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Immer weniger Rauchen greifen zur Zigarette, sondern konsumieren Ersatzprodukte.
© Getty Images/iStockphoto

Tabaksteuer: Raucher greifen immer mehr zu Alternativen

E-Zigaretten und neuartige Tabakprodukte genießen Privilegien – die Steuereinnahmen stagnieren deshalb. Jetzt regt sich Widerstand aus der Politik.

Die Tabaksteuer war lange eine verlässliche und ertragreiche Verbrauchsteuer. Der Konsum von legal versteuerten Zigaretten bricht aber seit einiger Zeit dramatisch ein. In den 90ern wurden hierzulande noch 180 Milliarden Zigaretten jährlich regulär versteuert, jetzt sind es noch gut 80 Milliarden Stück. Dieser Trend hinterlässt Spuren: Obwohl der Gesetzgeber die Tabaksteuer seit der Jahrtausendwende deutlich angehoben hat, stagniert das Steueraufkommen. 2015 kamen in Deutschland 14,9 Milliarden Euro aus der Tabaksteuer zusammen, 2010 war es mit 13,49 Milliarden nur etwas weniger.

Die veränderten Konsumgewohnheiten der Raucher werden in Zukunft den Ertrag der Tabaksteuer weiter mindern. Immer mehr Nikotinsüchtige steigen nämlich auf andere Produkte um, die weniger oder gar nicht besteuert werden. So wird auf die E-Zigarette und Liquids, die zum Dampfen benötigt werden, lediglich Mehrwertsteuer erhoben. Das Produkt unterliegt nicht der Tabaksteuer. Die Branche argumentiert, das Steuerprivileg sei berechtigt, weil die E-Zigarette weniger gesundheitsschädlich sei. Doch Gesundheitspolitiker sind skeptisch und drängen auf die Einführung einer Steuer. Dennoch ist eine Besteuerung der E-Zigarette derzeit nicht absehbar. Die Bundesregierung verweist seit Jahren auf Brüssel, aber die EU-Kommission bremst. Zwar läuft bis 16. Februar eine öffentliche Konsultation, bei der Bürger, NGOs und Unternehmen ihre Meinung zum Thema mitteilen können. Zwar hat die Kommission von den Mitgliedsländern vor neun Monaten den Auftrag bekommen, die EU-Tabaksteuerrichtlinie zu überarbeiten. Doch es geht nicht so recht voran. Ein EU-Diplomat äußerte sich im Gespräch mit dem Tagesspiegel allerdings zurückhaltend: „Es ist viel zu früh, um vorauszusagen, welche Schlussfolgerungen gezogen werden. Wenn es überhaupt dazu kommt.“ Der Vorschlag zur Überarbeitung der Tabaksteuerrichtlinie ist für 2017 angekündigt.

Konzerne entwickeln Ersatzprodukte

Dabei ist der Handlungsbedarf mit Händen zu greifen: Neben E-Zigaretten kommen immer mehr Tabakprodukte auf den Markt, die angeblich weniger schädlich sind, aber systematisch der Tabaksteuer unterworfen werden müssen. Das prominenteste Beispiel ist die Iqos von Philip Morris. Beim Verkaufspreis lehnt sich das neue Tabak-Produkt von Philip Morris an das alte an: Eine Schachtel Iqos mit 20 Zigaretten der neuen Generation kostet sechs Euro – genauso viel wie eine Schachtel Marlboro. Für den Konzern zeichnet sich ein gutes Geschäft ab. Philip Morris ist es, vermutlich nicht zuletzt durch geschickte Lobbyarbeit, gelungen, in Deutschland ein Steuerschlupfloch für die Iqos aufzutun. Die Iqos wird nämlich nicht wie eine Zigarette besteuert, sondern wie Pfeifentabak. Und der Pfeifentabak zahlt bei der Tabaksteuer nur einen Bruchteil der Abgaben, die bei Fabrikzigaretten fällig werden. Konkret sieht es so aus: Bei einer Schachtel Marlboro mit 20 Zigaretten beträgt die Tabaksteuer 3,26 Euro, einschließlich Mehrwertsteuer macht die Steuerlast also 3,88 Euro aus. Eine Schachtel Iqos mit 20 Sticks wird mit 0,88 Euro bei der Tabaksteuer herangezogen, mit Mehrwertsteuer beträgt die Steuerlast insgesamt also 1,05 Euro.

Damit ist klar: Wenn das Konzept von Philip Morris aufgeht und viele Raucher umsteigen, drohen dem Fiskus Steuerausfälle. Kritiker nennen die Iqos ein „Steuerumgehungsprodukt“. Die Belastung der privilegierten Iqos ist bei der Tabaksteuer nur etwa ein Viertel so hoch wie bei der Fabrikzigarette. Wie aus dem Bundesfinanzministerium zu hören ist, gab es intern in der Tabaksteuerabteilung „Kontroversen“, als es darum ging, wie hoch die Iqos steuerlich belastet wird.

Im Bundestag regt sich Wiederstand

Philip Morris peilt für die Iqos einen Marktanteil von fünf Prozent in Deutschland an. Die Konkurrenz von Philip Morris hat Berechnungen angestellt und geht davon aus, dass bei einem Marktanteil von 5 Prozent dem Fiskus 500 Millionen Euro Steuern im Jahr entgehen würden. Das Bundesfinanzministerium widerspricht dieser Schätzung, in diesem Jahr liege der Steuerausfall durch die Besteuerung der Iqos als Pfeifentabak bei einem mittleren einstelligen Millionenbetrag.

Zahlen zum Steueraufkommen aus dem Absatz von Pfeifentabak in den ersten drei Quartalen 2016 deuten darauf hin, dass der Raucher durchaus für Iqos empfänglich ist: Demnach haben die Steuereinnahmen aus dem Pfeifentabak im Vergleich zum Vorjahreszeitraum um mehr als die Hälfte zugenommen.

Im Bundestag regt sich indes Widerstand gegen das Steuerprivileg für Philip Morris. Finanzexperte Lothar Binding (SPD) hat in der Sache einen Brief an den Staatssekretär im Bundesfinanzministerium, Michael Meister (CDU), geschrieben, der unserer Zeitung vorliegt. Darin heißt es: „Ich halte die günstigere Besteuerung für bedenklich, weil die potenzielle Gefährlichkeit der Iqos-Zigarette nicht in die Besteuerung mit einfließt.“ Binding stellt die Regelung infrage, wonach die Iqos nach deutschem Gesetz und EU-Tabaksteuerrichtlinie als Pfeifentabak eingestuft werden wird. Ihn interessiere, „wie es möglich ist, dass andere EU-Länder wie Italien, Griechenland und Portugal eine andere Zuordnung gewählt und eine höhere Tabaksteuer für dieses Produkt festgelegt haben“. Wie von Händlerseite zu hören ist, gibt Philip Morris übrigens dem Handel von den steuerbedingt umso höheren Profiten nichts ab: „Unsere Margen sind so gering wie bei der Fabrikzigarette und nicht so komfortabel wie beim Pfeifentabak.“

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