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Ramin L. Mokhtari (rechts), hier mit Wista-Energiemanager Simon Hamperl, hat bereits 160 seiner schlauen Leuchten in Adlershof installieren lassen.
© Promo/ICE_Gateway

Smart City: Ramins Wunderlampe

Von der schlauen Straßenlaterne bis zur Schadstoffe schluckenden Fassade: Berliner Unternehmen tüfteln an Produkten für wachsende Metropolen.

Das Besondere seiner Erfindung erklärt Ramin L. Mokhtari am Beispiel Telefon: „Früher benutzten wir analoge Apparate, heute haben wir Smartphones.“ In etwa so groß ist auch der Unterschied zwischen einer herkömmlichen Straßenlaterne und der multifunktionalen Leuchte, die Mokhtari mit dem Team seiner Firma ICE-Gateway entworfen hat. Leuchtende Alleskönner sollen seine Laternen sein. Dafür will er das Innenleben bestehender Modelle mit einer ausgetüftelten Elektronik ausstatten, während das Äußere unverändert bleibt: „Mit unseren Lampen wollen wir eine vernetzte digitale Infrastruktur aufbauen.“

Zum Einsatz sollen LED-Leuchten kommen, die Energie sparen, und durch die eingebaute Elektronik sehr präzise an- und ausgeschaltet werden können. „So kann jeder Tag genau justiert werden. An Weihnachten könnte man vielleicht etwas mehr leuchten, bei Bedarf aber auch auf bis zu fünf Prozent runterdimmen“, sagt Ramin L. Mokhtari. Insgesamt könne man so pro Lampe bis zu 80 Prozent Energie sparen.

Damit die intelligente Leuchte aber tatsächlich einem Smartphone gleicht, soll sie Zusatzfunktionen bekommen, die einer wachsenden Stadt wie Berlin direkte Vorteile bringen. Ein Beispiel ist die Erfassung des Verkehrsflusses – bisher wird die oft noch von Menschen vorgenommen, die am Straßenrand mit Klemmbrett und Bleistift postiert sind. Da Kameras aus Datenschutzgründen wegfallen, zählt die Wunderlampe Vorbeikommende mit Bluetooth – zumindest die, die mit dem Handy unterwegs sind. Je nach Geschwindigkeit kann der Computer dann errechnen, ob es sich um Fußgänger oder Autofahrer handelt.

Die Daten könnten Staus vermeiden und Fußgänger zu Sehenswürdigkeiten lotsen

Diese Daten könnten vielfältig genutzt werden, etwa zur Verkehrsplanung, zur Vermeidung von Staus oder bei der Parkplatzsuche. Und auch Fußgänger sollen weitere Vorteile haben: Gehen sie an einer Laterne vorbei, so Ramin L. Mokhtaris Idee, könnten sie bestimmte Inhalte zur Umgebung am Handy abrufen, wie etwa Infos zu Sehenswürdigkeiten, Museen und Restaurants, aber auch Sicherheitshinweise.

160 seiner klugen Leuchten hat der Unternehmer bereits in Adlershof installiert, demnächst sollen weitere in einer europäischen Großstadt folgen – in welcher, das verrät er noch nicht. Noch seien viele potentielle Kunden es nicht gewohnt, dass ein Produkt mehr als nur eine Funktion hat, berichtet er amüsiert. Aber Ramin L. Mokhtari ist überzeugt, dass eine Stadt wie Berlin mit seiner Idee buchstäblich in neuem Licht erstrahlen würde, nicht zuletzt wegen der Kosten: „Unser Beitrag zur Smart City braucht nicht subventioniert werden – er finanziert sich ganz einfach durch Energieeinsparung.“

Die Fassadenelemente der Berliner Architekten Allison Dring und Daniel Schwaag wurden bereits an einem Krankenhaus in Mexiko City installiert _ und sorgen dort jetzt für bessere Luft.
Die Fassadenelemente der Berliner Architekten Allison Dring und Daniel Schwaag wurden bereits an einem Krankenhaus in Mexiko City installiert _ und sorgen dort jetzt für bessere Luft.
© Promo/Elegant Embellishments

Was für unterschiedliche und kreative Ideen sich unter dem Stichwort „Smart City“ bündeln lassen, zeigt auch das Beispiel des Berliner Unternehmens Elegant Embellishments. Die beiden Architekten Allison Dring und Daniel Schwaag entwerfen Fassadenelemente für Häuser, die Schadstoffe aus der Luft filtern. „Prosolve“ nennen sie ihr Produkt, das wie ein funktionales Ornament wirkt. Die aus organisch geformten Ringen gebildete Fassade ist mit einem Photokatalysator überzogen, der unter Lichteinfluss giftige Substanzen neutralisieren kann.

Das Geheimnis ist die Vergrößerung der Oberfläche

Damit das auch funktioniert, und möglichst viel vorbeistreifende Luft gereinigt wird, setzen die Architekten auf Oberflächenvergrößerung. Mit der charakteristischen „Prosolve“-Fassade haben sie bereits ein Krankenhaus in Mexico City verkleidet, ein passender Ort, wie Daniel Schwaag findet: „Das Haus steht für Heilung und Hygiene – und mit der gereinigten Luft wollte man sozusagen einen Schutzschild gegen die verpestete Luft von Mexico City bilden.“ Allison Dring sieht die Einsatzmöglichkeiten ihrer Fassaden pragmatisch: „Wir wollen nicht ganze Städte damit überziehen, sondern gezielt an besonders beanspruchten Stellen arbeiten. Und dabei muss es ästhetisch sein.“ Abnehmer dürften sich auch jenseits von Metropolen wie Mexico City oder Peking finden, sagt die Architektin: „Überall, wo Autos fahren, gibt es Luftverschmutzung – und die bleibt meist an den Häuserfronten hängen und dringt direkt zu den Fußgängern hinunter. Unsere Fassaden reinigen also nicht nur die Gebäude selbst, sondern vor allem dem Raum davor.“

Mit ihrer neuesten Erfindung gehen die beiden noch einen Schritt weiter: Statt wie bisher nur auf die luftreinigende Funktion ihrer Elemente zu bauen, soll nun auch das Fassadenmaterial selbst nachhaltig sein. Die Lösung klingt verblüffend einfach: Biokohle. Sie ist in der Herstellung nachhaltig, weil Vorhandenes – etwa Stümpfe abgeernteter Pflanzen – einfach verkohlt und CO2 so langfristig gebunden wird. Ihr „HexChar“ genanntes Produkt will das Architektenduo in Zukunft möglichst verschwenderisch zum Einsatz bringen, sagt Allison Dring, denn: „Je mehr wir bauen, desto weniger CO2 in der Atmosphäre und desto besser fürs Klima.“

Judith Hyams

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