Luftverkehrssteuer: Privilegien machen Bundesrichter stutzig
Karlsruhe muss über die Luftverkehrsabgabe befinden. Zum Auftakt erwischen die Verfassungsrichter die Regierungsvertreter auf dem falschen Fuß.
Das Bundesverfassungsgericht hat am Dienstag über die Luftverkehrssteuer verhandelt. Erstmals muss das Karlsruher Gericht darüber entscheiden, ob Aufschläge bis zu 42 Euro auf ein in Deutschland gekauftes Flugticket mit dem Grundgesetz in Einklang stehen. Nach den Richterfragen bei der mündlichen Verhandlung zu urteilen, könnte der Erste Senat teilweise Korrekturen des Gesetzes verlangen.
Seit 2011 gibt es drei Steuertarife. Bei einem Kurzstreckenflug bis 2500 Kilometer fallen 7,50 Euro an. Dieser Aufschlag gilt bei allen Inlandsflügen. Auf der Mittelstrecke bis 6000 Kilometer sind es 23,45 Euro. Der Aufschlag von 42,18 Euro gilt bei Langstrecken von über 6000 Kilometern. Rheinland-Pfalz hält die Luftverkehrssteuer für verfassungswidrig und klagte deshalb. Der Mainzer Innenminister Roger Lewentz (SPD) sagte am Dienstag in Karlsruhe, das Gesetz treffe „den Low-Cost-Bereich besonders nachhaltig,“ mithin also Ryanair oder Air Berlin. Die Passagierzahlen des Regionalflughafens Frankfurt-Hahn seien 2011 um mehr als 17 Prozent eingebrochen. Denn gerade die Kunden von Billigfluglinien seien „besonders preissensibel“. Sie würden ins europäische Ausland ausweichen, wo es die Steuer nicht gebe. Anreize für ein umweltbewusstes Verhalten würden folglich verfehlt. Weiter seien die Ausnahmen von der Steuer nicht gerechtfertigt. Und die sind zahlreich.
Für Umsteiger und Weitflieger
Privilegien gibt es etwa für Umsteiger: Wer in Luxemburg ein Ticket nach China bucht, dann per Zubringer nach Frankfurt fliegt und von dort die Maschine nach China besteigt, zahlt keine Steuer.
Eine weitere Besonderheit besteht bei der Entfernungsberechnung. Es wird der größte Flughafen des Landes zugrunde gelegt, nicht der tatsächliche Zielflughafen. Bei Russland-Flügen wird also immer die Entfernung nach Moskau berechnet, auch wenn Zielort das 6400 Kilometer weiter östlich liegende Wladiwostok ist.
Richter zweifeln nicht am Recht auf Steuer
Die Bundesregierung verteidigt die Abgabe „als Einstieg“ in die Besteuerung des Luftverkehrs. Werner Gatzer, Staatssekretär im Bundesfinanzministerium, erinnerte in Karlsruhe an die enorm gestiegenen Passagierzahlen. Nutzten 1970 noch 36 Millionen Menschen in Deutschland das Flugzeug, waren es 2013 schon 230 Millionen. Damit verbunden seien öffentliche Kosten, betonte Gatzer, etwa für Flughäfen. Die Luftverkehrssteuer bringe dem Bund eine Milliarde Euro jährlich. Neben der Einnahmenseite habe die Steuer auch ökologische Ziele, nämlich bei Inlandsstrecken auf die Bahn umzusteigen.
Dass der Bund Flugsteuern erheben darf, um einerseits die Infrastruktur zu finanzieren und andererseits das Umweltverhalten zu beeinflussen, daran hatte die achtköpfige Richterbank wenig Zweifel. Soweit von Rheinland-Pfalz die Abwanderung von Passagieren in benachbarte europäische Regionalflughäfen behauptet wurde, waren die vorgelegten Zahlen umstritten. Denn Gewinnrückgänge gab es 2011 nicht nur am Regionalflughafen Hahn, sondern auch im niederländischen Maastricht. Dort gibt es aber keine Steuer. Die Einbrüche könnten also auch mit den konjunkturellen Folgen der Finanzkrise zusammenhängen.
Vorsitzender Richter: "Das überrascht mich jetzt"
Sehr viele kritische Fragen stellten die Richter den Vertretern der Bundesregierung jedoch zu den Umsteigerprivilegien. Sie konnten bei der Verhandlung keine Zahlen vorlegen, wie viele Passagiere dadurch von der Steuer verschont bleiben. „Das überrascht mich jetzt“, sagte Vizepräsident Ferdinand Kirchhof, Vorsitzender des Ersten Senats.
Rheinland-Pfalz kommentierte bissig: „Es handelt sich um frei schwebende Ausnahmen.“ Auch die pauschale Entfernungsfeststellung bei Auslandsflügen provozierte viele Nachfragen. Antwort der Regierungsvertreter: Das vereinfache die Verwaltung. Ob das den Richtern ausgereicht hat, werden sie in drei bis vier Monaten verkünden.
Ursula Knapp