - ausgerechnet - bei der Danske Bank angeheuert. (dpa/Reuters)
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